Servus Stefan,
mir fällt grad auf, daß mein Abputzer für den Maler Weber sich wohl ziemlich harsch liest.
Damit verständlich wird, was ich mit „Anstreicher“ meine, will ich Dir zum Vergleich zwei von den vielen „Alpen-Malern“ an die Hand geben, die - wie ich finde - das Licht dort besonders gut fassen konnten.
Es geht um Giovanni Segantini und Ernst Ludwig Kirchner. Sie sind Vertreter gänzlich unterschiedlicher Stile, und speziell Segantini war auch lang genug - ists noch heute - als Produzent unsäglich kitschiger Schinken verschrien.
Wenn Du einen ziemlich guten Bildschirm hast, hilft die Google-Bildersuchfunktion. Aber unabhängig davon sind beide eine Reise wert:
Zusammen in Chur. Und geballt Kirchner in Davos, Segantini in San Murezzi/St. Moritz.
(Freunde der Sezession im Berchtesgadener Land mögen mir verzeihen, daß ich direkt ins Engadin vorgestoßen bin.)
Es gibt viele Landschaften, die „ihre Maler“ haben. Ob jetzt zu Worpswede und dem Teufelsmoor unbedingt der Voglersche Jugendstil gehört, sei dahingestellt. Von der Landschaft, die ich in den ersten zwanzig Lebensjahren quasi auswendig kennen gelernt habe, weiß ichs: Für Oberschwaben und den Bodensee sind Maler „zuständig“, die bewußt zu der akademischen Schule ihrer Zeit in Opposition gegangen sind: Die Maler aus der Stuttgarter Sezession und aus der Sezession Oberschwaben-Bodensee - hervorzuheben vielleicht Hans Purrmann, Julius Herburger, Jakob Bräckle und André Ficus. Außer dem mehr „weltläufigen“ André Ficus haben sich alle vorwerfen lassen müssen, viel zu spät Gekommenes und daher nicht Originales, eben „Kitsch“ zu malen. Dennoch: Wenn ich heute dreihundert Kilometer weiter einen Bräckle anschaue, rieche ich die Gülle auf den verschneiten Moorwiesen meines Oberlandes. Wenn ich ein Zirkusbild von Herburger anschaue, trommelt die alemannische Fasnacht darin. Aus einem Ficus klatschen die Wellen des Bodensees, wenn er wieder Atlantik spielt.
Das alles ist „Kitsch“, wenn man jedes Heimatgefühl Kitsch nennen will. Aber immerhin hat es auch Herburger geschafft, von den für Blut und Boden zuständigen Organen als „entartet“ verbrannt zu werden. Es geht dabei gar nicht so sehr um ein Pro und Contra zur Gegenständlichkeit und zur gefühlten Heimat - viel mehr um die möglichst kompromißlose Wahl der Mittel.
Ob man bäuerliche Bräckle-Miniaturen malt oder Löwenzahnpollen siebt und monochrom auf einen geeigneten Grund aufbringt, das kommt auf eines hinaus - wenns bloß radikal ist: Dieses Erleben ist immer radikal, daher schwer einer Mehrheit verkäuflich. Daß Jakob Bräckle in nicht krankenversicherten Zeiten den Zahnarzt mit einem Bild bezahlt hat, sei ihm nachgesehen.
Fundorte für die zuletzt Genannten: Langenargen, Museum***. Ravensburg, Städtische Galerie. Biberach, Braith-Mali-Museum. Städtische Galerie „Die Fähre“, Bad Saulgau.
Schöne Grüße
MM