Wer trug im (Spät-)Mittelalter Schwerter?

Hallo!

Wer durfte Schwerter tragen? Ich lese in historischen Romanen ab und zu, dass ein Typ ein Schwert trug und somit als Ritter erkannt wurde. War das so, Schwertträger = Ritter? Und woran lags? Weil sich einfache Leute keins leisten und nicht damit umgehen konnten? Oder war das für die regelrecht verboten?

Gruß, Sabine

Hallo, auch.

Im Hochmittelalter war das Schwert wohl ausschließlich dem Ritterstand und deren Haushaltssoldaten vorbehalten, Serjant oder nicht. Milites, eben.
Durch das Erstarken der Gewerke im Spätmittelalter, das Erstarken des Bürgerstandes und der Städte weichte das wohl auf. Fechten (ja, auch mit einem Schwert heißt das so) wurde anerkannte Kunst, und ansässige oder fahrende Fechtmeister lehrten die Bürger das Waffenhandwerk. Im Spätmittelalter dürften also Berufskrieger oft Zugang zum Schwert gehabt haben, ebenso wie reiche Bürger. Schwerter waren halt teuer. Gute Schwerter noch teurer. Selbst kaputte Schwerter wurden zu anderen Waffen umgearbeitet. Dadurch war das Tragen von Schwertern wohl eingeschränkt, auf dem Schlachtfeld auch durch die Methodik der Kriegskunst jener Zeit.

Es grüßt,

der Marcus

Hallo!
Meine Kenntnisse zu diesem Thema sind sehr unsicher. Und man hat ja in
diesem deutschen Forum immer gute Chancen, daß sich irgendjemand
findet, der einen anbellt. Also wahrscheinlich wäre es besser, den Ball
flach zu halten. Aber trotzdem:
Erstens möchte ich darauf hinweisen, daß zumindest im frühen und hohen
Mittelalter zwischen den Gruppen der Ritter einerseits und der
weltlichen adligen Freien andererseits keine Identität bestand. Und die
letztgenannte Gruppe durfte gewiß Schwerter tragen. Zweitens frage ich
mich, ob nicht für alle Freien das Recht zum Tragen des Schwertes
bestand, auch wenn es viele selten getragen haben. Denn die Freien
waren grundsätzlich zur Teilnahme am Heeresaufgebot verpflichtet und
sie hatten das Recht oder Risiko, gerichtliche Entscheidungen mittels
Zweikampf herbeizuführen.

Hallo,
zusätzlich zu Marcus’ Angaben: das Verbot des Tragens ‚edler‘ Waffen wie Schwert und Dolch wurde im Spätmittelalter z.B. durch die sog. Haus- oder Bauernwehr umgangen, ein gerades oder leicht gekrümmtes Messer mit der Länge eines Kurzschwertes. Daraus entstanden in der Renaissance die ‚langen Messer‘, eine Art einseitig geschliffenes Schwert (z.B. auch in Thalhoffers Fechthandbuch zu finden).

Die Büger freier Reichsstädte waren natürlich solchen (lokalen) Waffenverboten nicht unterworfen - sie waren im Gegenteil dazu verpflichtet, für ihre Stadt ggf. Kriegsdienst zu leisten und hatten sich dafür selbst zu rüsten. Ein Schwert war da allerdings eine erhebliche Investition und hatte eher repräsentativen Zweck - taktisch wirksamer waren Stangenwaffen und kürzere Klingenwaffen, die im Haufenkampf zu Fuß besser eingesetzt werden konnten.

Freundliche Grüße,
Ralf

1 Like

Ihr seid ja super, danke!

Da fällt mir noch eine andere Frage ein: Man nennt Schwerter je nach Grifflänge ja Zweihänder, Anderthalbhänder usw. Hat man die damals auch schon so genannt?

Gruß, Sabine

sie hatten das Recht oder Risiko, gerichtliche Entscheidungen
mittels
Zweikampf herbeizuführen.

Hm, hier muss ich ganz dumm nachfragen: Was heißt das?

Gruß, Sabine

Nö.
Die Begriffe wurden im Historismus geprägt.
Historisc^h korrekte Bezeichnungen:
Schwert= Einhandschwert
Langes Schwert= Alles Andere mit zwei Klingen
Langes Messer= Einhändig, einschneidig. Die militärische weiterentwicklung der Bauernwehr, die es übrigens schon im 13. Jht. gab.
Dussak= Holzschwert zum Training, verbreitet in Mitteleuropa, nicht in England
Degen= Dolch
Stangenwaffen Halmbart oder Mordaxt, in England alles Bill.

Grüße

Langes Messer ist nicht zwingend Renaissance, sondern war bereits im Spätmittelalter weit verbreitet. Die Fechtbücher belegen dies, wobei ich mich da nicht zwingend auf Thalhoffer stützen würde. Der ist sehr umstritten, ebenso wie Sutor (aber das wäre dann wirklich Renaissance).

sie hatten das Recht oder Risiko, gerichtliche Entscheidungen
mittels
Zweikampf herbeizuführen.

Hm, hier muss ich ganz dumm nachfragen: Was heißt das?

Angenommen, du hast eine Meinungsverschiedenheit mit dem Finanzamt über deine Steuerzahlung. Anstelle vor dem Verwaltungsgericht triffst du dich aber in voller Rüstung mit einem Kämpfer des Finanzamts auf der Kampfplatz. Derjenige, der das Recht auf seiner Seite hat, kämpft mit Gottes Unterstützung und wird darum natürlich gewinnen.

Wie du woh leicht einsiehst, ist diese Form der Wahrheitsfindung einfach und unbestechlich und dem komplizierten Prozedere einer Gerichtsverhandlung mit Richtern und Zeugen doch in jedem Fall vorzuziehen.

So dachte jedenfalls in der Theorie der hochmittelalterliche Mensch.

Es kommt bei der Frage, wer Schwerter tragen durfte extrem auf die Zeit
und den Ort an. Im Sätmittelalter / Renaissance trugen teilweise sogar
Handwerker und auch Bauern Schwerter (siehe Dürers „Drei Bauern“).
Erschwert wird die Quellenlage dadurch, daß damals alles was wie ein
Schwert aussah auch als Schwert bezeichnet wurde - fertig. Nur manchmal
wurde zwischen dem langen und kurzen Schwert unterschieden. Man muß da
oft auf den Kontext achten.

Daß das Schwert nicht nur dem Adel vorbehalten war sehen wir an z.b.
auch am Fechtbuch MS I.33 aus dem Ende 13./Anfang 14. Jh in dem
Klerikale fechten. Auch andere Fechtmeister waren bekanntermaßen keine
Adeligen. Schwerter waren also KEIN Erkennungsmerkmal für Adel oder gar
Ritter.

Übrigens, Dussak gab es auch in Stahl, vor allem in den östlichen
Gegenden (Tschechien, Polen, Ungarn etc).

Handwerker und auch Bauern Schwerter (siehe Dürers „Drei
Bauern“).

Die drei Bauern als Beispiel anzuführen, dass Bauern Schwerter tragen durften, ist arg weit hergeholt. Bitte betrachte den Bauern mit dem Schwert (hat nur einer eines). Das Ding ist ziemlich runtergekommen, die Scheide nur noch Flickwerk. Unten kaputt. Dürfte sich also um einen Schlachtfeldfund handeln, oder einfach um ein geraubtes oder gestohlenes Schwert ohne Ahnung bezüglich Instandhaltung.Ist natürlich spekulativ, aber ebenso wahrscheinlich.

Erschwert wird die Quellenlage dadurch, daß damals alles was
wie ein
Schwert aussah auch als Schwert bezeichnet wurde - fertig.

Nö.

Daß das Schwert nicht nur dem Adel vorbehalten war sehen wir
an z.b.
auch am Fechtbuch MS I.33 aus dem Ende 13./Anfang 14. Jh in
dem
Klerikale fechten.

Nochmal Nö. Der Mönch kämpft mit der heiligen Katharina (jedenfalls extremst wahrscheinlich). Der Grund dürfte darin zu suchen sein, dass Mönche die Bücher geschrieben und gemalt haben. Buchdruck war noch nicht. Nicht jedoch als Sinnbild für fechtenden Klerus.

Übrigens, Dussak gab es auch in Stahl, vor allem in den
östlichen
Gegenden (Tschechien, Polen, Ungarn etc).

Beleg/ Quelle dazu wäre klasse. Das tschechische Schaukampfgruppen das Zeug benützen ist bekannt, jedoch gibt es keine erhaltenen Stücke, die nicht dem Historismus oder späterer Zeit zuzuschreiben wären. In den Fechtbüchern und Stichen/Schnitten sind die stets aus Holz. Warum hätte man sowas kompliziertes auch schmieden sollen? Dann lieber gleich ein Messer oder Schwert.

Grüße

Hm, soweit es das Finanzamt betrifft, wäre das ja heute noch nicht schlecht. :wink:

Danke!

Oha, wenn ihr euch schon nicht einig seid, wirds für einen ahnungslosen Sünder wie mich aber schwierig.

Aber trotzdem danke, ihr habt mir schon sehr weitergeholfen!

Streit oder Wissenschaft?
Hi Sabine,

Oha, wenn ihr euch schon nicht einig seid, wirds für einen
ahnungslosen Sünder wie mich aber schwierig.

Es liegt in der Natur der Geschichtsforschung, daß man sich in fast allen Fällen nicht einig sein kann. Würde Einigkeit erzielt, wäre die Forschung ja hinfällig. Das sollte Dich also nicht abhalten, Dich weiter schlau zu machen. :smile:

Überhaupt erlebe ich es gerade hier im Mittelalterbrett oft, daß sachliche Diskussionen als „Streit“ oder „Abmahnen“ aufgefaßt werden. Das kommt sicher einesteils daher, daß Reenactors, Liferollenspieler und Historiker hier ihr Unwesen treiben - und von sehr verschiedenen Standpunkten aus argumentieren.

Gerade die beiden ersteren aber sollten wissen, daß „Streit“ - also Uneinigkeit - einfach dazugehört zu einer fachlichen historischen Auseinandersetzung. Besonders, wenn es in die Geschichte hineingeht, die vor der Neuzeit liegt.

Und die letzteres sollten bedenken, daß auch interessierte Laien durchaus ein fundiertes Basiswissen haben können. :wink:

Und dann haben wir uns alle lieb. :wink:

Liebe Grüße,
Nike

Hm, soweit es das Finanzamt betrifft, wäre das ja heute noch
nicht schlecht. :wink:

das wollte ich auch gerade sagen :smile:

Dussak/Dusägge

Übrigens, Dussak gab es auch in Stahl, vor allem in den
östlichen
Gegenden (Tschechien, Polen, Ungarn etc).

Beleg/ Quelle dazu wäre klasse.

Hallo!
Eine Schnellrecherche bei Google scheint meine Vermutung zu belegen, dass Du(s)sak und Dusägge ein- und dasselbe sind. Im Netz finden sich Belege, dass diese Waffe durchaus aus Metall gefertigt wurde. Informationen auch im „Handbuch der Waffenkunde“ von Wendelin Boeheim:
„Der orientalische Einfluss ist auch an einer europäischen Waffe des 15. Jhdts., der sogenannten Dusägge, zu erkennen. Diese Dusägge ist nichts anderes als ein rohes Stück Eisen, krumm in die Spitze laufend, mit breitem Rücken und stumpfer Schneide; am unteren Ende ist ein längliches Loch ausgesägt, welches als Handhabe dadurch dient, dass die vier Finger in dasselbe hineingreifen. Man hat bisher den Ursprung des Namens Dusägge in Bähmen gesucht; derselbe könnte sich aber von dem altdeutschen „tusic“, stumpf, oder von dem ebenfalls altdeutschen „twoseax“ herleiten, welches soviel als Doppelmesser bedeutet. Für die erstere Annahme spricht, dass diese plumpe Waffe seltener als Kriegswaffe, hauptsächlich aber auf Fechtschulen gebraucht wurde.“

Hoffe, ich habe zur Klärung beitragen können :wink:

Grüßle,
Eva

Tut mir leid - ich bin extrem spät dran mit Antworten, war aber im
Ausland… falls es noch aktuell ist:

Daß das Schwert nicht nur dem Adel vorbehalten war sehen wir
an z.b.
auch am Fechtbuch MS I.33 aus dem Ende 13./Anfang 14. Jh in
dem
Klerikale fechten.

Nochmal Nö. Der Mönch kämpft mit der heiligen Katharina
(jedenfalls extremst wahrscheinlich). Der Grund dürfte darin
zu suchen sein, dass Mönche die Bücher geschrieben und gemalt
haben. Buchdruck war noch nicht. Nicht jedoch als Sinnbild für
fechtenden Klerus.

Inwieweit kommst Du darauf, daß der Priester (definitiv KEIN Mönch!)
mit der Katharina kämpft? Sie wird als Walpurgis bezeichnet (32v/64).
Ausserdem ist der spätere Eintrag auf Folio 1r (Aeeas Sylvius, Papst
Pius II zugeordnet) doch ein ziemlicher Hinweis, daß eben doch ein
Priester und sein Schüler gefochten haben.

Ausserdem war der (vor allem höhere)Klerus manchmal recht streitbar -
lies doch mal die Kreuzzüge nach, vor allem der Albigenser-Kreuzzug.

Weiter Hinweise für das Tragen von Schwertern durch Nichtadelige
finden wir bei Chaucer, im Sachsenspiegel usw.

Wenn es gewünscht wird, dann such ich noch mehr Quellenmaterial raus.

Grüße

Herbert

Hallo, Sabine,

nein, die Begriffe stammen aus dem Historismus.
Damals unterschied man in:
-langes Schwert (Anderthalb-/Bidenhänder)
-Schwert (einhändig)
-Langes Messer (einhändig, einschneidig)
-Degen (Dolch)
-Wehr (undefiniert)
-Rappier (das spätere Rapier, eine Art des Degens der Musketierszeit, anfangs noch schwerer)
-Dussak (bananenartig, meist hölzern, scheinbar auch aus Metall, konnte aber noch keiner eine Quelle für nennen)
-Mordaxt (Luzerner Hammer, eine Stangenwaffe)
-Halmpart (auch eine Stangenwaffe)

Es gab später dann noch Sonderwaffen, dafür dann auch andere Begriffe.

Grüße