Wetterdaten - woher kommen sie, wohin gehen sie?

hallo,

Ich weiss, bzw. vermute eher, dass es -verteilt auf der welt- überall Wetterstationen gibt oder geben muss, um diverse Daten zu sammeln um mir dann letztendlich im TV mitzuteilen, wie das Wetter morgen, oder die nächsten Tage wird/werden soll.

Ich weiss auch, wie man z.B. in einem Browser mit irgendeiner Forecast-Erweiterung seinen Standort eingeben kann um dann speziell für diesen Standort die aktuellen Wetterdaten angezeigt zu bekommen.

Das funktioniert ja von überall auf der Welt und für überall auf der Welt. Z.B. kann ich in Timbuktu das Wetter von Köln anzeigen lassen und umgekehrt.

Was ich aber nicht weiß, und was sich mir als bisher unbeantwortete Frage stellt ist:

  1. Wer ist verantwortlich für die Übertragung/Archivierung dieser ganzen gesammelten Daten?
  2. Wer verteilt sie, und/oder wer fordert sie an?
  3. Also welchen Weg gehen diese Daten überhaupt?
  4. Und ist es so, dass wenn ich einen Timuktuanischen Wetterdienst abfrage, die Daten auch aus Timbuktu stammen/erhoben wurden? Oder holt dieser Dienst sich die Daten frisch aus dem jeweiligen Ort?

Kurz: Wenn ich in X das Wetter von Y abfrage, welche Quelle wird benutzt? Und ist dies diesselbe Quelle, wenn ich in Y das Wetter von X abrufe/erfahren möchte?

sich fragend,
loth

Hallo, Loth,
als ich auf unseren Erzschuten (>140000 TDW) den Atlantik beschipperte wurden alle sechs Stunden genaue Wetterdaten aufgenommen: Position, Temperatur, Taupunkt, Windrichtung/stärke, Bedeckungsgrad, Wolkenart, Niederschlag etc.
Diese Angaben wurden nach einer Schlüsseltafel zu einer Zahlenkolonne verarbeitet, die ich dann über Norddeich Radio als sog. OBS an das Deutsche Hydrographische Institut in Hamburg bzw. den Deutschen Wetterdienst durchmorste.
Dort wurden aus diesen Daten Wetterkarten und Wetterberichte, Synopsen und Vorhersagen erarbeitet und wiederum den Bedarfsträgern zur Verfügung gestellt.
Natürlich gibt es auch an Land unzählige solcher Stationen. Und im Internationalen Verbund tauschen die Wetterdienste der Länder ihre Daten untereinander aus.
Gruß
Eckard

Hallo Loth,

Ich weiss, bzw. vermute eher, dass es -verteilt auf der welt-
überall Wetterstationen gibt oder geben muss, um diverse Daten
zu sammeln

Stimmt. Tausende.

um mir dann letztendlich im TV mitzuteilen, wie das
Wetter morgen, oder die nächsten Tage wird/werden soll.

Die Stationen sagen Dir wie das Wetter vor ein paar Wochen, gestern oder bestenfalls vor einer halben Stunde war. Wenn es um morgen geht, beruhen die Daten auf Modellrechnungen. Dazu komme ich ganz am Ende nochmal zurück.

Ich weiss auch, wie man z.B. in einem Browser mit irgendeiner
Forecast-Erweiterung seinen Standort eingeben kann um dann
speziell für diesen Standort die aktuellen Wetterdaten
angezeigt zu bekommen.

Das funktioniert ja von überall auf der Welt und für überall
auf der Welt. Z.B. kann ich in Timbuktu das Wetter von Köln
anzeigen lassen und umgekehrt.

Was ich aber nicht weiß, und was sich mir als bisher
unbeantwortete Frage stellt ist:

  1. Wer ist verantwortlich für die Übertragung/Archivierung
    dieser ganzen gesammelten Daten?

Die World Meteorological Organization (WMO) - der „Dachverband“ aller nationalen Wetterdienste.

  1. Wer verteilt sie, und/oder wer fordert sie an?

Generell auch die WMO. Daneben gibt es seit ein paar Jahren auch private Organisationen, die Wetterdaten von Stationen einkaufen bzw. selber Stationen betreiben.

  1. Also welchen Weg gehen diese Daten überhaupt?

Einen sehr interessanten: Sie werden in das GTS (Global Telecommunication System) eingespeist, welches von der WMO extra zu diesem Zweck vor vielen Jahrzehnten geschaffen worden ist. Das GTS ist ein weltumspannendes Netzwerk zur Datenkommunikation, welches viel älter ist als das Internet. Heutzutage sind einige Verbindungen des GTS über das Internet realisiert aber viele beruhen nach wie vor auf Punkt zu Punkt Leitungen, Telex oder Radioverbindungen (z.B. von Schiffen oder abgelegenen Stationen - so wie zum Beispiel in dem Posting von Eckhard beschrieben). Näheres zum GTS findest Du hier:
http://www.wmo.ch/web/www/TEM/gts.html
Unter den Links in der Seite
http://www.wmo.ch/web/www/TEM/GTSstatus/GTSstatus.htm
findest Du den derzeitigen Status des GTS für alle Regionen der Welt. Da kannst Du direkt sehen, auf welchem Weg die Wetterdaten aus Timbuktu nach Köln kommen und umgekehrt.

  1. Und ist es so, dass wenn ich einen Timuktuanischen
    Wetterdienst abfrage, die Daten auch aus Timbuktu
    stammen/erhoben wurden? Oder holt dieser Dienst sich die Daten
    frisch aus dem jeweiligen Ort?

Das GTS ist ein „push system“. D.h. die Datenanbieter (z.B. die einzelnen Wetterstationen) speisen ihre jeweils aktuellen Datensätze aktiv in das System ein (im Gegensatz zu einem „pull system“ in dem die Anbieter ihre Daten jeweils auf Anfrage senden). Das GTS ist so organisiert, dass Daten, die an einem beliebigen Punkt eingespeist werden, in kürzester Zeit automatisch im gesamten GTS zur Verfügung stehen. Eine Station in Timbuktu misst also z.B. vier mal am Tag die Temperatur. Diese Daten schickt sie jeweils nach der Messung z.B. über Telex an den Timbuktuanischen Wetterdienst. Damit sind die Daten im GTS und werden automatisch an alle weltweiten Datenzentren verteilt. Dort werden sie dann von Datennutzern jeweils bei Bedarf abgeholt.

Der Anbieter, der sie Dir zur Verfügung stellt, ist entweder:

  • ein nationaler Wetterdienst, der Zugriff auf das GTS hat,
  • ein privater Anbieter, der die Daten von einem Wetterdienst einkauft und die Kosten über Werbung auf seiner Wetterseite finanziert,
  • ein Anbieter, der einen bilateralen Vertrag mit der Station in Timbuktu hat und selbst organisiert hat, wie er die Daten von dort zu Dir kriegt (in diesem Fall unabhängig vom GTS). Die Wetterdienste einiger Länder stellen Ihre Daten auch kostenlos für alle in das Internet, wo sie dann von deinem Anbieter eingesammelt werden können.

Kurz: Wenn ich in X das Wetter von Y abfrage, welche Quelle
wird benutzt? Und ist dies diesselbe Quelle, wenn ich in Y das
Wetter von X abrufe/erfahren möchte?

Wenn die Daten von einer offiziellen Wetterstation stammen, die eine WMO-Nummer hat und in das GTS einspeist ja. Daneben gibt es noch private Stationen - z.B. Kachelmann betreibt im deutschsprachigen Raum unabhängig vom Deutschen Wetterdienst und der WMO ein Stationsnetzwerk.

Soweit zu den Stationsdaten. Wie gesagt, wenn es um Vorhersagen geht, wird es nochmal komplizierter. Denn dazu muss man ein Wettervorhersagemodell betreiben, was einen wirklich dicken Computer vorraussetzt. Solche Modelle gibt es global und regional. Globale Modelle werden zum Beispiel vom National Center for Numerical Weather Prediction (NCEP) in den USA oder vom European Centre for Medium Range Weather Forecast (ECMWF) in Europa betrieben. Darüberhinaus betreiben die meisten nationalen Wetterdienste besser aufgelöste regionale Modelle, die am Rand der jeweiligen Region von den globalen Modellen angetrieben werden. Die Modelle nutzen das GTS und ziehen sich alle verfügbaren Beobachtungsdaten daraus - also die Daten von Messstationen und von Satelliten. Ein komplizierter, Assimilation genannter Prozess zieht die Modellrechnungen permanent in Richtung der Beobachtungsdaten und sorgt damit dafür, dass das Modell sich möglichst wenig von der Realität entfernt. Da das Modell den globalen Zustand der Atmosphäre nach einem Weilchen Datenassimilation recht gut wiederspiegelt, kennt es nun also näherungsweise auch den Zustand der Atmosphäre an einem Punkt, wo sich keine Messstation befindet. Außerdem rechnet das Modell jeden Tag mehrmals (z.B. vier mal beim ECMWF) auch ein paar Tage in die Zukunft - das ist dann die Wettervorhersage.

Nun gibt es bei der Verfügbarkeit der Modelldaten leider sehr unterschiedliche Philosophien. In Europa herrscht hier die sehr bedauerliche und anachronistische Einstellung, dass der kommerzielle Wert der Wettervorhersagedaten genutzt werden muss, um Einkünfte zu erzielen - ein erstaunliches Vorgehen, wo doch die Wetterdienste und das ECMWF aus Steuergeldern bezahlt werden und die Daten demnach uns, den Steuerzahlern, bereits gehören sollten. Es wird statt dessen aber ein sehr großer Aufwand getrieben, die Daten geheim zu halten, um sie als Wettervorhersage an die Medien verkaufen zu können oder an Anbieter, die Wettervorhersageprodukte daraus machen.

Dagegen hat sich in den USA die Einstellung durchgesetzt, dass die aus Steuergeldern bezahlten Wetterdaten staatlicher Stellen allen gehören und demnach kostenlos im Internet für alle zur Verfügung stehen.

Damit haben wir die skurrile Situation, dass ein großer Teil der für Deutschland angebotenen Wettervorhersagen auf den kostenlosen und frei verfügbaren Daten der globalen US-Modelle beruhen, während die vom ECMWF oder dem deutschen Wetterdienst mit viel Aufwand durchgeführten Vorhersagen erheblich weniger genutzt werden - z.B. nutzt die Wettervorhersage von Kachelmann die US-Daten. Außerdem besteht für Wissenschaftler, die auch die europäischen Daten theoretisch kostenlos nutzen dürfen, ein erheblicher bürokratischer Aufwand, an die Daten zu kommen, sie dann geheim zu halten und vor unberechtigtem Zugriff zu schützen. Alleine deswegen werden die US-Daten auch wissenschaftlich erheblich mehr genutzt, auch von europäischen Wissenschaftlern.

US-Daten: einloggen - runterladen. ECMWF- oder DWD-Daten: Antrag schreiben, viele Monate warten, Sicherheitsaufwand mit elektronischen Keykarten treiben, Daten runterladen, jährliche Berichte schreiben, jährliche Projektverlängerung beantragen.

Wenn Du also im Internet eine Wettervorhersage für eine Stadt in Deutschland abrufst, kannst Du davon ausgehen, dass diese von einem US-Modell berechnet wurde. Die aus deinen Steuergeldern bezahlte Vorhersage des deutschen Wetterdienstes oder des ECMWF verstaubt derweil in einem Archiv.

Beste Grüße,
Markus