Widerruf einer Verkaufszusage

Hallo die Community,

habe folgende Frage, und zwar, ich verkaufe meine Eigentumswohnung. Es hat sich ein Interressent gemeldet, hat den Kaufpreis runtergehandelt (es gab keine weiteren Angebote. Den Verkauf managen Imoobilienmakler) und ich habe sein Angebot letzendlich schriftlich angenommen. Jetzt bin ich irgendwie verunsichert was den Preis angeht und würde von meiner Verkaufszusage (oder Annahme senes Angebots) zurücktreten. Er hat bereits einen Notar beauftragt und dieser hat einen Vertragsentwurf fertiggemacht. Die Frage ist ob ich zurücktreten kann und ob er mich finanziell belangen kann in der Situation. Er ist gewerblicher Käufer.

beides kann man mit JA beantworten. Erstes Ja ist eindeutig und klar, das andere wird man sehen ob und wie der Kaufinteressent mögliche Schadenersatzforderungen geltend machen wird.
Auch er muss wissen,dass der Kaufabschluss rechtlich erst beim Notar stattfindet.

MfG
duck313

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Da es aber auch vorvertragliche Schuldverhältnisse gibt, kann der, wenn er zurecht annehmen konnte, dass der „Deal so fliegt“, Schadenersatz geltend machen - zum Beispiel für Kosten, die der Notar für erste Arbeiten am Vertragsentwurf in Rechnung stellt.

Gruß
C.

Ein Kaufvertrag über ein Grundstück bedarf der notariellen Beurkundung (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB), um die Parteien vor übereilten Entscheidungen zu bewahren und eine der Bedeutung des Grundstückverkaufs angemessene juristische Beratung sicherzustellen. Ein Vertrag über den Verkauf einer Eigentumswohnung ist ein Grundstückskaufvertrag, denn mit dem Eigentum an der Wohnung ist auch ein ideeller Anteil an dem Eigentum des Grundstücks verbunden.

Die nur mündlich oder schriftlich erklärte Vereinbarung ist darum nichtig (§ 125 S. 1 BGB). Sie löst auch keine Pflicht aus, den notariellen Vertrag zu unterzeichnen. In diesem Fall wären die von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB verfolgten Ziele (keine übereilte Entscheidung, angemessene Rechtsberatung) ja nicht zu erreichen. Darum ist ein „Rücktritt“ von dem Geschäft definitiv möglich.

Ein Anspruch auf Schadensersatz ist theoretisch denkbar, aber sehr unwahrscheinlich.

Wie @C_Punkt schon dargelegt hat, gibt es vorvertragliche Schuldverhältnisse (§ 311 Abs. 2 BGB). Ein Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB). Eine Verletzung dieser Pflichten kann Ansprüche auf Schadensersatz begründen (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB). Man spricht hier von einer culpa in contrahendo. Ich erwähne das nur, weil ich gleich ein Urteil zitiere, das diesen Begriff verwendet; die c. i. c. war bei Erlass des Urteils anerkannt, stand aber nicht ausdrücklich im Gesetz (anders als heute, siehe die eben zitierten Vorschriften).

Grundlos von einem Vertrag abzurücken, dessen Abschluss zugesichert wurde, kann zu einer Pflicht führen, der anderen Partei den sogenannten Vertrauensschaden zu ersetzen. Letztere ist dann so zustellen, als hätte sie auf das Zustandekommen des gültigen Vertrages nicht vertraut, in diesem Fall also so, als hätte sie den Notar nicht beauftragt und keine Gebührenpflicht begründet.

Aber:

Bei einem Grundstückskaufvertrag würde das einen indirekten Zwang zum Vertragsabschluss bedeuten. Darum besteht der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens nur in seltenen Ausnahmefällen. Die folgenden Ausführungen habe ich dem Urteil des BGH vom 29.03.1996, Az. V ZR 332/94, entnommen und geringfügig angepasst:

1. Vertragsfreiheit
Im Rahmen der Vertragsfreiheit hat jeder Vertragspartner bis zum Vertragsabschluss das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertragsabschluss Abstand zu nehmen. Aufwand, der in Erwartung des Vertragsabschlusses gemacht wird, erfolgt daher grundsätzlich auf eigene Gefahr.

2. Culpa in contrahendo: Ersatz des Vertrauensschaden
Wenn der Vertragsschluss nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen ist und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrages vor dessen Abschluss gemacht werden, können diese vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen zu erstatten sein, wenn er den Vertragsabschluss später ohne triftigen Grund ablehnt.

3. Ausnahme: Formvorschriften
Eine so begründete Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens bedeutet indessen einen indirekten Zwang zum Vertragsabschluss. Dieser Zwang läuft dem Zweck der Formvorschrift von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB zuwider, nach der wegen der objektiven Eigenart des Vertragsgegenstandes eine Bindung ohne Einhaltung der Form verhindert werden soll. Im Bereich nach 311b Abs. 1 S. 1 BGB zu beurkundender Rechtsgeschäfte löst der Abbruch von Vertragsverhandlungen, deren Erfolg als sicher anzunehmen war, durch einen der Verhandlungspartner daher auch dann keine Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund für den Abbruch fehlt.

4. Gegenausnahme: Treu und Glauben
Die Nichtigkeitsfolge eines Verstoßes gegen die Formvorschrift von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB hat indessen zurückzutreten, wenn sie nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben schlechthin nicht zu vereinbaren ist, etwa weil sie die Existenz des anderen Vertragsteils gefährdet oder ihre Geltendmachung eine besonders schwerwiegende Treupflichtverletzung bedeutet.

Von diesen Grundsätzen ist auch bei der Beantwortung der Frage auszugehen, ob ein Verhandlungspartner bei Abbruch der Verhandlungen unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo verpflichtet ist, Aufwendungen des anderen zu ersetzen. Die Verantwortlichkeit des Verhandlungspartners unterliegt daher keinen Einschränkungen im Hinblick auf die Formbedürftigkeit des abzuschließenden Vertrages, sofern die Berufung auf den Formmangel zurückzuweisen ist. Soweit dies daraus folgt, dass das Verhalten des in Anspruch Genommenen sich als besonders schwerwiegender Treueverstoß darstellt, kommt damit in der Regel nur eine vorsätzliche Treupflichtverletzung als Grundlage eines Schadenersatzanspruchs aus culpa in contrahendo in Betracht, wie sie zum Beispiel im Vorspiegeln tatsächlich nicht vorhandener Abschlussbereitschaft liegt.

Eine vorsätzliche Treupflichtverletzung oder einen anderen Grund für eine Schadensersatzpflicht kann ich hier nicht erkennen.

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Danke für Ihre Antwort!