Widerspruch ärztliche Tauglichkeit zur Forderung des AG am Arbeitplatz

Hallo liebe WWWler,

heute interessiert mich folgender Fall.
Ein behinderter Arbeitnehmer war lange krank und ausgesteuert (nicht gekündigt), möchte  endlich wieder entsprechend seinen Einschränkungen beim alten Arbeitgeber arbeiten.
Die Ärzte sagen grundsätzlich, dass er auf keinen Fall an seinem alten Arbeitplatz wieder zurückkehren sollte, da diese mit seinen Einschränkungen nicht mehr voll auszuführen sind bzw. er nur mangelnde Leistungen zu den ursprünglichen Anforderungen (z.B. Akkordarbeit) erbringen würde.

Arbeitgeber (Unternehmensgröße mehr als 5000 Mitarbeiter auf verschiedene Standorte verteilt) behauptet nun, das kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stünde und man doch jetzt noch einmal eine Arbeitsplatzbegehung am alten Arbeitsplatz (entgegen der ärztlichen Empfehlung) durchführen wolle.
Arbeitgeber interessiert es nicht, das besagter Arbeitnehmer (mit vorhandener Ausbildung) auch im Büro arbeiten könnte, was den körperlichen Einschränkungen des Arbeitnehmers voll entgegen kommen würde. AG meint auch, dass der abgeschlossene Arbeitsvertrag als Arbeitsbiene keine Änderung in einen Gehaltsempfänger zulässt. Man wolle den Wasserkopf abbauen und ihn nicht mit Behinderten zupflastern.
Zudem würden die Abteilungsleiter den Arbeitnehmer ablehnen, weil er ja zuvor schon so lange erkrankt war und die Kosten bei erneuter Krankheit in der Abteilung wieder steigen könnten.

Arbeitnehmer ist unsicher, ob er beim alten Arbeitsplatz tatsächlich wieder anfangen soll, da er jetzt schon weiss, das er viele Arbeiten nicht mehr durchführen kann und das auf jeden Fall zu Lasten der anderen Kollegen geht. Er hat zudem die Befürchtung, dass der Arbeitgeber ihm wegen mangelnder Leistung die Kündigung aussprechen wird. Er denkt auch, wenn er jetzt ablehnt könnte ihm das auch als Verweigerung angelastet werden.

Was meint ihr, wie soll sich der Arbeitnehmer nun verhalten? Und ist es korrekt, dass sich der AG auf die Hinterbeine stellen kann und sich darauf beruft, wie der alter Arbeitsvertrag lautet(?); dass eben nur ein Lohnarbeitsplatz für besagten Arbeitnehmer in Frage kommt, obwohl Arbeitnehmer einen Bürojob gelernt hat und jahrelang in einem anderen Unternehmen darin tätig war und über entsprechende Erfahrung verfügt. Haben Abteilungsleiter tatsächlich so viel Mitspracherecht?

Ich bin gespannt auf Eure Meinungen.
Asmodine

Hallo Asmdine,

bei einem so großen Betrieb kann ich folgendes Vorgehen vorschlagen:

  1. Der Arbeitnehmer sollte sich an den Betriebsrat wenden.
  2. Die Frage klären ob es eine Betriebsvereinbarung für ein B etriebliches E ingliederungs m anagement gibt, ein solches BEM ist laut Sozialgesetzbuch vorgeschrieben (kann man beim Betriebsrat erfragen).
  3. Da es laut Deiner Beschreibung ein „Behinderter“ ist, sollte der oder die Integrationsbeauftrage des Betriebes hinzugezogen werden, ebenso das Integrationsamt.

Fall das nötige Vertrauen besteht könnte auch der Kontakt mit dem Betriebsarzt hilfreich sein.

Liebe Grüße
Sylvia

Hallo,

der AN sollte, wenn nach so langer Krankheit noch derartige Einschränkungen vorliegen, dringend einen Antrag auf Schwerbehinderung und dann ggfs. auf Gleichstellung stellen.
Da diese Anträge einige Zeit in Anspruch nehmen können, hat der Gesetzgeber in § 90 Abs. 2a SGB IXeinen vorläufigen Rechtsschutz vorgesehen, der drei Wochen nach Zugang (nachgewiesen zB durch den Versand Einschreiben/Rückschein) des Antrages beim Versorgungsamt einsetzt.
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9/__90.html
Darüber hinaus sollte der AN oder der BR (den es ja wohl in einem derart großen Unternehmen geben wird) den AG auf seine gesetzlichen Pflichten gem. § 84 Abs. 2 SGB IX hinweisen:
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9/__84.html
In einem derartigen Verfahren muß auch grundsätzlich ein Ersatzarbeitsplatz - ggfs. mit entsprechender Qualifizierungsmaßnahme - geprüft werden und es ist schwer vorstellbar, daß es auf absehbare Zeit in einem derart großen Unternehmen keinen angemessenen Ersatzarbeitsplatz geben soll
Wird eine Schwerbehinderung oder Gleichstellung zuerkannt, gilt für den AG die Pflicht des § 84 Abs. 1 SGB IX
Zu diesen Vorschriften gibt es mittlerweile eine umfangreiche Rechtsprechung und die Arbeitsgerichte finden das überhaupt nicht witzig, wenn ein AG versucht, sich diesen Pflichten zu entziehen.

Begehungen - in der bezahlten Arbeitszeit - kann der AG machen, soviel wie er will.
Was dabei „die Ärzte“ sagen, ist nicht wichtig. Für den AG ein hohes Maß an Verbindlichkeit hätte aber eine Aussage des eigenen betriebsärztlichen Dienstes.

welche Rolle spielt eigentlich der BR und die SBV bisher in diesem Fall ?
Die hätten doch schon längst intervenieren müssen.
Wurden die vom AN überhaupt über seinen Rückkehrwunsch informiert ???

&Tschüß
Wolfgang

Hallo Wolfgang

danke für deine schnelle Antwort.

der AN sollte,…, dringend einen Antrag auf
Schwerbehinderung und dann ggfs. auf Gleichstellung stellen.

Ist bereits 2011 geschehen. AN hat derzeitig GdB 30 mit Gleichstellung. AG, SchwB und BR, IDF wissen Bescheid. AN denkt über einen Verschlechterungsantrag nach, es ist jedoch schwer beweisbar.

In einem derartigen Verfahren muß auch grundsätzlich ein
Ersatzarbeitsplatz - ggfs. mit entsprechender
Qualifizierungsmaßnahme - geprüft werden und es ist schwer
vorstellbar, daß es auf absehbare Zeit in einem derart großen
Unternehmen keinen angemessenen Ersatzarbeitsplatz geben soll

Was/wie lange ist eine absehbare Zeit?
AN hat 2011 bei DRV Antrag auf Qualifizierung gestellt. DRV genehmigt jedoch nur, wenn der Arbeitsplatz nach Quali gesichert ist. Dagegen sträubt sich der AG bzw. AG hat das überhaupt nicht interessiert und negiert jegliche Vorschläge.

AN hat im Zuge dessen selbst den Integrationsfachdienst Ende 2012 eingeschaltet, da AG endlose Ausreden erfand. Siehe: Abteilungsleiter wollen den AN nicht. Es ist nicht vorgesehen ins Gehalt zu wechseln.

Was dabei „die Ärzte“ sagen, ist nicht wichtig. Für den AG ein hohes Maß an :Verbindlichkeit hätte aber eine Aussage des eigenen betriebsärztlichen Dienstes.

Betriebsarzt macht den Spaß der Begehung mit und hat bei der ärztlichen Untersuchung im Vorfeld Einschränkungen bestimmt.

welche Rolle spielt eigentlich der BR und die SBV bisher in
diesem Fall ?
Die hätten doch schon längst intervenieren müssen.
Wurden die vom AN überhaupt über seinen Rückkehrwunsch
informiert ???

Schwimmen mit dem Strom. AN bekommt aus der Ecke keinerlei Unterstützung.

Seit Januar 2013 versuchte sogar der Integrationsfachdienst alle an einen Tisch zu bekommen. Hat allerdings im September 2013 dem AN resigniert den Vorschlag unterbreitet, eine Abfindung vom Unternehmen einzustreichen oder eine vorübergehende Erwerbsminderungsrente zu beantragen, da kein vorwärstkommen zu bemerken ist und AG auf stur stellt. IFD hat sich nach diesem Gespräch zurück gezogen und ist seither für AN ebenso wenig tätig.

Hallo Asmodine,

das ist ziemlich kompliziert. Ich würde zu einem Rechtsanwalt für Arbeitsrecht gehen und mich dort beraten lassen. Hier spielen so viele rechtliche Komponenten eine Rolle, dass hier eine Aussage unseriös wäre.

Geht zu einem Anwalt, der kann euch da weiterhelfen.

Schöne Grüße und viel Erfolg.
Bernd