vor 68 herrschte wengstens noch Ordnung!!!
----offener Brief---- Walle, 16.11.85
Verteiler siehe amende
AN DAS
AMTSGERICHT Bremen
Der Jugendrichter
Gerichtshaus, Eing. Buchtstraße
(ev. noch Zi 47)
wenn noch möglich, Kopie zu Hd Herrn Dr. Landscheit
Betr.: Widerspruch gegen das Urteil vom9.8.68, 104 Ds 46/68 Hw.
Bezug: Ihr Schreiben vom 9.8.68, mein Schreiben in anderer Angelegenheit vom 6.11. d.J., an Staats- und Generalstaatsanwaltschaft
Anlagen: Briefe an GSTA, H. Hannover
Sehr geehrte Damen und Herren!
Erst heute, fast zwanzig Jahre nach der Angelegenheit, die mein weiteres Leben grundlegend geprägt hatte, wird mir die Bedeutung des offensichtlichen Fehlers in der Urteilsausfertigung vom 9.8.68 für die Entwicklung des Widerspruchs in meinem Leben dämmernd deutlich.
Zitat aus dem damaligen Urteil: „Durch Urteil des Jugendgerichts Bremen vom 9.8.68 ist der Angeklagte von der Beschuldigung des Auflaufs und des Widers p r u c h s gegen die Staatsgewalt freigesprochen worden, weil…ein begründeter Verdacht…nicht vorliegt.“ (Unterstreichung von mir, Jj)
Nicht wegen dieses Urteils, sondern v.a. wegen der halbjährigen Wartefolterzeit auf das Schnellgerichtsverfahren´, in der meine damalige totale, blinde Staatstreue traumatisch in die Brüche ging, will ich jetzt Widerspruch gegen dasselbe einlegen, obwohl natürlich die Woche Einspruchsfrist schon etwas überschritten ist. Aber "das Unmögliche ist oft nur, was man nie versucht hat." Eventuell ist ja eine "Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand", eine Neuaufnahme des Verfahrens nötig? Meine Rechnung mit diesem unseren Staat ist jedenfalls noch nicht beglichen, die Staatstat nicht verjährt, obwohl ich mich doch inzwischen wiedergutgemacht fühle. Wie ich das meine, kann ich Ihnen wahrscheinlich nicht verständlich machen, aber Sie können nähere Informationen nötigenfalls einholen bei: BGS Flughafen, Hn Kümmel - Senator Franke, Schulrat Pölsen, Ex-Schulleiter Künning - H. Koschnik und Albert Müller (die mich 1977
rehabilitiert´ hatten).
Ein besonderes Anliegen meinerseits ergibt sich daraus, daß ich telefonisch von einem der drei Polizeibeamten, die mich damals verhaftet hatten auf dem Liebfrauenkirchhof, bestätigt bekam, daß ich ja doch schließlich einsichtig geworden bin (Liebetrau) und informiert wurde, daß der Hauptbulle PW Freund (damals war diese Bezeichnung jedenfalls richtig) inzwischen die Leiter hochgefallen sei. Leiter? (Oder Hauptwacher?, Rüdelsführer?)
Meine eigene Anzeige gegen die drei (dreimal ist wirklich Bremer Recht, dazu siehe die Anlage: Briefe an GStA und StA und H. Hannover u.a. wegen der Einbruchssachen), die bestimmt vor deren eigener Strafanzeige gegen mich bei Ihnen eingegangen ist, hatte ich damals gnädigerweise (ich war immer schon Pädagoge) zurückgezogen nach dem Freispruch `vom Widerspruch gegen die Staatsgewalt´ amende der Verhandlung g e g e n
m i c h, die selbstverständlich zuerst durchgeführt worden ist. Na klar, der Staatsbürokratismus ist überall aufm Vortritt. Überall? „Ich bin der erste Diener meines Staates“ heißt imgrunde dasselbe wie „l´état, c´est moi“, „Der Staat, das bin ich“, und so benehmen sich dann auch noch immer sehr viele Beamte, vor allem diese bestimmte Art von Nutztieren männlichen Geschlechts. Allerdings bin ich manchmal auch gerne Bulle, und das nicht nur liegend freihändig.
Widerspruch gegen den Freispruch vom Widerspruch´, was soll das denn wieder! Das war doch nur ein Tippfehler! Neinwohl! Erstens steht im Briefkopf selbst noch
Widerstand´ (aber vielleicht hatte die Dame zwischendurch gerade…?), zweitens kenne ich Freud sehr gut (Siegmund, nicht PW!) - jeder Lapsus ist eine Freud´sche Fehlleistung (jetzt doch mehr PW, nicht S.)! Allerdings verführt der Freispruch´ doch ein bischen zur travestiven Analogie, zum Hineinspruch in
Widerspruch´, zugegeben, aber aus welcher Denkweise heraus?
Zunächst folgt logisch, daß der Schreiber den Widerspruch gegen die Staatsgewalt´ schon sträflich findet, oder besser, das Sträfliche am Widerstand gegen die Staatsgewalt darin sieht, daß der Widerstand nur ein verstärkt vorgetragener Widerspruch sei. Weiterhin folgt aus dem
Freispruch vom Widerspruch gegen die Staatsgewalt´ (leider gibt es ja formaljuristisch keinen Freispruch zum Widerspruch) für mich, daß ich mich zu diesem verpflichtet fühle, es mir sozusagen mit auf den Weg gegeben wurde´. Dieser Weg, der schließlicch wegen des zeitweise bundesweiten
Berufsverbots´für (oder gegen, oder von oder zu?) mich wieder in Bremen landete, recht flüssig allerdings inzwischen. Er ist aber noch nicht zuende, Für diese Station möchte ich mich aber ganz plötzlich bedanken bei den Herren N. Gansel, Berend Harms (beide Kiel), H. Koschnik und A. Müller, an dieser Stelle. Was wäre wohl aus H. Wedemeyer geworden, wenn er zufällig verhaftet worden wäre?
Mit herzlichen Wünschen, daß Sie geistigen Beistand haben mögen, ziehen Sie sich mal ruhig all diese Dinger rein, die Beilagen, meine ich. Beschlafen soll manchmal auch fruchten, und Erwartung baldiger Respons,
Ihr MJj
Verteiler: H. Koschnik, A. Müller, H. Franke, BGS, N. Gansel, B. Harms, Merve-Verlag, Splettstößer (Psy), H. Künning, Fr. Schweitzer, Ed. Nautilus, Fettnäpfchen, Wolfram (Neurol.), Br. Blatt, H. Brooks, G. Wallraff, RA Monnerjahn, H. Hannover, RA Heppner, RA Mairgünther (Kiel), G. Gerdes, G. Heinsohn, J. Scheer, StA, GStA HB, W. Müller, Chr. Marzahn, W. Körper
Antwort:
AMTSGERICHT BREMEN Bremen, den 27.11.85
Geschäfts-Nr (106) 104 Ds 46/48
Sehr geehrter Herr Jungjohann!
Hiermit bestätige ich Ihnen nach unserem heutigen Telefongespräch nochmals den Eingang Ihres Schreibens vom 16.11.1985 nebst Anlagen an das Jugendgericht. In diesem Schreiben bringen Sie zum Ausdruck, daß Sie gegen das Urteil vom 9.8.1968, in dem Sie freigesprochen wurden, „Widerspruch“ einlegen wollen. Wie ich Ihnen heute bereits telefonisch mitteilte, ist ein solches Rechtsmittel - oder ein anderes Rechtsmittel - gegen das Urteil n i c h t mlöglich, da Sie durch die damalige Entscheidung des Gerichts nicht „beschwert“ sind. Das Gericht kann deshalb heute nichts in dem von Ihnen gewünschten Sinne veranlassen, und ich werde den Vorgang weglegen lassen.
Hochachtungsvoll
gez. Beyerle
Richter am AG
Warum auch an G. Wallraff? Erzählich vielleicht später. Hat aber nicht reagiert, niemand hat sonst noch reagiert!
„Die meisten Leute sind andere Leute! Ihre Gedanken sind die Meinungen anderer, Ihr Leben ist Nachahmung, Ihre Leidenschaften sind ein Zitat.“(Oscar Wilde, derwillde)
Dassis (m)eine Art, lebendige Poesie zu treiben.
Frage: Kömmer hier nen Drawer „Döntjes vonne 68er“ aufmachen,
vielleicht so unter „Geschichte des 20ten Jahrhunderts“ oder so?
Immerhin isses nu über 30 Jahre her, 68, und 68 war 38 30 Jahre her. Und 38 war 18 30 Jahre her!