Hallo Tim,
einiges ist dazu ja schon gepostet. Möge mein dazu gebener „Senf“ zur Klarstellung eines nicht so ganz einfachen Sachverhaltes beitragen. Ich bemühe mich – trotz aller Komplexität – die Sache halbwegs verständlich herüberzubringen.
Zunächst gehen wir zum Reifen und dem Zusammenhang „Seitenkraft S in Abhängigkeit von der Radlast G“ mit dem Parameter Schräglaufwinkel a (Schlagwort: Reifenkennfeld) . Auf dem Prüfstand werden G und a eingestellt, dann S gemessen… Messergebnisse A1 : S steigt über G (für konstantes a) nicht konstant an, sondern leicht degressiv. A2 : S steigt über a (für konstantes G) ebenso wenig konstant an, auch leicht degressiv.
Gehen wir nun zu einem Einspurmodell (z.B. Motorrad) bei stationärer Kreisfahrt und bilden wir die Momentengleichgewichte B : Danach verteilen sich die Seitenführungskräfte vorne/hinten in demselben Verhältnis wie die statischen Radlasten vorne/hinten.
Führen wir nun A1, A2 und B zusammen erkennen wir, dass der größere Schräglaufwinkel a dort erforderlich ist (bzw sich einstellt) wo die statische Radlast am größten ist.
Sprich : Ist hinten mehr Gewicht, ist auch dort das größere a. Das ist als übersteuerndes Verhalten definiert : aVaH bei mehr Gewicht vorne gilt „untersteuernd“.
Bei einem Zweispurmodell (Auto) gilt das in erster Annäherung genauso. Nur kommt hier noch zusätzlich der Effekt aus der Abstützung des Wankmoment des Aufbaus hinzu. Die kurvenäußeren Räder werden belastet, die kurveninneren entsprechend entlastet. Wie unterschiedlich diese Verlagerungen des Wankmomentes an Vorder- und Hinterachse verteilt sind, das hängt von der sogenannten Drehsteifigkeit an der jeweiligen Achse ab.
Ist eine Achse stärker „drehsteif“ als es ihrer statischen Achslast entspricht, dann wird ihr kurvenäußeres Rad überproportional belastet. D.h. dort steigt der Bedarf an a überproportional, wegen A1 und A2. An der anderen Achse sinkt der Bedarf an a.
Sprich : Erhöhe ich die Drehsteifigkeit z.B. an der Hinterachse (zB per Stabilisator), wird die Charakteristik in Richtung „mehr übersteuernd“ verschoben. Damit kann ein vorderachslastiges Fahrzeug (das nach dem Einspurmodell eigentlich übersteuernd ist) in Richtung „weniger übersteuernd“ ausgelegt werden.
Ein weiterer Aspekt in dieser Sache : All diese schönen Auslegungen müssen noch mit den betriebsbedingten Schwankungen der statischen Achslasten zurecht kommen. Mal sitzt nur der Fahrer alleine drin: vorderachslastig. Einmal im Jahr ist das Auto bis unter die Dachkante beladen, der Kofferraum prall voll : hecklastig.
Alles klar ?
Gruß
Karl