Wie berechnet man fraktale Dimensionen?

Hallo ihr großen Mathematiker der Welt. KÖnnt ihr mal einem kleinen interessierten 9-Klässler (einmal durchgeflogen, aber bin jetzt echt gut in der Schule) erklären wie man fraktale Dimensionen berechnet? ICh interessiere mich sehr für die Chaostheorie, wenn es aber in Büchern um die Berechnung von eben diesen Fraktalen geht, kommen immer nur Verweise auf englische (Hallo Wissenschaftler, gibt es da auch ein Deutsches Nuch darüber, wenn nicht schreibt mal eins!) Sachbücher. Also. wie berechnet man sowas???
Bitte um Antwort, Max

Fraktale
Oh weh.
Fraktale erklären, ohne eine große Tafel zu haben, an die man viele Bilder malen kann, das ist eine echte Herausforderung. Aber ich versuchs.

Ich geh mal davon aus, dass Du die Grundrechenarten beherrschst, dazu ein bisschen Potenzrechnung (5^3 = fünf hoch drei = 5*5*5), dass Du die Fläche eines Rechtecks und das Volumen eines Quaders berechnen kannst. Außerdem solltest Du eine ungefähre Vorstellung davon haben, was ein Fraktal ist und ein paar namhafte, wie die Kochsche Kurve und das Sierpinski-Dreieck schon mal gesehen haben.

Zunächst die Konstruktionsanleitung einiger Fraktale, die uns nachher als Beispiel dienen sollen:

Fraktal 1, das Sierpinski-Dreieck
Schritt 1: Zeichne ein gleichseitiges Dreieck
Schritt 2: Teile es in vier gleichgroße gleichseitige Dreiecke auf.
Schritt 3: Entferne das mittlere Dreieck.
Damit hast Du das Ausgangsdreieck durch drei kleinere Dreiecke der halben Kantenlänge ersetzt.
Schritt 4: Teile jedes der verbleibenden Dreiecke in vier gleichgroße gleichseitige Dreiecke und entferne das mittlere.
Wiederhole Schritt 4 beliebig oft, und Du erhältst das berühmte Sierpinski-Dreieck.

Fraktal 2, die Kochsche Kurve:
Schritt 1: Zeichne ein gleichseitiges Dreieck
Schritt 2: Teile jede der drei Seiten in drei gleichgroße Teile
Schritt 3: Entferne jeweils die mittlere Strecke und setze dafür einen Zacken aus zwei Strecken der gleichen Länge auf. Jede der drei Seiten ist damit durch einen Kntenzug, bestehend aus vier Teilstrecken von jeweils 1/3 der ursprünglichen Kantenlänge ersetzt worden.
Wiederhole Schritt 2 und 3 (dritteln, mittleres Stück raus, Zacken drauf) für jede der nun entstandenen Teilstrecken unendlich oft, und Du erhältst die Kochsche Kurve.

An dieser Stelle eine erste naive Dimensionsbetrachtung.
Bei dem Sierpinki-Dreieck sind wir von einem Dreieck ausgegangen, also von etwas Zweidimensionalen. Da wir immer mehr (unendlich oft) davon entfernt haben, wird die Dimension des Resultats vermutlich kleiner als zwei sein.
Wenn wir dagegen eine Kante der Kochschen Kurve nehmen, so sind wir von etwas eindimensionalem ausgegangen und haben in jedem Schritt mehr hinzugefügt, hier wird also die Dimension größer als 1 sein.
Schaumermal.

Dimensionen
So. Fraktale können wir. Nun kommen wir zu Dimensionen.

In der Schule hast Du sicher gelernt, dass ein Punkt, da er keine Ausdehnung hat, nulldimensional ist, eine Strecke hat eine Länge, ist also eindimensional, ein Rechteck hat Länge und Breite, ist also zweidimensional, und ein Quader hat Länge Breite und Höhe, ist also dreidimensional.
Diesen Dimensionsbegriff müssen wir ein bisschen verallgemeinern, damit er einerseits weiterhin für Rechtecke, Quader etc. gilt, andererseits aber auch für Fraktale etwas Sinnvolles liefert.

Dazu schaun wir mal, wass passiert, wenn wir bei Strecke, Rechteck, Quader die Kantenlänge verdoppeln oder verdreifachen.
Dazu führe ich jetzt ein paar Variablen ein: Mit D bezeichne ich die Dimension des Objekts und mit S den Vergrößerungsfaktor.

  1. Strecke (D=1)
    Wenn ich die Länge einer Strecke verdoppele (S=2), dann brauche ich dafür 2 Strecken der ursprünglichen Länge (noch ne Variable: Sei N die Anzahl der Teilobjekte ursprünglicher Länge, also N=2)
    Um die Länge einer Strecke zu verdreifachen(S=3), brauche ich drei Strecken der ursprünglichen Länge, also N=3.

  2. Rechteck (D=2)
    Wenn ich die Kantenlänge eines Rechtecks verdoppele (S=2), brauche ich N=4 Rechtecke der ursprünglichen Kantenlänge, um es auszufüllen. Wenn ich die Kantenlänge verdreifache (S=3), erhalte ich N=9.

  3. Quader (D=3)
    Wenn ich die Kantenlänge eines Quaders verdoppele (S=2), brauche ich N=8 Quader der ursprünglichen Kantenlänge, um ihn auszufüllen, und wenn ich die Kantenlänge verdreifache (S=3), dann sogar N=27.

Daraus kriegen wir folgende Tabelle:
D=1, S=2 ==> N=2 (=2^1)
D=1, S=3 ==> N=3 (=3^1)
D=2, S=2 ==> N=4 (=2^2)
D=2, S=3 ==> N=9 (=3^2)
D=3, S=3 ==> N=27 (=3^3)

Allgemein kriegen wir daraus die Formel:
N = S^D

Wenn Du die Betrachtungen auf dieser Seite verstanden hast, ist das Wesentliche getan, und wir können die Formel auf Fraktale loslassen.
Kurze Verschnaufpause.

Fraktale Dimensionen
So, die harte Vorarbeit ist getan. Kommen wir zum Finale.
Wir haben eine prima Formel N=S^D (lies das ^ bitte als „hoch“), und wir haben ein paar Fraktale, auf die wir sie anwenden können.

Fraktal 1, das Sierpinski-Dreieck:
Das Sierpinski-Dreieck ist dadurch entstanden, dass wir aus einem gleichseitigen Dreieck immer das mittlere Teildreieck entfernt haben.
Schaun wir mal etwas genauer, was bei einem einzelnen Konstruktionsschritt passiert:
Die Kante wird in zwei Teile geteilt (S=2), und es bleiben nach dem Entfernen der Mitte N=3 Teildreiecke übrig.
Gesucht ist also die Zahl D, für die gilt:
3=2^D.
Diese Zahl kriegst Du raus,indem Du mit dem Taschenrechner ein bisschen experimentierst. Probier mal 1.5, berechne 2^1.5, wenn mehr als 3 rauskommt, hast Du zu hoch geschätzt, dann probierst Du es mit 1.4, wenn weniger als 3 rauskommt, hast Du zu niedrig geschätzt, dann versuchs mit 1.6.

Einschub: Wenn Du in der Schule schon Logarithmen hattest und über einen Taschenrechner mit Logarithmustaste verfügst, kannst du die Formel umstellen zu
D = log N / log S

Fraktal 2, die Kochsche Kurve:
Hier wollen wir die Dimension des Randes
(flapsig formuliert: einer Kante) berechnen.
Wir sind von etwas Eindimensionalem ausgegangen (einer Strecke), haben immer das mittlere Drittel entfernt und dafür einen Zacken draufgesetzt. Wir rechnen also damit, dass als Dimension mehr als 1 rauskommt.
Nach einem Iterationsschritt, haben wir etwas erhalten, das so lang ist, wie drei Teilstrecken (S=3), das aber (inklusive dem Zacken) aus N=4 Teilstrecken besteht.
Gesucht wird hier also die Zahl D, für die gilt:
4=3^D.
Frohes Rechnen.
Wenn Du noch Fragen hast, oder weitere Fraktalbeispiele haben möchtest, sag bescheid.

Hallo Barbara,

geniale Arbeit! So wünsche ich die Antworten bei WWW. Leider habe ich die Frage nicht gestellt. Ich beschäftige mich mit einem fraktalem Universum. Email an mich genügt bei Interesse.

André

Die Mutter aller Antworten
Diese gleichzeitig klare, einfache, korrekte und elegante Erklärung müßten wir eigentlich als Vorbild an die „Wand“ heften…

Gratuliere!!

Kubi

thanx
Hallo Kubi, hallo Croton.
Dankeschööööön.
Barbara

Hallo Kubi, hallo Croton.
Dankeschööööön.
Barbara

*rotwerd*
Antwort per email, André

Da wird man ja richtig neugierig…:wink:

Aber sonst: Ehre wem Ehre gebührt, sag’ ich da nur.

Christian

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Merci beaucoup
Erstmal riesiges Dankeschön für die Supererklärung! Die beiden Jungs(?) kann ich vollstens unterstützen. Deine Erklärung hätte wahrscheinlich sogar meine kleine Schwester verstanden. Das ganze ist nicht einmal so kompliziert wie ich es mir vorgestellt habe. Aber noch eine Frage:

Fraktal 1, das Sierpinski-Dreieck:
Das Sierpinski-Dreieck ist dadurch
entstanden, dass wir aus einem
gleichseitigen Dreieck immer das mittlere
Teildreieck entfernt haben.
Schaun wir mal etwas genauer, was bei
einem einzelnen Konstruktionsschritt
passiert:
Die Kante wird in zwei Teile geteilt
(S=2), und es bleiben nach dem Entfernen
der Mitte N=3 Teildreiecke übrig.

Die Kante wird doch geteilt! Müsste S da nicht =-2 sein oder wird dort immer der Betrag genommen?

Gesucht ist also die Zahl D, für die
gilt:
3=2^D.

Für -2^D gilt doch:
Es ist positiv, wenn D gerade
negtiv, wenn D ungerade

Wie sieht das bei positiven rationalen (nicht-natürlichen Zahlen) für D aus?

Diese Zahl kriegst Du raus,indem Du mit
dem Taschenrechner ein bisschen
experimentierst. Probier mal 1.5,
berechne 2^1.5, wenn mehr als 3
rauskommt, hast Du zu hoch geschätzt,
dann probierst Du es mit 1.4, wenn
weniger als 3 rauskommt, hast Du zu
niedrig geschätzt, dann versuchs mit 1.6.

Einschub: Wenn Du in der Schule schon
Logarithmen hattest und über einen
Taschenrechner mit Logarithmustaste
verfügst, kannst du die Formel umstellen
zu
D = log N / log S

ICh hab zwar nen Taaschenrechner mit Logarhytmus (keine Ahnung was das ist!), hab den aber selten im Internetcafe dabei, ich kann mir die Rechnung aber vorstellen. KOmmen da eigentlich immer rationale oder auch mal reele Zahlen als Dimension raus?

Fraktal 2, die Kochsche Kurve:

Frohes Rechnen.
Wenn Du noch Fragen hast, oder weitere
Fraktalbeispiele haben möchtest, sag
bescheid.

Eine Frage hast du ja schon erhalten, jetzt gehts weiter:

Geht das nur bis zu drei Dimensionen oder theorethisch auch weiter?
Die fraktale Dimension ist also immer von einer Ausgagsfigur abhängig? Wenn ich 2 gleiche Fraktale aus verschiedenen Ausgnsfiguren bastele, haben diese unterschiedliche Dimensionen? (hierzu wäre ein Beispiel sehr sinnvoll, wenn du gerade eines da hast.

Am Schluss noch mal Danke und Entschuldigung für meine nervtötende Fragerei!
Max

Die Kante wird doch geteilt! Müsste S da
nicht =-2 sein oder wird dort immer der
Betrag genommen?

Genauer: die Gr"osse der Figur wurde verdoppelt, dadurch sehen wir mehr Details, n"amlich das Loch in der Mitte, welches wir in unsere Fl"achenberechnung einbeziehen.

Was Dir vorschwebt, ist wohl der Faktor 0.5=2^(-1)

Für -2^D gilt doch:

ist also hinf"allig, aber wenn wir dabei sind:

Es ist positiv, wenn D gerade
negtiv, wenn D ungerade

Wie sieht das bei positiven rationalen:frowning:nicht-natürlichen Zahlen) für D aus?

Dann musst Du die dem Nenner entsprechende Wurzel ziehen, bei negativen Zahlen kommst Du sofort in die komplexen Zahlen. Die sind aber f"ur fraktale Dimensionen nicht notwendig.

D = log N / log S

ICh hab zwar nen Taaschenrechner mit:Logarhytmus (keine Ahnung was das ist!),:hab den aber selten im Internetcafe:dabei, ich kann mir die Rechnung aber:vorstellen. KOmmen da eigentlich immer:rationale oder auch mal reele Zahlen als:smiley:imension raus?

Eigentlich fast immer nicht rationale (irrationale) Zahlen, auf jeden Fall f"ur die beiden Beispiele.

Geht das nur bis zu drei Dimensionen oder:theorethisch auch weiter?

Beliebig hoch und beliebig krumm, nennt sich auch allgemein Hausdorff-Dimension.

Die fraktale Dimension ist also immer:von einer Ausgagsfigur abhängig?

Nein, nur von der endg"ultigen Gestalt, aber eine Konstruktionsvorschrift vereinfacht die Rechnung.

Wenn ich:2 gleiche Fraktale aus verschiedenen:Ausgnsfiguren bastele, haben diese:unterschiedliche Dimensionen?

Nein, zumindest wenn die Rechnung stimmt.

Am Schluss noch mal Danke und:Entschuldigung für meine nervtötende:Fragerei!

Ist doch mal was interessantes, zum Anfassen

Lutz