Wie bewegt sich Materie? (ungenau formuliert)

Hallo allerseits,

die Frage wirkt trivial, interessiert mich aber trotzdem.

Nehmen wir einen langen, straff gespannten und möglichst unelastischen Draht. Ich ziehe am einen Ende. Wie lange dauert es, bis sich das andere Ende bewegt? Bisher habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht und hätte mit „sofort“ geantwortet. Um keine physikalischen Grundgesetze zu verletzen müsste sich das andere Ende aber mit minimaler Verzögerung (Lichtgeschwindigkeit?) bewegen. Stimmt das? Und wie genau verläuft eigentlich die Bewegung von fester Materie?

Danke schon mal im Voraus.

Hallo!

Mikroskopisch betrachtet sieht das so aus:

Du bewegst Atom Nr. 1. Dadurch vergrößert sich der Abstand zwischen Atom Nr. 1 und Atom Nr. 2. Da die beiden sich in einem Festkörper befinden, besteht ein gewisser Zusammenhalt zwischen ihnen. Atom Nr. 2 spürt nun also eine Kraft, die ihn in Richtung Nr. 1 zieht. Dadurch wird es beschleunigt, setzt sich langsam in Bewegung, wodurch sich der Abstand zu Nr. 3 vergrößert. Nun erfährt dieses Atom eine Kraft, usw.

Wie Du siehst, wird die Bewegung durch die zwischenatomaren Kräfte übertragen. Es gibt zwei Faktoren, die die Bewegung beeinflussen: Die „Kopplung“ zwischen den Atomen (also auf Deutsch: Wie stark die Atome aneinander gebunden sind) und die „Trägheit“ der einzelnen Atome.

Soviel zum mikroskopischen.

Makroskopisch wird die Kopplung durch den Elastizitätsmodul E ausgedrückt und die Trägheit der Atome durch Dichte ρ eines Festkörpers ausgedrückt. Je größer der E-Modul und je kleiner die Dichte, desto schneller wird die Bewegung übertragen. Wenn man das sauber in Formeln packt, kriegt man folgendes raus:

c = \sqrt{\frac{E}{\rho}}

c ist nun die Geschwindigkeit, mit der sich Störungungen in einem Seil oder in einem Stab längs ausbreiten. Diese Geschwindigkeit heißt auch Schallgeschwindigkeit.

(Deine Vermutung (Lichtgeschwindigkeit) wäre dann richtig, wenn die Atome keine Masse und damit keine Trägheit hätten)

Michael

Ich ziehe am einen Ende. Wie lange dauert
es, bis sich das andere Ende bewegt?

Der Impuls pflanzt sich mit der Schallgeschwindigkeit des Drahtes fort und die kann höchstens so groß sein wie die Vakuumlichtgeschwindigkeit.

Vielen Dank, genau das wollte ich wissen.

Materie quasi leer

Bisher habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht und hätte mit „sofort“ geantwortet.

Das entspringt der Vorstellung, ein Festkörper wäre tatsächlich fest. Sein Zusammenhalt zwischen den Molekülen/Atomen besteht aber u.a. auf Grund elektromagnetischer Wechselwirkung. Und selbst die Atome sind nicht fest, Elektronenhülle und Kern halten auch wegen solcher Wechselwirkungen aneinander, berühren tut sich da fast nie was. Und zwischen Hülle und Kern liegen schiere Weiten an Vakuum. Wenn der Atomkern die Größe eine Erbse hätte, würde die Elektronenhülle in etwa 400 m Entfernung von ihm sein.
Dasss bei so einem Aufbau der Materie ein Stoß von einer Seite des Feststoffs nicht in Echtzeit an die andere weitergereicht werden kann, ist klar.

Gruß
Paul

Hi,

das ist eine bemerkenswert gute Erklärung!
Umfassend, allgemeinverständlich und trotzdem präzis und fundiert.
Wollte ich nur mal schreiben, auch wenn ich inhaltlich nichts beizutragen bzw. hinzuzufügen habe.

Grüße,
Grünblatt

Hallo,

ich kann die Sorte von Fragen eigentlich nicht ausstehen, die sich mir hier selbst, sorry, aufdrängt:

Man kann Einstein nicht austricksen, indem man an einem 300.000 km langen Draht zupft … ?

Nochmal sorry
Roland

Hallo

Daran würde sich nichts änder, es bleibt bei der Schallgeschwindigkeit. Du würdest, wenn du von der Seite den ganzen Draht betrachten könntest, eine „Dehnung“ bemerken. Ähnlich wie diese tollen Gummibälle an denen ein Seil hängt für Kinder - du ziehst an einem Seil, und der Ball fliegt verzögert hinterher. Diese Dehnung entsteht eben dadurch, dass die vorderen Atome bewegt wurden, die hinteren diese Verlagerungswelle jedoch zeitverzögert erleben. Das passiert mit jedem Material, egal wie (unelatisch). Du siehst, Einstein lässt sich leider nicht austricksen :wink: Die Lichtgeschwindigkeit ist die höchstemögliche Geschwidnigkeit, mti der sich eine Ursache im Raum auswirken kann. Das bedeut aber nicht, dass sich der Raum selbe ncith schneller ausdehnen darf, das ist aber ein ganz anderes Thema :wink:

Liebe Grüße und hoffentlich liest du das noch, ist ja schon etwas älter.
hahihu

Genau das war auch der Gedanke, der mich zu dieser Frage geführt hat. Dass es nicht möglich sein wird war mir bewusst, drum wollte ich wissen wie sich ein „gezupfter“ Draht verhält. So dumm kann mein erster Gedanke nicht gewesen sein, sonst wärst du nicht auch darauf gekommen.

Bliebe noch die rein theoretische Frage, wie es sich bei den allerkleinsten Bausteinen der Materie verhält. Sofern die eine Ausdehnung haben müssten sie ebenfalls ellastisch sein, damit das eine Ende sich nicht gleichzeitig mit dem anderen bewegt.

Hi jas!

Bliebe noch die rein theoretische Frage, wie es sich bei den
allerkleinsten Bausteinen der Materie verhält. Sofern die eine
Ausdehnung haben müssten sie ebenfalls ellastisch sein, damit
das eine Ende sich nicht gleichzeitig mit dem anderen bewegt.

Da dringst du in Bereiche vor, mit denen du dich erst mal Monate beschäftigen müsstest, um einigermaßen sinnvolle Fragen zu stellen, Stichwort Quanten.

Für den Physiker ist ein Elektron (soweit bisher bekannt) punktförmig. Für den Chemiker sind einzig die Orbitale interessant, in denen sie sich bewegen. Das Orbital (genauer das Quadrat der Wellenfunktion) gibt nach gängigen Definitionen die Aufenthaltswahrscheilichkeit des Elektrons an. Die gesammte Chemie beruht auf der Kombination und Besetzung dieser Orbitale.

Auch die Nicht-Komprimierbarkeit von Festkörpern beruht letztlich auf diesen Orbitalen. Gemäß der Heisenbergschen Unschärferelation bedeutet eine Verkleinerung der Orbitale eine Erhöhung der (kinetischen) Energie.

In der Folge Erde - Weißer Zwerg - Neutronenstern ist es genau dieses sich gegen Kompression wehren, das den Kollaps verhindert. Und die Tatsache, dass es sich um Fermionen handelt (schau mal danach). Diese können nämlich nicht denselben Platz einnehmen.

Hoffe, das führt nicht zu weit, Zoelomat