Hallo Steffen,
das ist ein schwieriges Thema, vor allem, wenn man es auf alle möglichen Tierarten, vom Regenwurm bis zum Elefanten ausdehnt.
Zoos definieren Artgerechte Haltung im Allgemeinen so, daß ein (Wild-)Tier dann Artgerecht gehalten wird, wenn es sich ohne Zwang in Gefangenschaft fortpflanzt.
Bis vor einiger Zeit waren Elefantengeburten in Zoos so gut wie unbekannt, weil die Gehege einfach zu klein waren, um einen Bullen mit den Kühen zu halten.
Andererseits ist jedoch der Fortpflanzungstrieb bei vielen Tierarten so stark, dass ihm auch unter sehr schlechten Umständen nachgegangen wird.
Bei Papageien wie Buntbarschen ist bekannt, dass sie, aus der Not heraus, oft gleichgeschlechtliche Paare bilden.
Bei Menschen in Gefängnissen ist das ganz ähnlich und dass ein Gefängnis Artgerecht für den Menschen ist, wird wohl niemand glauben.
Die Frage ist, was tut ein Tier in der freien Natur, was muss es tun und was tut es gerne?
Löwen z.B. liegen meistens auf der faulen Haut und jagen nur, wenn sie der Hunger dazu treibt. Somit dürften sie in kleineren Gehegen durchaus Artgerecht zu halten sein. Dennoch versucht man heute, sie mehr in Bewegung zu halten, indem man ihnen allerhand Spielzeug anbietet oder das Futter in Säcken an einer Leine anbindet, so dass sie erst mal danach springen müssen.
Soweit ich gehört habe, sollen dänische Zoos auch keine Schwierigkeit damit haben, mal eine ganze, natürlich tote, Kuh ins Löwengehege zu schmeißen, die Löwen freut´s, in Deutschland sind die Besucher schon entsetzt, wenn sie ein totes Huhn bei irgend einem Raubtier liegen sehen. Etliche Zoos haben daher die Fütterung schon hinter die Kulissen verlegt, weil sie die ganzen Beschwerden satt haben.
Bei Hundeartigen, die, wie jeder Hundehalter weiß, ja laufen möchten, ist die Artgerechte Haltung und Fütterung weit schwieriger.
Im Duisburger Zoo wird den Wildhunden das Futter an einer Zebra-Attrappe angeboten, die an einer Seilbahn durchs Gelände gezogen wird.
Gut für die Tiere, aber viel Aufwand, auch an Fläche, für den Zoo, zumal die Wildhunde in ihrem sehr großen Gehege fast nie zu sehen sind.
Für Vögel muss das Gehege so groß sein, dass sie darin fliegen können und, sehr wichtig (!) auch fliegen müssen.
Größere Papageienarten z.B. fliegen nicht, wenn sie irgendwo auch zu Fuß hingehen können. Von daher kenne ich einige Aras, die überhaupt nicht mehr fliegen können. Ob sie es vermissen? Ich weiß es nicht. Jedenfalls hat uns vor kurzem noch ein junger Ara, der entwischen konnte, gezeigt, wie weit und wie schnell (und wie wunderschön) diese Tiere fliegen können. War reines Glück, dass wir ihn nach drei Tagen in einem benachbarten Zoo abholen konnten.
An die Aufwindsegler, wie Adler oder Geier wage ich in diesem Zusammenhang gar nicht zu denken.
Schwarmfische fühlen sich nur im Schwarm wohl und zehn Fische sind, weiß Gott, kein Schwarm.
Artgerechte Haltung für den altbekannten Zebrabärbling, wäre etwa ein Schwarm von 50 Tieren in einem mindestens (!) 2m langen Aquarium, das einen bepflanzten Sandteil und einen unbepflanzten Kiesteil enthält.
Wer kann oder will sich das leisten?
So werden wir, wenn wir überhaupt Tiere in Gefangenschaft halten wollen, (was ich grundsätzlich beführworte), immer einen Kompromiss zwischen Artgerechter Haltung und Tierquälerei finden müssen.
Gruß, Nemo.