Hallo Andreas,
als Schwester einer Gehörlosen zunächst einmal die Anmerkung, dass Gehörlose den Ausdruck „Taubstumm“ überhaupt nicht gerne „hören“ und als Beleidigung auffassen. Sie sind ja nur taub, und „Taubstumm“ hat für sie den Nebenklang „Blöd“. Das kann man als Hörender vielleicht nicht so nachvollziehen, vielleicht gilt es auch nicht allgemein, aber bei meiner Schwester und in ihrem gehörlosen Bekanntenkreis ist es jedenfalls so.
Gehörlose verständigen sich mit der Gebärdensprache und denken folglich auch in dieser. Diese Sprache hat sich selbständig entwickelt und existiert in verschiedenen Dialekten. Gehörlose aus verschiedenen Ländern können sich problemlos verständigen, auch wenn es da kleine Unterschiede gibt.
Als meine Schwester ein Kind war (so in den 60er, 70er Jahren), war man von Pädagogenseite her bemüht, den gehörlosen Kindern die Gebärdensprache abzugewöhnen bzw. zu verbieten. Sie sollten die Lautsprache, die sie ja in der Schule mühsam lernten, aktiv anwenden und üben, um darin versierter zu werden.
(Davon ist man heute - zum Glück, wie ich finde - abgekommen, und ermutigt sogar die Eltern, Gebärdensprache zu lernen, um mit dem Kind kommunizieren zu können.)
Trotz dieses Verbots lernten alle die Gebärdensprache, was doch zeigt, welche Eigendynamik in dieser Sprache steckt.
Aber auch bevor meine Schwester in der Schule war und überhaupt die Gebärdensprache gelernt hat, gab es schon eine Art Sprache zwischen ihr und mir. Ich kann mich nur dunkel erinnern (bin jünger als sie), aber ich weiß, dass wir uns irgendwie verständigen konnten. Fazit also, es gab immer eine Form von Sprache, und in dieser denken sie natürlich auch.
Gruß,
Klio