Wie geht Förderunterricht?

Liebe Experten!

Ich bin Berufsschullehrerin in RLP und habe diesen Sommer die Schule gewechselt. Die letzten 26 Jahre hatte ich nur Auszubildende unterrichtet, jetzt habe ich ausschließlich BVJ-Schüler.

Was hier auch neu für mich ist, ist Förderunterricht in Deutsch. Ich hab zwar Fakultas, aber hab noch nie Förderunterricht gemacht. Und ich merke, dass mich das überfordert:
Eigentlich hab ich überhaupt keine Ahnung, wie man das angeht; in den Klassen habe ich Schüler/innen, die von der Förderschule kommen, welche die durchschnittliches BVJ-Niveau sind und welche, die wirklich schlau und letztlich unterfordert sind.

Meine Frage wäre, welche Tipps ihr mir geben könnt, wie ich da am besten herangehe.
Eine Fortbildung ist zur Zeit nicht möglich; abgesehen davon bin ich momentan ohnehin sehr an meiner Leistungsgrenze (ich hab GdB50 aufgrund einer chronischen Fatigue, für mich sind alle Fächer und die Klientel neu, d.h. ich kann auf keine Unterrichtsmaterialien zurückgreifen und muss jede Stunde quasi neu vorbereiten, Hinzukommt eine enorme Belastung durch Klassenleitung, was auch sehr aufwändig ist).

Irgendwie suche ich nach ein paar kurzen, knackigen Tipps, die mir helfen, einen anständigen Förderunterricht zu machen, ohne dass ich in eine Fortbildung gehe.

Klingt wie „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“, ich weiß, aber meine Kraftreserven sind am Limit und ich möchte trotzdem guten Unterricht machen.

Danke im Voraus!

Gruß, Diva

Hi,

ich habe (leider oder Gott sei Dank) keine Ahnung vom Förderunterricht, aber wegen der Materialien kannst du z. B. mal hier schauen:
https://www.deutschunddeutlich.de/

Oder hier aus Bayern:
https://www.berufsvorbereitung.bayern.de/lerneinheiten-und-materialien/berufsvorbereitung-bvj/

Oder hier:

Hier: https://berufsbildendeschule.bildung-rp.de/fileadmin/user_upload/bbs/berufsbildendeschule.bildung-rp.de/Lehrplaene/Dokumente/Lehrplan_2022/2022-08-09_LP_BVJ.pdf

steht u. a.: Der Förderunterricht Deutsch orientiert sich am individuellen Förderbedarf und nicht vorrangig am Ziel der Berufsreife.

Also solltest du versuchen, rauszukriegen, wo die größten Defizite sind, und dann passend dazu Arbeitsmaterialien suchen, um die Defizite zu verringern.

Gruß
Christa

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Hi Christa!

Das sind auf den ersten Blick ziemlich gute Links, vielen Dank!

Bislang hab ich noch keine Sachen zur Diagnostik gefunden. Und ich hab momentan einfach keine Kraft, um das selbst zu entwickeln. Am liebsten hätte ich ein Arbeitsheft, wo sowas alles drin ist.

Aber egal, das ist ja schonmal was, was du mir da verlinkt hast. Vielen Dank!

Gruß, Diva

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Hallo nochmal,

vielleicht nicht richtig gesucht? :wink:
https://bildung.rlp.de/unterricht/diagnose-lernstandserhebung/paedagogische-diagnose
https://bildung.rlp.de/kompetenzfeststellung/2p-potenzial-perspektive/2p-daz

https://infoportal.schulcampus-rlp.de/lehrende/curriculum/ilea-plus/ ist an sich bis Klasse 6, aber da du den Stand nicht kennst, kannst du schon mal damit anfangen.

Gruß
Christa

Damit ich mir deine Situation besser vorstellen kann:

  1. Wie viele Schüler sind in den Lerngruppen?
  2. Was ist das Ziel? (Verbesserung der schriftsprachlichen Kenntnisse, ganz bestimmtr Niveaustufen?)
  3. Wie viele Stunden pro Woche hast du eine Lerngruppe? Gibt es Hausaufgaben?
  4. Was genau ist dein Problem? Die Disziplin. Motivation, Differenzierung zwischen besseren und schkechteren Schülern, oder schlicht: Was und wie die schwachen Schüler lernen sollen?
  5. Was genau „kannst“ du, „normalen“ Deutschunterricht mit Berufsschüleen?

Hi Karl!

16 Schüler/innen, meist fehlen so 5-8 davon

Die Schüler zu fördern? Im Deutschunterricht unterstützen bei dem, was sie nicht so gut können, vermute ich.

Ich habe in 4 BVJ-Klassen pro Woche 2 h Deutsch-Förderunterricht, Hausaufgaben geb ich nicht, werden eh nicht gemacht.

Mein Problem ist, dass ich keine Ahnung habe, wie man einen vernünftigen Förderunterricht macht.
Diagnose wäre sinnvoll gewesen am Anfang, hab ich nicht gemacht.
Ich mache halt Rechtschreibübungen aus einem Arbeitsheft, dass ich mal gekauft hatte. Aber wie genau macht man das mit der Binnendifferenzierung bei drei so unterschiedlichen Niveaus in einer Klasse?

Ich hab 22 Jahre lang Friseurklassen unterricht, dann in Deutsch auch Maurer, Kfz-Mechaniker, Tischler, etc. Die sind älter, haben alle einen Laptop, können einen Arbeitsauftrag selbstständig bearbeiten. Und sind meist volljährig.

Mein größtes Problem ist, dass ich keine Zeit habe, mich mit Förderunterricht mal intensiv auseinanderzusetzen. Für mich ist grad alles neu - Schulform, Klientel, Fächer - ich habe kaum Unterlagen, die schon vorbereitet sind, sondern muss alles neu vorbereiten; die Organisationsabläufe sind auch alle neu für mich; es ist durch die Klassenleitung unheimlich viel Arbeit neben dem Unterricht; und ich hab nicht soviel Energie wie die jungen Kolleginnen, weil ich eine chronische Erkrankung und einen GdB50 habe.
Deshalb suche ich nicht Erklärungen, wie man grundsätzlich einen sehr guten Förderunterricht erarbeitet, sondern eher Abkürzungen, die mir helfen, mit wenig Arbeit was Vernünftiges anbieten zu können.

Vielen Dank!

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Ich kann dich gut verstehen, ich kenne auch ähnliche Situationen!

Die Bedingungen - für die du überhaupt nichts kannst - sind ungünstig und erschweren den Erfolg sehr:

  • 1x die Woche ist viel zu wenig, damit schwache Schüler etwas lernen, dazu kommen manche ja offenbar noch seltener

  • Eine Schule sollte ein Förderkonzept haben mit vorhandenen Materialien und gemeinsamer Absprache und Unterstützung - das ist leider meist ja nicht so, sondern wir Lehrer sind aufgefordert, jeder für uns ein eigenes Konzept aus dem Boden zu stampfen

Wie könnte man auf die Schnelle das beste aus der ungünstigen Situation machen?
Konkrete Materialtipps kann ich dir leider nicht geben, weil ich aus der Grundschule bin.

Gedankensplitter:

  • Arbeit mit Karteien: Entweder du kaufst so Karteien, oder du kopierst aus drei sehr unterschiedlich schweren Heften 10 - 20 Arbeitsblätter, nummerierst die durch, die Schüler haben ein Ankreuzbogen und arbeiten die Zettel ab, wen für jemanden eine Kartei zu leicht oder zu schwer ist, besprichst du mit ihnen, dann eben „Nimm mal lieber erstmal die blaue Kartei“

  • Partnerarbeit Diktat: Du hast Diktattexte sehr unterschiedlicher Art: Zwei Schüler arbeiten zusammen, der eine diktiert, der andere schreibt auf. Danach wir gemeinsam korrigiert. Dann wird gewechselt.
    Die Schüler sind aufgefordert, sich schlauer Weise für einen Text zu entscheiden, der zu ihren Fähigkeiten passt.

  • Spiele am Anfang oder am Ende das Spiel „Ping - pong - setzen“ (ist eigentlich ein Grundschulspiel, aber vielleicht finden die das zur Auflockerung auch ganz nett, oder ist es ihnen peinlich?):
    Ein Satz oder Wort wird buchstabiert, z. B. „der schwarz-weiße Rucksack“: Im Kreis sagt jeder einen Buchstaben. Wer sich irrt, setzt sich hin. Ist der Satz fertig, sagt ein Schüler „ping“, der nächste „pong“, der dritte muss sich hinsetzen. Wer nach einigen Runden übrig bleibt, hat gewonnen!

  • Belohnungssysteme? Wer das und das in der Stunde schafft, darf die letzten 15 min mit seinem Handy daddeln oder so?

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Die Frage ist schon etwas älter, aber vielleicht ist die Antwort auch für andere hilfreich, zumal jetzt gerade in vielen Bundesländer Schujahresbeginn.
Ich habe viele Jahre auch Förderunterricht gegeben, schwerpunktmäßig Deutsch, Rechnen und Arbeitslehre.
Es gibt sehr viel gutes Material auf den Servern einiger Kultusministerien, aber auch von Verlagen, z.B. Verlag an der Ruhr oder Auer Verlag. Wenn du googelst „Lehrbücher BVJ“ findest du weiteres. Außerden Deutsch als Fremd-/Zweitsprache für Jugendliche.
Die Klassen sollten nicht mehr als 12 Schüler haben. Evtl. braucht man eine Assistenz (Erzieherin oder Sozialarbeiterin) , Die vor allem mit für Ruhe sorgt.
Fortbildung bringt wenig. Aber ein Fachbuch „Einführung in dei SOnderpädagogik“ kann auch hilfreich sein.
Klassenregeln (zusammen mit der Klasse und der zuständigen Sozialarbeiterin) erarbeiten, auf einem Plakat festhalten und die Lernenden bei Bedarf daran erinnern.
BVJ- Schüler haben oft mehr oder weniger schwierige Handicaps, weswegen sie im normalen Arbeits- und Schulleben oft nicht gut zurechtkommen. Eine meiner Schülerinnen hat mich mal gefragt: „Lieben Sie uns eigentlich?“ Das hat mich sehr bewegt und auch mein Verhalten als Lehrperson geändert.
Jedem, der eine solche Aufgabe übernimmt, braucht Gelassenheit, Etwas Kraft und viel Fingerspitzengefühl, was geht und was nicht.

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Hallo Maria!

Danke, dass du nach der langen Zeit meiner Fragestellung noch deine Erfahrungen beisteuerst.

Jetzt ist mein erstes Jahr als BVJ-Lehrerin vorüber und ich ergänze mal, wie ich mich durchgeschlagen habe.

Der Auer-Verlag hat mich oft gerettet, der hat wirklich sehr gute Arbeitshefte!

Ich habe übrigens auch ChatGPT mit eingebunden: Ich habe es aufgefordert mir eine Geschichte zu schreiben, in der alle meine Schüler als Figur vorkommen und die sich eignet, verschiedene Rechtschreibungsanforderungen zu überprüfen, bspw. Groß- und Kleinschreibung, s-Laute, Dehnungslaute, etc.

Die haben vielleicht geguckt, als ich das Diktat vorgelesen habe! Hohe Akzeptanz!!
Aus den Korrekturen habe ich abgeleitet, welche Dinge noch schwierig sind und habe mir die entsprechenden Übungen aus den Auerheften gezogen.

BVJ-Klassen haben die Grenze bei 16, was auch schon eine Erleichterung ist.

In Klassen mit i-Schülern haben wir immer einen Sozialpädagogen dabei. Manche sind sehr (pro-)aktiv und es hilft ungemein.

Das ist bei uns Standard, aber es läuft immer so ab:
Anfangs sprechen sich alle Schüler für Regeln aus, insbesondere wenn es darum geht, dass man ihnen Respekt entgegenbringen soll.
Diese Regeln werden bis Weihnachten alle gebrochen!
Dann braucht es viele Gespräche unter 4 Augen, um ihr Verhalten (v.a. im Konfliktfall) positiv beeinflussen zu können.

Ja, und wir versuchen alle im Blick zu behalten. Meine Erfahrung aber: Am Ende des Tages (hier: Schuljahres) soll jeder normal funktionieren (gilt auch für mich als schwerbehinderte Lehrerin).

Meine Haltung als Lehrerin gegenüber Schüler/-innen hat sich in den letzten Jahren ohnehin geändert (v.a. durch die Facebook-Gruppe „Bedürfnisorientiert aufwachsen“ und durch meine Ausbildung bei der Telefonseelsorge). Seitdem habe ich nie wieder den Impuls gehabt, Schüler unter Druck zu setzen, sondern spreche mit ihnen oft unter 4 Augen vor der Tür, wertschätzend!! Fast ein Zaubermittel.

Jedenfalls habe ich festgestellt, dass ich für viele Schüler oft der einzige Erwachsene bin, der ihnen wirklich zuhört. Ich werte keinen Schüler ab, niemals!! DAS scheint mir wesentlich zu sein.

Meine erste BVJ-Klasse jedenfalls hatte nicht nur ein tolles Verhältnis zu mir, sondern sie sind untereinander fast alle Freunde geworden.

Ja, und Respekt und Verständnis für das, was die Schüler in ihrem Leben beschäftigt.

Ich danke dir für deinen Beitrag!

Liebe Grüße
Diva

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