Anbei einiges zum Fragerecht des Arbeitgebers. Danach braucht die Frage nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden, wenn die Schwerbehinderung die auszuführende Arbeit nicht behindert.:
Frage nach der Schwerbehinderung beim Einstellungsgespräch zulässig?
von: RAin Christiane Ordemann, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Ass. Eike Brodt, Mag.Iur., Bremen 09.01.2012
Die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung eines Bewerbers wurde in der ständigen Rechtsprechung des BAG bislang als zulässig angesehen.
Nach Erlass der Richtlinie 2000/78/EG, die die Diskriminierung eines Arbeitnehmers wegen einer Behinderung untersagt und der daraufhin erfolgten Einführung des § 81 Abs.2 SGB IX, wird dieses Fragerecht des Arbeitgebers überwiegend abgelehnt (Zur Problematik des Fragerechts vgl. u.a. BAG, EzA, § 123, 41; bejahend Schaub, NZA 2003, S.299 (301); ablehnend Messingschlager, NZA 2003, S.301ff.; Joussen, NJW 2003, 2857ff.; differenzierend dagegen Brors, Der Betrieb 2003, S.1734).
Relevant ist dies bei wahrheitswidriger Verneinung. Folgt man der bisherigen Rechtsprechung, ist dem Arbeitgeber grundsätzlich die Anfechtung des Arbeitsvertrages möglich.
Ausgangssituation
Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer zur wahrheitsgemäßen Beantwortung von Fragen verpflichtet, für die ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis besteht. Insoweit darf der Arbeitgeber den Bewerber grundsätzlich nach solchen Behinderungen fragen, die die konkret auszuübende Tätigkeit beeinträchtigen. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft eines Bewerbers.
Das BAG begründete ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers vor allem mit der rechtlichen und wirtschaftlichen Tragweite und den betrieblichen Auswirkungen, die durch die Beschäftigung Schwerbehinderter für den Arbeitgeber entstehen (Anpassung des Arbeitsplatzes, Kündigungsfristen, Urlaub, etc.).
Auf den ersten Blick vergleichbar erscheint die Frage nach der Schwangerschaft einer Bewerberin. Hier hat das BAG in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH entschieden, dass diese Frage unzulässig sei. Es bestehe kein berechtigtes Interesse, da die Schwangerschaft nur vorübergehende finanzielle Belastungen für den Arbeitgeber bringe und in § 611a BGB ein ausdrückliches Benachteiligungsverbot normiert sei.
Neue Rechtslage
Durch die Einführung des § 81 Abs.2 SGB IX in ausdrücklicher Anlehnung an § 611a BGB hat der Gesetzgeber ein Benachteiligungsverbot auch für Schwerbehinderte normiert. Damit ist ein wichtiges Argument des BAG für die Zulässigkeit der Frage nach der Schwerbehinderung weggefallen.
Unzulässige Frage nach Schwerbehinderung - LAG Frankfurt vom 24.03.2010 - Az. 6/7 Sa 1373/09
14. Dezember 2010
Wird ein Arbeitnehmer bei der Einstellung in einem vom Arbeitgeber routinemäßig vorgelegten Personalfragebogen danach gefragt, ob er anerkannter Schwerbehinderter oder Gleichgestellter ist, kann er die Frage ohne für ihn nachteilige Folgen mit “nein” beantworten, auch wenn bei ihm tatsächlich eine Schwerbehinderung besteht.
Die tätigkeitsneutrale Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung oder Gleichstellung ist unzulässig. Sie stellt eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung schwerbehinderter Menschen dar. Zulässig sind danach nur konkrete Fragen nach gesundheitlichen Einschränkungen, die der Ausübung der konkreten Tätigkeit entgegenstehen.
Hat der eingestellte Arbeitnehmer die unzulässige Frage nach einer Schwerbehinderteneigenschaft wahrheitswidrig verneint, kann der Arbeitgeber weder das Arbeitsverhältnis anfechten noch steht ihm deshalb ein Kündigungsrecht zu.
Urteil des LAG Frankfurt vom 24.03.2010
Aktenzeichen: 6/7 Sa 1373/09
jurisPR-ArbR 42/2010, Anm. 1
- Fragerecht des Arbeitgebers
Bezüglich des Fragerechts des Arbeitgebers in dem Vorstellungsgespräch nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung des Bewerbers besteht folgende Rechtslage.
a) Gemäß der Regelung in § 81 Abs. 2 SGB IX dürfen schwerbehinderte Bewerber nicht benachteiligt werden. Vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift urteilte die höchstrichterliche Rechtsprechung, dass dem Arbeitgeber ein entsprechendes Fragerecht zusteht (BAG 18.10.2000 - 2 AZR 380/99).Seit dem Inkrafttreten der Vorschrift ist die Frage umstritten, das BAG hat diese Frage noch nicht beantwortet. Es wird aber von der Unzulässigkeit der Frage ausgegangen.
b) In der Entscheidung BAG 07.07.2011 - 2 AZR 396/10 kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag anfechten, wenn der Bewerber auf die Frage nach einer Schwerbehinderung unwahr antwortet und die Täuschung für die Einstellung ursächlich war.Auch in dieser Entscheidung wurde die Frage der generellen Zulässigkeit der Frage offen gelassen.
c) Zukünftig wird die Unzulässigkeit der Frage ausdrücklich in dem neuen § 32 Abs. 3 BDSG n.F. geregelt sein. Das Frageverbot erstreckt sich auf Fragen nach einer Schwerbehinderung und einer Gleichstellung. Ein Zeitpunkt für das Inkrafttreten der neuen Vorschrift steht noch nicht fest.
Das BAG hat die Frage nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX als zulässig erachtet. Begründet wird die Entscheidung damit dass dem Arbeitgeber ein rechtstreues Verhalten ermöglicht werden soll, etwa im Zusammenhang mit seinen Pflichten zur behinderungsgerechten Beschäftigung (BAG 16.02.2012 - 6 AZR 553/10).
Der Arbeitnehmer muss dabei jedoch nur dann wahrheitsgemäß antworten, wenn er sich auf den Schwerbehindertenschutz berufen will.
- Offenbarungspflicht des schwerbehinderten Bewerbers
Ein schwerbehinderter oder gleichgestellter Bewerber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, im Vorstellungsgespräch die Schwerbehinderung / Gleichstellung ungefragt zu offenbaren. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn er die Tätigkeit nicht oder nur mit Einschränkungen ausüben kann.
Juraforum.de 11/2012