Ich muss ja nen Viortrag halten, aber ich habe überhaupt nicht verstanden wie Gretchen in Form eines Engels am Ende von Faust 2 Faust retten konnte, also wie die Rettung ablief weiß ich ja, aber was hat alles mit Gretchen zu tun ???
MFG
Emily
Ich muss ja nen Viortrag halten, aber ich habe überhaupt nicht verstanden wie Gretchen in Form eines Engels am Ende von Faust 2 Faust retten konnte, also wie die Rettung ablief weiß ich ja, aber was hat alles mit Gretchen zu tun ???
MFG
Emily
Gretchen und die Erlösung des Faust
Hi Emily,
Ich muss ja nen Viortrag halten,
Interessant. Und wie lautet das Thema?
ich habe überhaupt nicht verstanden wie Gretchen
in Form eines Engels am Ende von Faust 2 Faust retten konnte
Gretchen tritt doch gar nicht in Form eines Engels auf!? Sie ist im Gegenteil eine aus dem „Chor der Büßrerinnen“. Und es ist keineswegs Gretchen, die ihn rettet bzw. erlöst!
Aber sie ist wesentlich beteiligt - sogar beautragt - zu dem letzten Schritt des Erlösungsgeschehens Beitrag zu leisten. Und das kommt so (sorry, daß es etwas lang ist, aber sonst wird der Zusammenhang nicht klar. Ich setze auch voraus, daß du einen Text mit Zeilennummerierung hast):
Nach Fausts Tod [11586]
rangelt man ja in der Szene „Grablegung“ um seine Seele. Und zwar einerseits Mephisto mit seinen schnuckeligen Helfern und andererseits die „Himmlischen Heerscharen“ bzw. der „Chor der Engel“. Die einen cool
Folget, Gesandte,
Himmelsverwandte,
Gemächlichen Flugs [11676]
die anderen zappelig
Satane stehen auf den Köpfen,
Die Plumpen schlagen Rad auf Rad,
und stürzen ärschlings in die Hölle . [11736]
Genau genommen streiten oder kämpfen die Engel auch gar nicht. Vielmehr kommentieren und interpretieren sie das Geschehen - genau so,
wie es der „Chor“ in der klassisch-griechischen Tragödie tut:
Zuerst das Fegefeuer:
Wendet zu Klarheit
Euch, liebende Flammen [11801]
und dann nehmen sie Fausts Seele einfach mit
nach Vers 11824: Sie erheben sich, Faustens Unsterbliches entführend
und Mephisto guckt in die Röhre
Mir ist ein großer Schatz entwendet:
Die hohe Seele, die sich mir verpfändet,
Die Haben sie mir pfiffig weggepascht . [11829]
Aber: An diesem Geschehen ist Gretchen nicht beteiligt! Sie ist nicht der Grund, weshalb er gerettet (= erlöst) wird!
Sie tritt aber in der nachfolgenden, Szene „Bergschluchten“ auf.
Hier kommen zunächst einige mystische Gestalten: drei „Patres“, Einsiedler, die allerlei alt- und neutestamentliche Implikationen repräsentieren: Ecstaticus, Seraphicus, Profundus, und der Chor der Knaben (die „Mitternachtsgeborenen“).
Alle reden kommentierend von dem, was da geschieht, während die Engel die Seele in immer „Höhere Sphären“ begleiten:
Nach Vers 11933: Engel schwebend in der höheren Atmospähre, Faustens Unsterbliches tragend
Und diese Engel sagen die Rettungsworte bzw. den Grund für die Rettung:
Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen. [11936]
Und genau das ist ja das Hauptthema des ganzen Faustdramas, wie es bereits im „Prolog im Himmel“ (Faust I) dargestellt war …
Aber es kommt unmittelbar noch etwas Wesentliches hinzu, was das ganze hier folgende mystische Geschehen unterstreicht und einleitet:
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben teilgenommen,
Begegnet ihm die selige Schar,
Mit herzlichem Willkommen. [11938]
Das ist natürlich mit Seitenblick auf eines der christlichen Grundthemen zu verstehen: Erlösung nicht nur als Verdienst, sondern (auch) als Gnade.
Und diese Gnade kommt bei Goethe nicht aus dem Christusgeschehen, sondern aus der Liebe selbst, die bei ihm durch das liebende (und göttlich überhöhte) „Weib“ präsent ist.
Das ist das Stichwort, mit dem der „Doctor Marianus“ auftritt, hinter dem sich ein legendärer Kirchenlehrer verbirgt, der sich durch eine besonders inbrünstige _Marien_verehrung auszeichnete (daher der Name).
Höchste Herrscherin der Welt!
…
Billige, was des Mannes Brust
Ernst und zart beweget
Und mit heiliger Liebeslust
Dir entgegenträget. [11996]
Siehe auch 12193: Göttin, bleibe gnädig!
Denn es ist bei Goethe die Frau, das Weibliche überhaupt, das am Erlösungsgeschehen mitwirkt. Es ist hier präsentiert durch die „Himmelkönigin“ Maria, die unmittelbar auch erscheint („Mater Gloriosa“) und gleich einen einzigen entscheidenden Satz sagen wird.
Daher sind jetzt nur noch Frauen in besonderen Rollen am Geschehen beteiligt: Der „Chor der Büßerinnen“, darunter drei Spezielle:
Magna Peccatrix, die Sünderin aus dem Lukas-Evangelium,
Mulier Samaritana aus dem Johannes-Evangelium, und
Maria Ägyptiaca, eine (legendäre) Heilige, die 40 Jahre in der Wüste ihr vorheriges („sündiges“) Leben büßte.
Alle drei in Fürbitte an diese Göttin für … nein, nicht für Faust, sondern für Gretchen!
Die du großen Sünderinnen
deine Näher nicht verweigerst
…
Gönn auch dieser guten Seele,
die nur einmal sich vergessen,
die nicht ahnte, daß sie fehle,
Dein Verzeihen angemessen! [12061]
Hier geht es also um die Erlösung Gretchens, nicht um die von Faust!
Ja, und nun tritt tatsächlich auch Gretchen als eine dieser Büßerinnen (= Una Poenitentium) auf. Leicht erkennbar, auch wenn Goethe nicht später „sonst Gretchen genannt“ hinzugefügt hätte:
Neige, neige,
du Ohnegleiche,
Du Strahlenreiche,
Dein Antlitz gnädig meinem Glück! [[12069]
Daß es Gretchen ist, ist ja aus der Analogie zu ihrem Gebet in Faust I nicht zu übersehen:
_Ach neige,
Du Schmerzensreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Not! [3587]
Sie wird also Erfüllung ihrer früheren verlorenen Liebe finden:
Der früh Geliebte,
Nicht mehr Getrübte,
Er kommt zurück.
Aber - sie hat noch eine Aufgabe zu erfüllen: Ihren Beitrag zum „Aufstieg“ der Seele des Faust.
Vergönne mir, ihn zu belehren,
Noch blendet ihn der neue Tag. [12092]
Also: Die Liebe ist die letzte, eigentliche Lehrerin, die das Erlösungsgeschehen zur Vollendung bringt.
Und Maria, die Mater Gloriosa, gibt ihr OK dazu:
Komm! Hebe dich zu höheren Sphären!
Wenn er dich ahnet, folgt er nach. [12094]
Wichtig ist hier: Er folgt nach, also aus eigenem (An-)Triebe, nicht so,daß Gretchen ihn ziehenmüßte.
In dem letzten Vers des Dramas [12110] ist das nocheinmal auf den Punkt gebracht:
Das Ewig-Weibliche
zieht uns hinan.
In einem früheren Artikel findest du etwas zur Interpretation dieser Schlußverse des „Chorus Mysticus“:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Gruß und viel Erfolg bei deinem Vortrag
Metapher_