… Fisch ist alle?
Wenn z.B. im Restaurant etwas nicht mehr vorrätig ist;
ist es dann aus oder ist es alle?
Servus,
beides ist umgangssprachlich. Im Norden ist er alle, im Süden ist er aus.
PW: Ein „feiner“ Gast in der Wirtschaft vor seiner Forelle: „Ach Herr Ober, bringe Se mir doch bitte noch e Viertele Gündelbacher, der Fisch will schwimmen!“
Das gefällt einem zwei Tische weiter, der grad eine Portion Ochsenbrust verspeist, und er ruft: „Wirtschaft! No a Halbe, dr Ochs will saufa!“
In diesem Sinne
Dä Blumepeder
Hallo!
beides ist umgangssprachlich. Im Norden ist er alle, im Süden
ist er aus.
Von der Uni Augsburg gibt es dazu sogar ein Projekt, den Atlas der Alltagssprache. Das Ergebnis für diesen Fall sieht so aus: http://www.philhist.uni-augsburg.de/lehrstuehle/germ…
Wer dabei selbst mitmachen möchte, derzeit ist gerade die achte Runde im Laufen. Man braucht sich nur etwas Zeit nehmen und das Online-Formular ausfüllen.
mfg
christoph
Servus Christoph,
schönen Dank für diese Fundgrube. Ich stöbere mit größtem Vergnügen darin, finde vieles Interessante und auch Überraschende, und stoße mit ein wenig Eitelkeit auf Hinweise zu dem Phänomen, das ich (an der Sprachgrenze Schwäbisch - Alemannisch aufgewachsen) schon länger mutmaße: Dass besonders im württembergischen Raum das Alemannische (bzw. dessen Spuren in der Alltagssprache) innerhalb der letzten siebzig Jahre, seit detaillierte Dialektkarten erstellt worden sind, deutlich nach Süden zurückgewichen ist.
Schöne Grüße
Dä Blumepeder
… Dass besonders
im württembergischen Raum das Alemannische (bzw. dessen Spuren
in der Alltagssprache) innerhalb der letzten siebzig Jahre,
seit detaillierte Dialektkarten erstellt worden sind, deutlich
nach Süden zurückgewichen ist.
Hallo,
sowas kann auch wirtschaftliche/infrastrukturelle Gründe haben. Z.B. haben sich nach dem Bau der B27 neu südlich von Stuttgart die Alteinwohner von vielen Gemeinden bis an die Schwäbische Alb heran darüber beschwert, dass die meisten Grundstücke von gutsituierten Daimler-Beschäftigten aufgekauft würden, weil die mit der neuen Strasse viel schneller an ihrem neuen Häusle waren (Inzwischen stehen sie regelmässig im Stau). Mit der Strasse, die es vorher nicht gab, hat sich also der industrielle Grossraum Stuttgart schlagartig einige zig km nach Süden ausgedehnt, zumindest was die Bewohner angeht.
Bin aber auch kein Profi-Volkskundler.
Gruss Reinhard
Hi,
„Sprachgrenze Schwäbisch-Alemannisch“: Ich dachte immer Schwäbisch ist auch alemannisch?
r
Schwäbisch vs. Alemannisch
Servus,
die Grenze läuft ein bissel uneinheitlich verzwatzelt ungefähr entlang des 48. Breitengrades: Südlich davon kann ein alter Bauer ohne viel Mühe das Nibelungenlied vom Blatt lesen - er spricht Mittelhochdeutsch (bzw. hat das vor ungefähr fünfzig Jahren noch gethan - die Grenze wandert nach Süden, dem See zu: Es wird nicht lang mehr gehen, dass die Wirtschaftsflüchtlinge aus Tettnang ihre Asylgeber aus St. Gallen nicht mehr verstehen).
Wichtiges Erkennungszeichen ist, dass das Alemannische die letzte Lautverschiebung nicht mitgemacht hat.
Einige Kennungen für die Sprachgrenze sind
nicht: ned - it (ziemlich weit nördlich verschoben)
Haus: Haus - Hûs
gewesen: gwea - gsei (übergangsform) - gsî
Leute: Leit - Lît
jemand: ebber - numma
so/anders: sô/anderscht - dîserweag/derweag
vorwärts/rückwärts: firsche/hendersche - fîrse/henderse
Eine der schönsten Wendungen aus dem Seealemannischen, die ich als eigentlich schwäbischer Muttersprachler von dort mitgenommen habe, ist die gar hübsche Frage: Gäge weam hot etz dia ghîrat? (= Gegen wen hat jetzt diese geheiratet?)
Und ein wirksames Antidot gegen Nationalismen jeder Art gibts auch bloß im Alemannischen: „Huamat“ ist schlicht und einfach und höchst konkret der Bauernhof, von dem eine Ehefrau stammt.
In diesem Sinne
Dä Blumepeder
Schwäbische Migration
Servus,
das ist zwischen Ulm und Friedrichshafen wohl insgesamt eher nicht gegeben, aber an einzelnen Orten schon: Im ganzen 19. Jahrhundert war das neuwürttembergische Oberland zwar viel langsamer in der Industrialisierung, aber u.a. wegen des Anerbenrechtes durchaus wohlhabend, so dass es für eine flächendeckende Migration keinen Anlass gab.
In Biberach, wo ich die Oberschule besucht habe, gab es allerdings ein ganzes Viertel, in dem kein Wort Schwäbisch gesprochen wurde - dort wohnten die Spezialisten von Karl Thomae, die von Göttinger über Wismarer Platt bis Kölsch alle möglichen Fremdsprachen sprachen, und deren Kinder auch den lokalen Dialekt maximal verstanden, aber nicht sprachen. Aber von einer irgendwie prägenden Migration kann man da nicht sprechen. Eine südwärts gewandte Wanderung von Laupheimern und Biberachern Richtung Ravensburg - Lindau hätte auch kein deutliches Motiv.
Es gibt eine Ausnahme: Das ist das Häfler Alemannisch aus Friedrichshafen, das als Retortenstadt von 1811 von Beamten aus dem Altwürttembergischen schwäbisch und als Standort des Zeppelinwerkes, der Zahnradfabrik und des Maybachschen Motorenwerkes sächsisch und ripuarisch beeinflusst ist. Hier ist tatsächlich - wie in allen Industriestädten - ein Mischdialekt entstanden, da passt das genau, was Du berichtest.
Gleich in der Nachbarschaft gibts einen politischen Dialekt: Die weiland freie Reichsstadt Lindau, in ihrem Ursprung tief alemannisch verwurzelt, hat seit sie von Napoleons Gnaden bayrisch wurde, auch einen Dialekt entwickelt, der von den wittelsbachischen Leihbeamten und Zöllnern beeinflußt ist.
In Ravensburg kann man einen Dialekt hören, der viel stärker schwäbische Merkmale trägt als der aus dem Umland. Dort, in der Heimat des Handelshauses Humpis, mag die notgedrungen größere Weltoffenheit einer Freien Reichsstadt eine Rolle spielen: Wenn man hauptsächlich mit Geschäftspartnern zu tun hat, die Italienisch oder Dialekte aus der fränkisch/schwäbischen Familie sprechen, mag man sich eher am Schwäbischen orientieren, weil man ohne Verständigung halt keine Geschäfte machen kann.
Moral: Trauet nicht dem König Chlodwig/
Trauet nicht dem Gott der Franken!
Schöne Grüße
Dä Blumepeder