Hallo,
das geniale an der Politik des Octavianus war, dass er (nach Actium) seine Macht (anders als Cäsar, dem dies zum Verhängnis wurde) innerhalb der verfassungsrechtlichen Normen ausübte - also zumindest nominell gemäß des mos maiorum. Der Machterhalt wurde gewährleistet durch eine schlichte Konzentration und Akkumulation der vorher fragmentierten Staatsgewalt, jedoch unter Beachtung der traditionellen Form. Selbst der Titel des Princeps war ja keine Neuerung; der princeps senatus ein alteingeführter Ehrentitel, den beispielsweise auch Cicero geführt hatte.
Die Machtpolitik des Octavianus / Augustus ruhte auf zwei Stützen. Zunächst wäre da natürlich das prokonsularische imperium zu nennen, das ihm uneingeschränkte Amtsgewalt außerhalb Roms gab und das zeitlich durch die rogatio (Verlängerung) problemlos ausgedehnt werden konnte. Das war völlig im Rahmen der klassischen republikanischen Verfassung. Eine rogatio war jedoch für das eigentliche imperium, also das konsularische oder praetorische, völlig ausgeschlossen, ebenso eine wiederholte Bekleidung des Amtes ohne Unterbrechung (also eine jährliche Wiederwahl).
Cäsar hatte versucht, dieses Problem nach dem Vorbild Sullas durch das Instrument der dictatur zu lösen - ein Institut, das schon zu Sullas Zeiten nur noch ein fast vergessenes Relikt und überdies auf ein halbes Jahr befristet war. Die rogatio dieses Amtes dehnte die Verfassung schon extrem aus, die Ernennung eines dictator perpetuus jedoch war eindeutiger und nicht wegzudiskutierender Verfassungsbruch - und letzter Anlass für das Attentat auf Cäsar.
Octavianus hatte daraus die Lehre gezogen, sich in den verfassungsrechtlichen Grenzen zu bewegen und nutzte innerhalb des pomeriums (der Stadtgrenze Roms, in der das prokonsularische imperium nicht galt) die tribunicia potestas, also die Befugnisse des Volkstribuns. Insbesondre gab ihm diese Amtsgewalt u.a. praktisch uneingeschränkte legislative Möglichkeiten (ius cum plebe agendi) sowie eher formale Befugnise - z.B. das Recht, den Senat einzuberufen. Schon Cäsar hatte die tribunicia potestas genutzt - allerdings weitestgehend auf die sacrosanctitas (Unverletzlichkeit) beschränkt (was seine Beseitigung freilich nicht verhinderte). Ungewöhnlich und eine Neuerung war hier lediglich die Trennung vom Amt und Amtsgewalt - das Amt selbst stand ja weder Cäsar noch Octavianus als Patriziern offen.
Für die Ausübung des ius cum plebe agendi war natürlich, wie schon der Name sagt, ein ausreichender Rückhalt in der Volksversammlung - und damit bei der plebs - Bedingung. Von der grundsätzlicheren Frage der Legitimation seiner Herrschaft einmal ganz abgesehen. Der populus stellte ein notwendiges Gegengewicht zum senatus dar, auf das sich Octavianus ggf. stützen konnte - und umgekehrt.
Freundliche Grüße,
Ralf