Hallo zusammen!
Schon länger beschäftigt mich das Thema: Wie sinnvoll/hilfreich ist es wirklich, verwaiste Widltierjunge aufzuziehen und wieder auszuwildern. Dabei meine ich erst mal nicht die Auswirkung, auf das spezielle Individuum was gepflegt und gepäppelt wurde… dass es für dieses bei artgerechter durchführung sinnvoll ist, ist klar. Ich meine eher die weitreichenderen Folgen.
Ein paar meiner Gedankenansätze um die Frage zu verdeutlichen:
Jedes Jahr werden etliche Igel eingesammelt und überwintert. Manche „zu recht“ (ist natürlich diskussionswürdig, ob man Natur nicht einfach Natur sein lassen sollte), viele auch einfach völlig übereilt. Gehen wir mal von diesen aus, die „zu recht“ eingesammelt werden, weil sie einfach viel zu spät auf die Welt kamen und bei Wintereinbruch einfach noch nicht genug Speck auf den Rippen haben, um über die kalten Monate zu kommen. Es gibt nun die Vermutung, dass eben diese Tiere, bei Fortpflanzungsfähigkeit tendenziell auch zu spät dran sind, und deren Junge wieder ein „Fall für den Menschen“ sind. In der Wildtierstation, in der ich eine Zeit lang gearbeitet habe, meinte der Chef, dass seinem empfinden nach immer mehr „Spätzünder“ abgegeben werden. Solche Gefühlssachen sind natürlich immer fraglich („Früher war alles besser“) zum einen, zum anderen kann es auch einfach mit einer veränderten Wahrnehmung der Finder zusammen hängen oder damit, dass es insgesamt mehr Igel und damit auch insgesamt mehr Pflegefälle gibt usw (hier sind wirklich nur die berechtigten Überwinterer gezählt… in der Station wird sehr genau geprüft, wer vor dem Winter wieder raus kann, bzw gar nicht erst angenommen und zurück geschickt wird). Oder es handelt sich einfach um statistische Schwankungen die übertrieben wahrgenommen werden (zB hatten wir 2006 knapp 80 junge Eichhörnchen, im darauf folgenden Jahr waren es nicht mal ein Dutzend… das hatte in dem Fall kaum was mit einer tatsächlichen Populationsschwankung zu tun, sondern war wohl viel mehr Zufall). Solche kritischen Überlegungen dazu sind mir bewusst und will ich natürlich nicht außer Acht lassen. Aber ist es möglich, dass die doch recht zahlreich am Sterben gehinderten (um es mal krass zu formulieren) Igel theoretisch auch die Igelpopulation (zumindest regional) „verweichlichen“ könnte, weil damit Igel fortpflanzungstechnisch zum Zuge kommen, die sonst keine Chance gehabt hätten?
Andere Überlegung: Alljährlich machen Vogeljunge einen riesigen Anteil der in der Station aufgezogenen Jungtiere aus. Nach wie vor beschäftigt mich da die Frage, ob es diese Tiere je zu einer erfolgreichen Brut bringen werden. Man nimmt/nahm doch lange an, dass Singvogelarten ihren Balzgesang von den Elterntieren vermittelt bekommen. Ist das überhaupt realistisch? (schließlich Balzen die Vogelmännchen nicht mehr in der Regel, wenn die Brut schon da ist). Vielleicht nur für einen Teil der Arten? Kann sonst die Fehlprägung auch eine Rolle spielen, dass sie quasi normalerweise im Nest erlernen, was sie optisch anziehend finden, nämlich dass, was das Futter bringt?
Ein anderes Thema dahingehend ist das Zugverhalten. Das ist sicherlich auch von Art zu Art verschieden… es Gibt ja Vögel, die in Gruppen ziehen und welche, die sich allein auf den Weg machen (und das wohl dann irgendwie im Blut haben müssen?). Ziehen Jungvögel mit ihren ELtern oder bzw finden zumindest den ersten Gruppenanschluss über ihre Eltern? Oder ist es wahrscheinlich, dass eine in Gefangenschaft gezogene Graugans sich nach der Auswilderung einer Gruppe anschließen wird?
Meine Überlegungen beziehen sich hierbei nicht auf die private Tieraufzucht (die meist doch zu hätschelig und oft mit Einzeltieren erfolgt, was ich nicht für besonders sinnvoll erachte in der Regel) sondern auf möglichst fachkundlichen Aufzuchten (mehrere Tiere einer Art zusammen, minimaler Menschkontakt, Gewöhnung an möglichst natürliches Futter bzw anregen des Jagdtriebes vor dem Auswildern, idealerweise sogar die sanfte Auswilderung, bei der das Tier aus einem natürlich gestaltetem Gehege heraus die Gefangenschaft selbstständig verlässt usw).
Wie sehen diese Gedanken bei anderen Säugern aus? Ich denke die Igelproblematik kommt zB bei Feldhasen oder Eichhörnchen nicht so zum tragen, da hier die Jungtiere meiner Erfahrung nach tatsächlich oft menschverschuldet in Bedrängnis geraten? Die eventuellen Problematiken der Jungvögel würde ich da auch nicht so akut sehen…
Gibt es irgendwelche Studien, die sich speziell mit diesem Thema befassen? Ich stelle es mir ja sehr schwierig vor, da aussagekräftige Studien durchzuführen. Unsere Vögel wurden zwar zum Beispiel alle beringt, aber es gehört doch eine große Menge Glück dazu, die Tiere vielleicht in ihren Überwinterungsgebieten zufällig wieder in dei Hände zu bekommen, geschweige denn da eine aussagekräftige Anzahl zusammen zu bekommen. Vielleicht würde was über Besenderung funktionieren…aber wer subventioniert sowas schon?
Wie könnte man an die Überprüfung der Sinnhaftigkeit sonst heran gehen? (Ich denke wohl, dass ein Kontakt mit Helgoland und eben über die Ringnummerkontakte der einzige sinnvolle Ansatz ist für den Anfang, oder?)
Lieben Gruß
Aj