Hallo Wolfgang,
ich habe zu den Glückspilzen gehört.
Nachdem ich um 08.00 Uhr das Flugzeug nach Stuttgart genommen hatte, war der erste Eindruck: Frust, da Regen in Stuttgart.
Naja, fahr mal zum Hauptbahnhof, vielleicht ergibt sich ja was. Wie sieht´s denn wohl in Karlsruhe oder Saarbrücken aus (die Wettervorhersage war ja vor allem für letzteres günstig)?
Mist, die Zeit reicht nicht für eine Fahrt nach Saarbrücken (es war bereits 10h15m). Naja, in Stuttgart bleibt´s wohl bescheiden, also löse ich mal ´nen Fahrschein auf blauen Dunst nach Karlruhe (geplante Abfahrt: 11.00 Uhr, tatsächlich: 11h20m).
Beim Warten auf dem Bahnsteig höre ich ein Gespräch von ähnlich Gesinnten mit: in Karlruhe schien gegen 09.00 Uhr die Sonne.
HOFFNUNG!
Auf der Fahrt ist immer wieder die Sonne zu sehen (schon leicht „angeknabbert“), größere Wolkenlücken wechseln mit Schauern.
Hoffen und Bangen.
Ankunft Karlsruhe Hbf um 12h10m. Bewölkt, aber viele Lücken und Teile des Himmels blau.
Und so blieb es. Ab und zu eine Wolke, aber teilweise dienten diese als „natürliche Brille“, nur selten war die Sicht auf die Sonne komplett dicht.
Dutzende Leute auf dem Bahnhof, alle blicken mit ihren Brillen nach oben.
Etwa 6 Minuten vor Totalität (T -6) wird es das erste Mal spürbar dunkler. Ein leiser Wind kommt auf, flaut ab und wieder auf.
Die Sonne steuert auf eine größere Wolkenlücke zu, ist aber trotzdem durch ein Schleierwölkchen gut zu sehen.
T -4: am Bahnhof gehen die Lichter an, Proteste der Anwesenden, man läßt sich aber nicht weiter stören. Die Sonne sieht aus wie ein Bumerang.
T -90sec: wieder ein Dunkelheitsschub. Blick nach Westen: noch nichts zu sehen.
Kurzt darauf: die schwarze Wand nähert sich von Westen, ein Dunkelheitsschub folgt dem anderen; ein mulmiges Gefühl, gespenstisch. Der Osthorizont ist hell, die schwarze Wand im Westen wächst, es kommt mir vor, als wird es in Schüben dunkler.
T -0: Plötzlich ist die Sonne weg, Ah´s und Oh´s ringsum, Jubel bricht aus.
Die ersten Sekunden: Faszination. Dann Feldstecher hoch, die Korona sieht aus wie auf den Bildern; die Sonne hat es nicht ganz bis zur großen Wolkenlücke geschafft, aber nur ein ganz zarter Wolkenhauch ist vor der schwarzen Sonne und stört kaum.
Fotoapparat hoch, auf Gutdünken ein paar mal abgedrückt.
Die Zeit steht still, der Mund steht offen.
Ob sie jemals wieder kommt.
Kurzer Blick nach Westen: es wird heller, die schwarze Wand ist jetzt im Osten.
Dann wieder Blick zur schwarzen Sonne.
Plötzlich: der Diamantring. Pfiffe, Jubel, Freude. Der Mund bleibt offen, ein wunderbarer Anblick, wenn auch nur für Sekunden. Foto klickt. Feldtecher hoch, aber die Sonne wird schon zu hell.
Man hat das Gefühl, als ob es sehr viel schneller hell wird als wieder dunkel.
Ein tolles Erlebnis, jetzt beim Schreiben bekomme ich noch Gänse-, Enten- und sonstige Geflügelhäute.
12h50m: Anruf nach Hause, Kurzbericht.
13h10m: es gießt wie aus Eimern und hört bis zum 4. Kontakt nicht mehr auf.
17.00 Uhr: geplanter Rückflug von Stuttgart nach Berlin; wegen Überfüllung des Luftraums über Frankfurt wegen starken SoFi-Rückflugverkehrs startet die Maschine erst kurz vor 18.00 Uhr.
Landung in Berlin um 19.00 Uhr.
20.00 Uhr: Generalprobe an der Neuköllner Oper, ich baue nur Mist, weil ich mit den Gedanken noch in Karlsruhe bin. Egal, das war es wert.
Während der Finsternis habe ich auf Audioband meine Eindrücke geschildert, beim Abhören erlebe ich das Ganze noch mal wie in Wirklichkeit, auch die Ergriffenheit der Fernsehreporter beim betrachten der Videoaufzeichnungen kann ich voll nachvollziehen.
UNVERGESSLICH!!
Wenn´s geht bin ich bei den nächsten Finsternissen auch dabei, und ich empfehle es jedem, der es irgend wie ermöglichen kann.
PHANTASTISCH!!
Viele Grüße an alle, gerade an die, die nur Wolken sahen (die Grüße sind ohne Häme!!), ich hoffe, daß auch die Regenopfer einen Teil meiner Erlebnisse nachvollziehen können, denn den plötzlichen Dunkelheitsabfall wird sicher niemand so schnell vergessen.
Euer
Klausi aus Berlin