Wie wird mein Hund abrufbar?

Hallo!

Alsooo, meine Lilly, 6 Monate junger kleinbleibender Mischling, lebt seit einem monat bei mir und meinem Freund. Dies war auch keine „Hau-Ruck-Aktion“, sondern ein von langer Hand geplantes Vorhaben, deshalb hab ich auch schon viel gelesen im Vorraus und mich glaub ich gut informiert…

Unter anderem hab ich halt gelesen, dass man sich interssant machen muss beim Gassi gehen, spielen, Leckerlis, ne Fährte legen, mal so tun, als hätte man am Wegesrand richtig viel zu tun (Blumen pflücken o.ä. :wink: )… ich nehm auch mal eines ihrer Lieblingsspielzeuge mit…
Alles in allem dachte ich eigentlich, dass ich das ganz gut mache und in den ersten Wochen hat das auch gut geklappt, d.h. sie hat sich nie weit entfernt, so dass kein Problem entstehen konnt.

Aber mittlerweile ist sie sich um einiges sicherer geworden, geht überall schnüffeln und ich kann mich auf den Kopf stellen, nen Affentanz veranstalten, wild mit ihrem „Seppl“ spielen… aber Madame interessiert es gar nicht! Nur kurz spielt sie zB mit, dann lässt sie ihren „Seppl“ links liegen und geht weiter… Also ich versuch echt mit allen Mitteln ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, aber sie kommt nur zu 40% zu mir wenn ich sie rufe, sobald etwas interessanter ist, scheinen sich ihre Ohren automatisch zu schließen…

Ich hab auch eine Schleppleine, die ich häufig benutze seit sie einmal auf dem Rückweg alleine (!) nach hause gelaufen ist, obwohl ich sie mit allen Mitteln gelockt habe und schlussendlich in die andere Richtig gegangen bin, da hat sie nocheinmal kurz geguckt und ist nach hause gelaufen, wie gesagt: Trotz dass ich in die andere Richtig „abgehauen“ bin.

Also an der Schleppleine klappt es eigentlich ganz gut, aber wenn die ab ist und Lilly etwas weiter entfernt ist und da ist irgendwas interessant, kann ich’s vergessen. Allerdings kommt sie hinterher, wenn ich weitergehe, das geht schon, aber sie muss ja auch kommen wenn ich sie rufe, auch wenns nicht notwendig ist, damit es klappt, falls es mal notwendig ist!

Mann, Mann, Mann… das nervt!
Freu mich über eure Hilfe!

LG Jazzy

Hallo,

…meine Lilly, 6 Monate junger kleinbleibender Mischling,

Was ist denn drin in dem Mischling und woher kommt er? Kleine Hunde haben häufig starke Terrier- und damit Jagdhundanteile. Importierten Hunden oder Hunden aus Bauernhofaufzuchten u.ä. fehlt oft die positive Prägung auf den Menschen. Beides erschwert den Gehorsam sehr.

Unter anderem hab ich halt gelesen, dass man sich interssant machen muss beim Gassi gehen

Jo. Dieses Denken hält sich auch in der Hundeliteratur ziemlich hartnäckig. Im Prinzip lernt der Hund aber nur eins dabei: Der Mensch sorgt dafür, dass er den Kontakt zum Hund nicht verliert.

Was er nicht lernt ist, dass er von sich aus darauf zu achten hat, dass der Mensch ihm nicht abhanden kommt. Das lässt sich - vor allem bei Hunden mit echter Jagdpassion - nur im Welpenalter (vor der 12. Lebenswoche) gut erreichen. Später hilft da leider meist nur noch Management über die Schleppleine, das bei nicht passionierten Jägern durchaus erfolgreich sein kann.

und in den ersten Wochen hat das auch gut geklappt, d.h. sie hat sich nie weit entfernt, so dass kein Problem entstehen konnt.

Das hat wenig mit deinen Aktionen zu tun. Bis etwa zum Ende des vierten Monats ist bei Welpen der Nachlauftrieb noch aktiv, der dafür sorgt, dass sie von sich aus bemüht sind, den Anschluss zum Rudel nicht zu verlieren. Du hast ihr - in bester Absicht - in dieser Zeit ausgiebig beigebracht, dass sie sich keinerlei Sorgen machen braucht, weil du schon darauf achtest, dass sie dich nicht aus den Augen verliert.

Dementsprechend verhält sie sich jetzt. Du gibst ständig Signale, indem du sie bespaßt oder rufst - und wenn sie nichts Besseres zu tun hat, folgt sie diesen auch. Das wird sich mit zunehmendem Alter ausweiten, da sie immer selbstständiger wird. Der Jagdtrieb entwickelt sich etwa ab dem 8. Monat zunehmend. Wenn sie diesbezüglich disponiert ist, wird sie dann vermutlich richtig verschwinden.

Also ich versuch echt mit allen Mittel ihre Aufmerksamkeit zu erlangen,

Genau das ist das Problem: Du erklärst dich zum untergeordneten Rudelmitglied, das sich tapfer bemüht, den Kontakt zum Chef - nämlich ihr, nicht zu verlieren. Und sie entscheidet, ob sie dazu Lust hat oder nicht.

Eine Chance hast du in meinen Augen nur über den dauerhaften Einsatz der Schleppleine. Dauerhaft heißt, dass die Leine in den nächsten 3-4 Monaten IMMER dran ist. Der Hund darf keine Gelegenheit mehr haben, deinen Ruf nicht zu befolgen.

Heißt: In Zukunft rufst du einmal, und wenn Madame nicht zügig kommt, holst du sie an der Leine ein. Wenn sie bei dir angekommen ist, wird sie gelobt (auch wenn sie sich gewehrt hatte) als wäre sie ganz freiwillig gekommen. Das Lob ist kurz und freundlich, kein großes Getue. Leckerchen darf sein.

Ansonsten nimmst du keinen Kontakt zu deinem Hund auf. Rufen heißt immer: Sofort herkommen, nicht nur gucken.

Du kannst und sollst zwischendurch ruhig mit deinem Hund spielen, aber: Du setzt das Spiel nicht mehr als Aufmerksamkeitsgeheische ein, sondern als gezielte Aktion, die von dir gestartet und beendet wird. Während du mit ihr spielst, hat sie dir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen, tut sie das nicht, hilfst du mit der Schleppleine kurz nach. In jedem Fall sorgst du dafür, dass sie dir noch einmal ihre ganze Aufmerksamkeit schenkt, dann belohnst du sie und beendest das Spiel. Entlasse sie niemals aus einem Spiel, wenn sie signalisiert, dass sie keine Lust mehr hat und sich abwendet oder nicht reagiert. Hole dir unbedingt nochmal die Aufmerksamkeit zu dir, bevor DU das Spiel abbrichst.

Tipp: Mach’ immer nur kurze Spielsequenzen, so dass der Hund voller Begeisterung dabei ist. Die Konzentrationsphasen für nicht intrinsisch motivierte Handlungen sind bei einem 6 Monate alten Hund noch nicht sehr lang. 3-5 Minuten reichen pro Einheit. Auf einem einstündigen Spaziergang kann es davon 3-4 Einheiten geben. Wähle Spiele, die den Hund bei dir halten bzw. auf dich konzentrieren, nicht solche, die ihn von dir wegschicken (Bällchen werfen).

Entscheidend ist: Der Hund darf in den nächsten Monaten keine Gelegenheit kriegen, deinem Ruf nicht sofort zu folgen. Wenn das passiert, kannst du mit dem ganzen Training von vorne anfangen.

Schöne Grüße,
Jule

Hi Jule!

Vielen Dank für deine hilfreichen Hinweise! Weißt du, man hört von zehn schlauen leuten 13 noch schlauere Tipps und jeder hat die bessere Methode als der andere… ist alles sehr verwirrend.
Aber was du schreibst klingt sehr plausibel… ich muss halt der Rudelführer werden mit all den anderen Sachen die dazu gehören, wie zB vor ihr zu (fr)essen…

Das mit der Schleppleine werde ich auf jeden Fall machen! Aber was mache ich, wenn wir Gassi-kumpel (nur Hunde und Halter, die wir schon kennen) treffen und sie mit denen spielen will? soll sie doch ruhig, oder? Die verstehen sich und es klappt gut. Aber danach dann sehr wahrscheinlich wieder an die Leine und weiter des Weges… Oder soll ich sie da auch nicht abmachen? Da ist sie mir auch noch nicht abgedriftet (weil wahrscheinlich der andere Hund interessant ist, da braucht man ja nicht abhauen…)

LG

Hallo Jazzy,

mit all den anderen Sachen die dazu gehören, wie zB vor ihr zu (fr)essen…

Das z.B. macht überhaupt keinen Sinn. Es ist ein (ebenfalls hartnäckiges) Relikt aus der Zeit, wo man „Alpha“ noch als den allmächtigen, permanent Unterwerfung einfordernden Über(wolf)hund betrachtet hat, der nichts anderes im Sinn hat, als ständig seine Macht zu beweisen.

Fakt ist: Die Reihenfolge des Fressens hängt in erster Linie vom Nahrungsangebot und den sonstigen Ressourcen ab. Ist genügend Futter da, fressen alle gleichzeitig - und rangeln auch gleichermaßen um die besten Brocken. Herrscht Futternot, kann es sein, dass das ranghöchste Tier zuerst frisst - genauso ist es aber möglich, dass Welpen und Jungtiere zuerst ans Futter gelassen werden.

Heißt: Es ist völlig wurscht, ob du vor, nach oder gleichzeitig mit deinem Hund isst.

Aber was mache ich, wenn wir Gassi-kumpel treffen und sie mit denen spielen will?

Dann lass sie. Aber entweder lässt du die Schleppleine dran (normalerweise stört die nicht, wenn sie einfach hinterhergeschleift wird), so dass du vor dem Herrufen das Ende in die Hand nehmen und das Komm-Kommando durchsetzen kannst. Oder du rufst sie nicht, sondern wartest, bis sie von selbst kommt, lobst sie dann und leinst sie wieder an.

Nur eines sollte nicht passieren: Dass du rufst und sie dem Ruf nicht folgen muss.

Schöne Grüße,
Jule

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