Hallo,
Schüchternheit ist zu einem großen Teil angeboren. Einfluss hast du aber auf den Teil, der gelernt und durch Erfahrungen verstärkt wird.
Was ich persönlich wichtig finde ist, im Bemühen um eine Stärkung des Selbstvertrauens der Schüchternheit ein nicht noch größeres Gewicht zukommen zu lassen, als sie es ohnehin hat. Das bedeutet z.B., nicht in Anwesenheit des Kindes mit anderen über die Schüchternheit zu sprechen. Dadurch, dass sie immer wieder benannt wird, wird sie im Bewusstsein des Kindes „wahrer“ und setzt sich fest.
Statt dessen finde ich es wichtig, dem Kind etwas zuzutrauen - und das bedeutet durchaus auch, ihm etwas zuzumuten. Ich würde bei den Hausaufgaben anfangen: Das Mädchen bekommt die freundliche Aufforderung anzufangen und die Aufgabe, den ersten Teil der Hausaufgaben (der klar eingegrenzt sein sollte) allein zu erledigen (die Menge wird im Laufe der Zeit gesteigert).
Erst, wenn der geschafft ist, schaut ihr nach. Ihr solltet NICHT verbessern, auch wenn’s schwer fällt. Zum einen sind Hausaufgaben dazu da, dass die Lehrerin sieht, was die Kinder können, nicht die Eltern. Und zum anderen muss deine Tochter unbedingt lernen, mit Fehlern zu leben.
Aus ihrer Unsicherheit wird ansonsten mehr und mehr der Anspruch entstehen, alles im Leben fehlerfrei zu bewältigen, und dieser Anspruch kann einen Menschen dauerhaft unglücklich werden lassen. Angst wird niemals besser, wenn man angstmachende Dinge meidet, sondern nur, wenn man lernt, sie auszuhalten.
Eure Tochter wird also dafür gelobt, dass sie ihre Hausaufgaben alleine schafft - völlig unabhängig davon, ob die Ergebnisse falsch oder richtig sind. Das bedeutet möglicherweise, dass ihr erst mal an euren eigenen elterlichen Ansprüchen arbeiten müsst.
Ihr solltet dieses Vorgehen mit der Lehrerin besprechen und sie darum bitten, die Hausaufgaben auch nachzusehen und zu verbessern.(Nicht nur) euer Kind braucht dieses Feedback.
Die Lehrerin sollte das Abschreiben verhindern. Möglichst natürlich so, dass deine Tochter nicht das Gefühl hat, nur sie würde „bestraft“, sondern geschickterweise so, dass alle das gleiche Los trifft. Zudem sollte sie alle schüchternen Kinder (deine Tochter ist sicher nicht das einzige) immer wieder ansprechen und zum Antworten ermutigen.
Lehrer neigen dazu, schüchterne Kinder in Ruhe zu lassen. Zum einen deswegen, weil sie die Kinder nicht belasten wollen. Oft aber auch deswegen, weil es dem Unterrichtsfluss nicht dient und für Frustration auf Seiten des Lehrers sorgt, wenn Kinder nicht mitarbeiten. Da wendet man sich lieber den Kindern zu, die freiwillig Unterrichtsbeiträge bringen.
Doch wie gesagt: Angst verstärkt sich durch Vermeidung. Deswegen soll auch die Lehrerin deine Tochter immer wieder fordern. Und natürlich entsprechend positiv verstärken, wenn sie erfolgreich ist.
Schöne Grüße,
Jule