Wie wirkt das Gift des Kugelfisches ?

Liebe Experten,

ich habe eine neurologische Frage, die sich beim Lesen der letzten dm-Werbe-Kundenzeitschrift ergeben hat.
Es war da die Rede vom „Blauring-Kraken“, der das gleiche Gift wie der Kugelfisch, Tetrodotoxin, verwendet.

Bei der Recherche im Internet, wie denn diese Gift eigentlich wirkt, habe ich gefunden, dass es die spannungsabhängigen Natrium-Kanäle blockiert,in dem es den Einstrom von Natriumionen verhindert, so dass kein AP weiter geleitet werden kann.

Eine Quelle behauptete nun, dass der Ein- und Ausstrom von Natriumionen bei myelinisierten Neuronen eine Rolle spiele — ich denken, das ist doch nicht auf die myelinisierten beschränkt ??? So weit ich weiß, sind in ALLEN Neuronen diese Kanäle vorhanden - nur eben in unterschiedlicher Dichte - bei den myelinisierten ja eben nur an den ranvier’schen Schnürringen.

Ok, das ist ja nicht weiter tragisch - mehr aber hat mich verwundert, wie man die Symptome der Vergiftung beschrieben und erklärt hat.
Es wurden genannt: Lähmungen der Willkürmuskulatur, wobei die Muskulatur von Darm, Iris und Magen usw. nicht beeinflusst werden sollte. Auch sollte der Gebissene bei vollem Bewusstsein bleiben und dabei aufgrund seiner „schlaffen Lähmung“ ersticken.

Ich habe mich nun gefragt:
Wenn doch das Gift auf ALLE Nervenzellen wirkt - wie kann der Mensch dann noch klar denken ? Das Gehirn müsste doch genau so betroffen sein (es sei denn, das Tetrodotoxin kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden - aber darüber habe ich nirgens was gefunden) - da zum Denken doch auch die Weiterleitung von AP’s notwendig ist !

Desweiteren ist mir nicht klar, wie ausschließlich die Willkürmuskulatur betroffen sein kann - deren Neurone haben doch genau solche spannungsabhängigen Natriumkanäle wie die der anderen Muskulatur ?!

Kann es sein, dass die Neurone der NICHT-Willkürmuskulatur nicht myelinisiert sind ? Aber, wie gesagt,damit könnte ich mir die unterschiedliche Wirkungsweise auch nicht erklären.

Auf Antworten freue ich mich und schicke schon jetzt ein Dankeschön an alle Angeschriebenen !

Gruß, Bettina

Hallo Bettina,
ich versuche mich mal an einer Antwort. Manches wird aber spekulativ sein.

Eine Quelle behauptete nun, dass der Ein- und Ausstrom von
Natriumionen bei myelinisierten Neuronen eine Rolle spiele —
ich denken, das ist doch nicht auf die myelinisierten
beschränkt ??? So weit ich weiß, sind in ALLEN Neuronen diese
Kanäle vorhanden - nur eben in unterschiedlicher Dichte - bei
den myelinisierten ja eben nur an den ranvier’schen
Schnürringen.

Das ist richtig. Es sollte an allen Neuronen, auch den nicht-myelinisierten wirken. Ein Ausnahme stellen die nocizeptiven (schmerzleitenden) Nervenzellen der Dorsalwurzel-Ganglien dar. Sie verfügen über NICHT-TTX-sensitive Natriumkanäle (NaV1.8 + 1.9).

Ok, das ist ja nicht weiter tragisch - mehr aber hat mich
verwundert, wie man die Symptome der Vergiftung beschrieben
und erklärt hat.
Es wurden genannt: Lähmungen der Willkürmuskulatur, wobei die
Muskulatur von Darm, Iris und Magen usw. nicht beeinflusst
werden sollte. Auch sollte der Gebissene bei vollem
Bewusstsein bleiben und dabei aufgrund seiner „schlaffen
Lähmung“ ersticken.

TTX sensitive spannungsabhängige Natriumkanäle gibt es auch auf den gestreiften Muskelzellen. Sie sind für das Muskelaktionspotenzial verantwortlich, das letztendlich über spannungsabhängige Kalziumkanäle zur Konraktion führt. Ob das bei den glatten Muskeln des vegetativen Apparates nicht so ist, weiss ich im Moment nicht. Das könnte also eine Erklärung für den Unterschied sein.

Ich habe mich nun gefragt:
Wenn doch das Gift auf ALLE Nervenzellen wirkt - wie kann der
Mensch dann noch klar denken ? Das Gehirn müsste doch genau so
betroffen sein (es sei denn, das Tetrodotoxin kann die
Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden - aber darüber habe ich
nirgens was gefunden) - da zum Denken doch auch die
Weiterleitung von AP’s notwendig ist !

Es scheint tatsächlich so zu sein, dass TTX nicht in nennenswerten Mengen über die Blut-Hirn-Schranke kommt. Man stirbt an Atemlähmung. Das Herz bleit weitgehend unbeeindruckt, da es ja Kalzium-Aktionspotenziale macht und damit TTX-insensitiv ist.

Desweiteren ist mir nicht klar, wie ausschließlich die
Willkürmuskulatur betroffen sein kann - deren Neurone haben
doch genau solche spannungsabhängigen Natriumkanäle wie die
der anderen Muskulatur ?!

sieh oben, Muskelaktionspotenzial, Darmperistaltik etc. läuft wahrscheinlich auch ohne nervöse Kontrolle.

Kann es sein, dass die Neurone der NICHT-Willkürmuskulatur
nicht myelinisiert sind ? Aber, wie gesagt,damit könnte ich
mir die unterschiedliche Wirkungsweise auch nicht erklären.

Nein, damit hat es wohl nichts zu tun.

Auf Antworten freue ich mich und schicke schon jetzt ein
Dankeschön an alle Angeschriebenen !

Gruß, Bettina

Viele Grüße

Marcus Wirth

Ich bin kein Biologe und kein Kugelfischexperte. Ich will und kann Ihre Frage nicht beantworten sorry!

Hallo,

vielen Dank für die Antwort ! An die „Calcium-AP“ des Herzens habe ich gar nicht gedacht - aber das erklärt natürlich einiges !

Viele Grüße, Bettina

Hallo,

ohne nervig werden zu wollen - ich habe da doch nochmal eine Frage …
Ich habe mir grade mal angeschaut, wie die Erregungsbildung im Herzen eigentlich zu Stande kommt und gesehen, dass zwar der Sinusknoten keine Na+ - Kanäle hat, die ganzen anderen Herzmuskelzellen aber schon! Jedenfalls habe ich gelesen, dass in den übrigen Herzmuskelzellen die Depolarisation durch das Öffnen von spannungsabhängigen Natriumkanälen zu Stande kommt, woran sich das Öffnen von Calciumkanälen anschließt.
Das hieße doch aber, dass der Sinusknoten zwar seine Impulse ans Herz senden kann - wenn aber das TTX alle spannungsabhängigen Na-Kanäle außer im Hirn blockiert - dann müsste doch auch hier „Schluss mit Lustig“ sein und das Herz könnte trotz funktionstüchtigem Sinusknoten nicht arbeiten … Oder irre ich mich ???

Viele Grüße, Bettina Herzog

ich versuche mich mal an einer Antwort. Manches wird aber
spekulativ sein.

Eine Quelle behauptete nun, dass der Ein- und Ausstrom von
Natriumionen bei myelinisierten Neuronen eine Rolle spiele —
ich denken, das ist doch nicht auf die myelinisierten
beschränkt ??? So weit ich weiß, sind in ALLEN Neuronen diese
Kanäle vorhanden - nur eben in unterschiedlicher Dichte - bei
den myelinisierten ja eben nur an den ranvier’schen
Schnürringen.

Das ist richtig. Es sollte an allen Neuronen, auch den
nicht-myelinisierten wirken. Ein Ausnahme stellen die
nocizeptiven (schmerzleitenden) Nervenzellen der
Dorsalwurzel-Ganglien dar. Sie verfügen über
NICHT-TTX-sensitive Natriumkanäle (NaV1.8 + 1.9).

Ok, das ist ja nicht weiter tragisch - mehr aber hat mich
verwundert, wie man die Symptome der Vergiftung beschrieben
und erklärt hat.
Es wurden genannt: Lähmungen der Willkürmuskulatur, wobei die
Muskulatur von Darm, Iris und Magen usw. nicht beeinflusst
werden sollte. Auch sollte der Gebissene bei vollem
Bewusstsein bleiben und dabei aufgrund seiner „schlaffen
Lähmung“ ersticken.

TTX sensitive spannungsabhängige Natriumkanäle gibt es auch
auf den gestreiften Muskelzellen. Sie sind für das
Muskelaktionspotenzial verantwortlich, das letztendlich über
spannungsabhängige Kalziumkanäle zur Konraktion führt. Ob das
bei den glatten Muskeln des vegetativen Apparates nicht so
ist, weiss ich im Moment nicht. Das könnte also eine Erklärung
für den Unterschied sein.

Ich habe mich nun gefragt:
Wenn doch das Gift auf ALLE Nervenzellen wirkt - wie kann der
Mensch dann noch klar denken ? Das Gehirn müsste doch genau so
betroffen sein (es sei denn, das Tetrodotoxin kann die
Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden - aber darüber habe ich
nirgens was gefunden) - da zum Denken doch auch die
Weiterleitung von AP’s notwendig ist !

Es scheint tatsächlich so zu sein, dass TTX nicht in
nennenswerten Mengen über die Blut-Hirn-Schranke kommt. Man
stirbt an Atemlähmung. Das Herz bleit weitgehend
unbeeindruckt, da es ja Kalzium-Aktionspotenziale macht und
damit TTX-insensitiv ist.

Desweiteren ist mir nicht klar, wie ausschließlich die
Willkürmuskulatur betroffen sein kann - deren Neurone haben
doch genau solche spannungsabhängigen Natriumkanäle wie die
der anderen Muskulatur ?!

sieh oben, Muskelaktionspotenzial, Darmperistaltik etc. läuft
wahrscheinlich auch ohne nervöse Kontrolle.

Kann es sein, dass die Neurone der NICHT-Willkürmuskulatur
nicht myelinisiert sind ? Aber, wie gesagt,damit könnte ich
mir die unterschiedliche Wirkungsweise auch nicht erklären.

Nein, damit hat es wohl nichts zu tun.

Auf Antworten freue ich mich und schicke schon jetzt ein
Dankeschön an alle Angeschriebenen !

Gruß, Bettina

Viele Grüße

Marcus Wirth

Hallo Bettina,

das TTX wirkt nicht nur auf die Nerven der Willkürmuskulatur. Es treten auch
Symptome von Seiten des Magen-Darm-Systems auf wie Durchfall, Erbrechen und
Krämpfe der glatten Muskulatur. Auch das vegetative System wird involviert -
erkennbar an Pupillenstörungen, Schwitzen, Speichelfluss und kardiovaskulären
Symptomen (Bradykardie, Hypotonie etc.). Zusätzlich soll ein direkter Einfluss auf
Strukturen im Hirnstamm eine Bedeutung haben, vermittelt über die Störung des
zentralen Atemantriebs.
Dass Derjenige bis zu letzt bei Bewußtsein ist, heißt ja nicht notwendigerweise,
dass sein Denken unbeeinträchtigt ist. Niemand hat überprüft, in wieweit kognitive
Fähigkeiten beeinträchtigt sind. Das erhaltene Bewußtsein bedeutet vorerst nur,
dass neuronale Netzwerke wie das ARAS, thalamische Anteile und der Kortex nicht
vollständig ausgefallen sind. Vermutlich gibt es auch keine EEG-Ableitungen
während derartiger Vergiftungen. Dazu kommt, dass es beim „Bewußtsein“ viele
Zustände gibt und nicht nur wach oder schlafend.
Insgesamt denke ich schon, dass nicht nur das periphere NS vom TTX betroffen ist,
sondern auch das ZNS. Nur sind Symptome, wie Lähmungen einfacher zu erfassen
und die führen letztlich auch zum Tod.

Hallo,

vielen Dank für die Antwort !

Gruß, Bettina

Hallo Bettina,

das TTX wirkt nicht nur auf die Nerven der Willkürmuskulatur.
Es treten auch
Symptome von Seiten des Magen-Darm-Systems auf wie Durchfall,
Erbrechen und
Krämpfe der glatten Muskulatur. Auch das vegetative System
wird involviert -
erkennbar an Pupillenstörungen, Schwitzen, Speichelfluss und
kardiovaskulären
Symptomen (Bradykardie, Hypotonie etc.). Zusätzlich soll ein
direkter Einfluss auf
Strukturen im Hirnstamm eine Bedeutung haben, vermittelt über
die Störung des
zentralen Atemantriebs.
Dass Derjenige bis zu letzt bei Bewußtsein ist, heißt ja nicht
notwendigerweise,
dass sein Denken unbeeinträchtigt ist. Niemand hat überprüft,
in wieweit kognitive
Fähigkeiten beeinträchtigt sind. Das erhaltene Bewußtsein
bedeutet vorerst nur,
dass neuronale Netzwerke wie das ARAS, thalamische Anteile und
der Kortex nicht
vollständig ausgefallen sind. Vermutlich gibt es auch keine
EEG-Ableitungen
während derartiger Vergiftungen. Dazu kommt, dass es beim
„Bewußtsein“ viele
Zustände gibt und nicht nur wach oder schlafend.
Insgesamt denke ich schon, dass nicht nur das periphere NS vom
TTX betroffen ist,
sondern auch das ZNS. Nur sind Symptome, wie Lähmungen
einfacher zu erfassen
und die führen letztlich auch zum Tod.

Liebe Bettina,
sorry das weiss ich auch nicht aus dem FF, habe auch gerade leider keine Zeit zu recherchieren. Bitte wende dich an jemand anders. VG

Hallo Bettina!

Wie ich sehe, hat sich noch immer niemand gemeldet. Da ich die Frage nicht 100%ig beantworten kann, wollte ich das Feld eigentlich jemand anderem überlassen.

Nun gut, deine Frage ist also, warum das Gift nur auf die willkürlichen Muskeln wirkt und warum das Gift nicht auf das Hirn wirkt.

Vornweg, ich denke nicht, dass es irgendetwas mit der Myelinisierung zu tun hat, da diese, wenn ich mich nicht gewaltig irre, bei allen Nervenzellen vorkommt, im ZNS wie auch im PNS. Sie hat zum Zweck, die Signalübertragung zu beschleungigen, die Natriumkanäle sind lediglich räumlich konzentrierter, werden aber sonst nicht vom Myelin beeinflusst.

Auf Wikipedia habe ich gefunden, dass es allerdings Natriumkanäle gibt, die gegen das Gift resistent sind, womöglich aufgrund ihrer Struktur. Diese Na Kanäle kommen in den Schrittmacherzellen des Herzes vor, weshalb die Herzfunktion vielleicht etwas weniger vom Gift beeinträchtigt wird. Allerdings sind die Zellen des Vorhofs sehr anfällig, wodurch die Pumpkraft des Herzes extrem nachlässt und Herzrythmusstörungen trotzdem auftreten können.

Des weiteren kann zwischen glatter und Skelettmuskulatur unterschieden werden. Da die meisten Willkürsbewegungen von Skelettmuskulatur gesteuert werden, würde es sich sicher lohnen, etwas mehr über die Unterschiede in Erfahrung zu bringen. Meiner Wissens braucht die glatte Muskulatur einen weniger starken Nerfimpuls um angeregt zu werden. Ausserdem kommt hier auch noch der Alles-oder-Nichts Mechanismus hinzu, der bedeutet das sich der Muskel vollständig zusammen zieht, solange der Impuls über einem gewissen Schwellenwert liegt. Bei welchen Muskeln er vorkommt weiss ich nicht mehr genau, aber auf jeden Fall nicht bei Skelettmuskulatur, dort bewirkt ein schwacher Impuls eine kleine Bewegung, ein starker Impuls eine schnelle kräftige Bewegung.
(kein Gewähr)

Zu guter Letzt noch zum Gehirn. Wie du schon gesagt hat, bin ich ziemlich sicher, dass das Gift die Bluthirnschranke nicht überqueren kann. Vergleiche die Struktur des Gifts einmal mit einem Sechsring-Zucker. Der kann schliesslich auch nur durch aktiven (und spezifischen) Transport durch die Endothelzellen ins Gehirn gelangen.

Wenn du dir also noch etwas zum Thema, TTX-resistente Na Kanäle, glatter Muskulatur und Blut-Hirnschranke (welche Eigenschafen müssen Stoffe haben, dass sie durchdiffundieren können?) zusammensuchst, solltest du deine Fragen einigermassen beantworten können.

Mit freundlichen Grüssen,
Thierry

Hallo Thierry,

danke für die Antwort !! Das mit der Blut-Hirn-Schranke leuchtet mir ein, beim Herz und den Muskeln werde ich wohl noch etwas länger recherchieren müssen !

Grüße, Bettina Herzog

Hallo,
meine Hypothese wäre, dass hier unterschiedliche Untergruppen von Na Kanälen vorliegen - aber mehr Wissen zum Kugelfisch-Gift kann ich leider nicht beisteuern…
Gruß Stefan

Hallo,

der spannungsgesteuerte Natriumkanal ist eher eine Besonderheit der Motorneurone - Tetrodotoxin blockiert genau diese. Die Reizweiterleitung zum Muskel funktioniert dann eben nicht mehr, was über Atemlähmung zum Tod führt.
So unspannend das klingt, zum Sterben bei fast vollem Bewußtsein reicht das.

…keine Ahnung!

gruß nashorn