Wiedergeburt und Nirvana

Wenn das Ich durch die Askese annuliert ist, ist es auch die
Welt, da beide einander in Beziehung stehen.

Das gilt natürlich immer nur für das Individuum, da ja die Welt für die Anderen weiterbesteht. Welt und Ego sind in diesem Sinne eine untrennbare miteinander kommunizierende und voneinander abhängige Einheit.

r.

Hallo Rolf,

Wenn das Ich durch die Askese annuliert ist, ist es auch die
Welt, da beide einander in Beziehung stehen.

das ist ein wenig zu kurz gedacht. Zunächst einmal - Buddhas Lehre ist der ‚mittlere Weg‘ und das heisst, dass es ein Weg ist, der die Extreme sowohl von Hedonismus als auch von Askese vermeidet. Buddha hatte jahrelang Askese bis an die Schwelle des Hungertodes geübt, so wie er auch die 8 Stufen meditativer Versenkung (dhyanas) bei verschiedenen Meistern kennengelernt hatte. All dies befriedigte ihn jedoch nicht; er erkannte, dass diese Wege nicht zur Befreiung führen. Askese ist daher keine buddhistische Praxis.

Schwerer wiegend ist freilich Deine vom buddhistischen Standpunkt her falsche Auffassung, das ‚Ich‘ könnte (durch Askese oder was auch immer) annulliert werden. Ein ‚Ich‘ existiert nicht, wie könnte es da annulliert werden? Was auf dem buddhistischen Heilsweg *annulliert* wird, ist Verblendung (moha), die im Kern die falsche Sicht von der Existenz eines ‚Ich‘ ist (sakaya-drsti oder atma-drsti) - also die Art und Weise, wie wir die Welt durch eine ‚Ich‘-Perspektive erfahren. Damit ändert sich natürlich auch die Sicht von dem, was ‚Welt‘ ist - aber das ist etwas völlig anderes, als die Welt zu ‚annullieren‘.

Bei sakaya-drsti, dem ‚Ich-Glauben‘, werden übrigens zwei Formen unterschieden. Da ist zum Einen der Glaube an ein ‚Ich‘, das mit den körperlichen und geistigen Prozessen, die wir gewöhnlich mit ‚Ich‘ identifizieren identisch ist (oder mit Teilen davon). Dies wird ‚Annullierungs-Glaube‘ (uccheda-drsti) genannt - weil aus ihm folgt, dieses ‚Ich‘ würde bei Einstellen der physischen und mentalen Prozesse ‚annulliert‘.

Die andere Form ist der ‚Ewigkeits-Glaube‘ (sasvata-drsti), der ein unabhängig von den genannten Prozessen existierendes ‚Ich‘ (idR in Form einer Seele oder eines atman) postuliert, das den Tod überdauert. Der Buddhismus verwirft beide Positionen - sowohl die ‚materialistische‘ als auch die ‚idealistische‘. Sie beruhen auf einem unzureichenden Verständnis des karmischen Gesetzes, wie es sich insbesondere im ‚Konditionalnexus‘ wechselseitig bedingten Entstehens (pratitya-samutpada) auswirkt. Auch hier ist Buddhas Lehre ein ‚mittlerer Weg‘.

Aber das kann nur
ein vorübergehender Zustand sein, da man danach nicht mehr,
zumindest nach Außen hin handlugsfähig wäre.

Eben. Solche Zustände erfährt man in den höheren dhyanas - aber das ist noch kein Erwachen (bodhi) oder Befreiung (moksha). Die dhyanas werden zwar geübt, da ihre Beherrschung günstige Bedingungen für ein Erwachen schafft; als Selbstzweck genommen sind sie jedoch - wie schon oben gesagt - eine Sackgasse. Im Zen wird von den höheren dhyanas abschätzig als von einer ‚dunklen Höhle‘ gesprochen, von einem ‚Zen des toten Holzes‘ (eigentlich ‚totes Holz [und] kalte Asche‘, kumu shihui). Buddhistische Meditationspraxis umfasst grundsätzlich zwei zusammenwirkende Aspekte: shamatha und vipashyana, also den Aspekt konzentrativer Versenkung und den intuitiver Einsicht.

Wer hat das überigens gesagt? Buddha?

Ja, nach dem Zeugnis des Palikanon. Ich hatte die Fundstelle angegeben - ‚S.‘ steht für Samyutta Nikaya.

Und er sagt ja auch weiter unten, daß es unmöglich wäre, das
‚Alles‘ durch ein anderes *Alles* zu ersetzen, was in diesem
Kontex zwar richtig ist, nicht aber als eine noch zu
vollendende Möglichkeit.

‚Alles‘ ist ‚Alles‘ - es kann kein zweites ‚Alles‘ geben, so wie es außer dem Raum nicht noch einen zweiten, getrennt davon existierenden Raum geben kann. Jedenfalls nach buddhistischer Auffassung. Transzendente Reiche, seien es nun ‚Himmel‘, Paradiese oder Wolkenkuckucksheime, überlassen wir gerne anderen Religionen.

Aber das ist für einen Buddhisten nur schwer zu erklären :smile:

Aber nicht doch - das ist nur für manche Menschen schwer zu verstehen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Die Aussage war wohl in dem Sinne gedacht „Alles ist maya“ -
also die Dinge sind nicht so, wie sie scheinen. Natürlich ist
‚maya‘ ein Begriff, der auch Rolf vertraut ist. Ob er bzw.
Aurobindo ihn so versteht, wie er im Buddhismus aufgefasst
wird, weiss ich nicht. Jedenfalls bedeutet ‚maya‘ nach
buddhistischem Verständnis nicht ‚Erscheinung‘ in dem Sinne,
dass da ein tatsächlich existierendes ‚Ding an sich‘ wäre,
dessen Erscheinung wahrgenommen wird.

Etwas differenzierter formuliert: bereits im frühen Buddhismus
wurde gelehrt, dass ‚Alles‘ „leer von Ich und zum Ich
Gehörigen ist“, z.B. in S.35.85:

Hallo Ralf

Ich muß dazu noch was sagen, da das Thema zu wichtig ist und eine Fehlinterpretation des Buddhismus erläutert.

Sri Aurobindo hat den ursprünglichen Sinn des bereits im Veda verwandten Wortes maya richtig gedeutet. Da der Veda älter als der Buddhismus ist, hat dieser dieses Wort im Laufe der Zeit zu Illusion verunstaltet. Ob dies bereits Buddha passiert ist, könnte durchaus möglich sein, da er diese Bedeutung übernommen haben könnte. Ich weiß nicht ob er dieses Wort in seinen Reden verwendet hat.

Die ursprünglich Bedeutung von maya läßt sich durch folgenden Text ersehen:

_Die Göttliche Maya

Schöpferische Maya

Im Namen des Herrn und in ihrem Namen, gestalteten und maßen sie die Kraft der Mutter des Lichts. Macht um Macht dieser Kraft, trugen die Herren der Maya als ein Gewand
und formten so in diesem Seienden die Form aus.
(Rig Weda, 3.38.7)

Mayaist die gestaltende Macht Gottes. Die Wirklichkeit Sat-chit-ananda, ist in ihrer eigenen Natur unendlich und ewig. Sie kann nur Unendliches aus sich hervorbringen. Schöpfung setzt aber Form voraus und Form bedeutet ein Endliches. Um so Endliches aus dem Unendlichen zu schaffen, Formen aus dem Formlosen auszumessen, stellt die Göttliche Wirklichkeit eine Macht aus ihrem Wesen heraus, die in ihren Vorstellungen schöpferisch ist. Es ist die Macht, die das Unendliche begrenzt und aus dem Grenzenlosen Formen bildet. Diese Macht ist die Maya, mimite iti maya, was ausmißt ist das maya, die Macht göttlicher Geschicklichkeit.
Die Namensbezeichnung ist die geheime Bedeutung der Götter. Sie gibt die Macht, die Eigenschaft und den Charakter der Wirklichkeit an, auf die sie sich bezieht. Die Mächte der Maya kennen dieses Geheimnis der vielen Verkörperungen des Höchsten Herrn von Allem, wie auch das der einzelnen Ausstrahlungen der Schakti des Herrn. Diesen Hebel der Dynamik kennend und benützend, bringen sie die unermeßlichen Reichtümer in Form und Maß, aus dem Schoße der strahlenden Weite hervor. Sie stützen sich auf die Stärke dieser schöpferischen Mutter-Macht, um dieses Universum der Form, in Übereinstimmung mit der Real-Idee die sie vom Herrn erhält, zu behauen.
Die Kenntnis der geheimen Namen, ninya vacamsi, der Wahrheiten die in den verschiedenen beseelten Persönlichkeiten des Puruscha und der Schakti sind, gibt diesen kreativen Vertretern Zugang zu der dynamischen Kraft des Dualen Wesens und ermöglicht es einzugrenzen, was grenzenlos ist, Form zu bilden aus dem, das jenseits der Form ist.
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Meister der Maya

Die Meister von Maya gestalteten alles durch Seine Maya.
Die Väter, die die göttliche Schau haben, setzten Ihn ins Innere wie ein Kind, das geboren werden soll.
(Rig Weda, 9.83.3)

Die höheren Götter, die im Besitz des Wissens sind und den Wirkungsablauf der Macht der Maya kennen, wirken dahin, diese Schöpfung aus dem Wesen des Herrn Aller hervorzubringen. Sie bewirken Seine Absichten, Seine Ideen, durch Seine eigene Stärke. Diese Vorfahren des Universums, sind mit dem Instinkt des Bewußtseins der Wahrheit die manifestiert werden soll ausgerüstet und sie setzen diese Wahrheit als Samenkorn in jede Form, die sie herausgestalten. Es ist diese einverleibte Wahrheit, die in jedem als Seelen-Funke geboren wird, der fortwährend zu seiner vollen Statur im Verlauf der Evolution hinanwächst.
Somit ist alles real, alles entstammt der Wirklichkeit die göttlich ist. Der Ursprung ist das Wesen des Allerhöchsten. Die initierend Macht ist seine eigene Bewußtseins-Kraft in Aktion. Die ausführenden Vertreter sind Ausstrahlungen dieser Schakti des Herrn. Der Weisung der sie folgen, ist die Real-Idee des Herrn. Der Samen den sie in jede Form einpflanzen, kommt aus dem Wesen der Schöpferischen Gottheit.

Es ist Er, der in alle Richtungen ausgeht. (Ischa Up.)_

gruß
rolf