Wieso ?

habedieehre, allseits…

Kann mir eigentlich irgendjemand begründen, weshalb etwa mein Computer oder Betriebssystem „heruntergefahren“ wird und nicht einfach „ausgeschaltet“ oder „beendet“ ? Und wieso dann nicht auch Stereoanlagen oder Fernsehgeräte ?
Aber auch Produktionen werden „gefahren“, bzw. „hoch-“ oder „heruntergefahren“ statt gesteigert oder gedrosselt, etc.
Woher kommt dieser „sprachliche Unsinn“, bzw. wem haben wir denn diesen Mist zu verdanken ?

Danke für Eure Meinungen

nicolai

hi,

wer das „verbrochen“ hat, kann ich dir nicht sagen. aber das verbrechen ist m.e. ein geringes. „hochfahren“ bzw. „herunterfahren“ einer produktion oder eines computers bedeutet eben nicht nur simples einschalten oder ausschalten, sondern einen komplexen prozess. wenn du den computer einschaltest … dann „fährt er hoch“, und erst wenn er hochgefahren ist - also einige zeit nach dem einschalten, steht er dir zur verfügung.
wenn du den computer einfach ausschaltest (so das überhaupt noch möglich ist), fährt er runter. erst wenn er runtergefahren ist, ist er ausgeschaltet.

ein- und ausschalten bezieht sich auf zeitpunkte. rauf- und runterfahren auf zeitspannen.

der vermeintliche unsinn hat schon sinn.

m.

Moin, nicolai,

damit ist gemeint, dass der momentane Zustand des Rechners festgeschrieben wird, um beim nächsten Start wieder so zu erscheinen, wie er verlassen wurde. Je nach Art des Herunterfahrens (Standby, Ruhezustand, …) ist das unterschiedlich aufwendig: Mal wird nur der letzte Benutzer gespeichert, dann werden auch alle Programme sauber geschlossen (nicht bloß abgewürgt, sondern mit Nachfragen, ob Dateien gespeichert werden sollen), oder alle geöffneten Fenster werden so wie sie sind mit den aktuellen Daten und Programmzuständen gespeichert.

Gruß Ralf

Phraseologie

Kann mir eigentlich irgendjemand begründen, weshalb etwa mein
Computer oder Betriebssystem „heruntergefahren“ wird und nicht
einfach „ausgeschaltet“ oder „beendet“?

Es gibt in der Sprache bestimmte Wörter, die eine feste Verbindung eingehen. Darunter fallen auch Wendungen wie „Zähne putzen“ (Warum nicht „Zähne bürsten“, wie im Englischen?) und Formulierungen wie „20 vor sechs“ und „viertel vor sechs“ (Warum nicht „drittel vor sechs“ und „15 vor sechs“?

Das ganze ist ein Teilbereich der Phraseologie. Bei Phraseologie denkt man zunächst an Redensarten und Sprichwörtern, aber man findet sehr viele alltägliche Begriffe, die fest miteinander verbunden sind. Eine wirkliche Erklärung, warum genau diese Verbindung und keine andere, gibt es nicht unbedingt.

Man kann davon augehen, daß es eine Art mentales „Phrase book“ gibt, in der individuelle bis kollektive Wendungen gespeichert sind, um bei der Sprachproduktion als Bausteine schnell abgerufen zu werden.

Woher kommt dieser „sprachliche Unsinn“, bzw. wem haben wir
denn diesen Mist zu verdanken ?

Es ist weder sprachlicher Unsinn, noch Mist.

Tendentiell würde ich sagen: „Hochfahren“ wird bevorzugt dort verwendet, wo der Startprozeß in der Regel länger dauert, man also warten muß, bis der Apparat betriebsbereit ist. Das ist beim Computer der Fall und auch bei großen Maschinenanalagen, aber eigentlich nicht beim Fernseher oder CD-Spieler.

Gruß,
Max

Hallo!

Neue Regel: Wer sich über sprachlichen Unsinn aufregt, darf das nicht unter Verwendung willkürlicher Anführungszeichen und Plenks tun.

Über die Berechtigung der Formulierung wurde schon einiges gesagt. Ich möchte noch eines hinzufügen, nämlich dass gewisse Unregelmäßigkeiten einer Sprache Leben einhauchen. Das sind die Ausdrücke, deren Sinn sich nicht unmittelbar erschließt. Redewendungen, die ihren Ursprung im Mittelalter haben („abgebrannt sein“, „einen Zahn zulegen“), unregelmäßige Verben, etymologisch weitgereiste Wörter… Das ist nicht Mist, das ist schön.

Gruß
Peter

Fahren bergmännisch und hüttentechnisch
Hi Nicolai,

der Begriff „Anfahren“ dürfte erstmals in der Hochofentechnik verwendet worden sein - ich vermute, dass die ersten komplexer gebauten Hochöfen bereits in den 1850er Jahren „angefahren“ wurden - d.h. zu einer Zeit, als sich vieles, was heute als ganz im Garn gefärbtes Deutsch erlebt wird, überhaupt erst noch entwickeln musste. Die Metaphorik zieht sich durch: Die Zeit vom ersten Anfahren eines Hochofens, bis er zur Entschlackung und zur Erneuerung der Auskleidung usw. ganz abkühlen musste, hieß noch bis zuletzt, solange in Deutschland Eisen und Stahl gekocht wurden, eine „Ofenreise“. Vom _An_fahren eines Hochofens oder einer Fertigungsstraße zum _Hoch_fahren eines Rechners (der vom Einschalten bis zum betriebsbereiten Zustand viel mehr unterschiedliche Zustände kennt, die er sozusagen von unten nach oben durchschreitet, wenn man ihn anschaltet) ist der Weg nicht sehr weit, meine ich.

Warum steht im Titel auch „bergmännisch“?

Da wollte ich was von Erich Köhler aus „Der Krott oder das Ding unterm Hut“ hinschreiben, über das bergmännische „Fahren“ als Form der Fortbewegung. Jetzt steht der Krott aber nicht da, wo er soll, und bloß nachahmen will ich den Abschnitt nicht.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Hallo nicolai,

Anfahren war schon bei der Postkutsche ein Prozess.

Zuerst muss die Bremse gelöst werden.
Dann muss man den Pferden den Befehl geben sich zu bewegen,
erst dann fängt das Gefährt an sich in Bewegung zu setzen.
Und erst mach einer gewissen Zeit, hat man auf die Reisegeschwindigkeit beschleunig.

Zwischen wollen und tuten dauerts halt :smile:

Ist somit beim PC auch nicht anders.

Und beim Fernseher kommt das noch :wink:
Die sind heute auch schon Computer und brauchen ihre Zeit wie auch der PC. Nur beim TV ist man sich das von der Röhrentechnik her noch gewönt, da wurde der Strom eingeschaltet und es passierte zuerst ein mal fast gar nichts, bis die Röhren aufgeheitzt waren.

Technisch liegt der Unterschied zwischen Ein/Ausschalten und Hoch/Runterfahren darin, dass beim Ein/Ausschalten die Energiversorgung hergestellt/unterbrochen wird und das Hoch/Runterfahren sich auf den Vorgang zwischen z.B. Einschalten und der Benutzbarkeit des Geräts bezieht. Beim Herunterfahren kommt das Ausschalten erst am Ende des Prozesses, bei den alten PCs war das noch klarer, da kam nach dem Herunterfahren von Windows dann die Meldung „Sie können den Computer jetzt ausschalten“, heute kann die Hardware sich selbst den Saft abdrehen.

MfG Peter(TOO)

Moin Blumepeder,

da kann ich Dir vielleicht aushelfen, zwar nicht mit einer Literaturstelle, aber als früherer Pfarrer einer Bergmannsgemeinde.
Der Steiger „befährt“ die Strecke, also die Stollen, das Abbaugebiet. („Strecke“ ist - nebenbei - auch ein bergmännischer Begriff, der eigentlich noch umfangreich erklärt werden müsste.)

Gruß - Rolf

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Danke zwischendurch…
…an alle, da war doch einiges sehr Aufschlußreiches dabei; berechtigterweise muß ich allerdings dann die Frage weiterstellen : wenn für die Formulierung mit „fahren“ ausschlaggebend ist, daß sich ein „Prozeß“ vollzieht, werden wir dann demnächst auch (man bedenke : Energiesparlampen) „das Licht hochfahren“ statt „das Licht ausschalten“ ?
Aber ich möchte noch ein wenig weiterspinnen, Phraseologie hin oder her : seit urdenklichen Zeiten „fahren Bergleute in die Grube ein“, gehen Schiffe „auf große Fahrt“, gibt es auch bei Fußwanderungen „Reisegefährten“ und kann man „einer Fährte folgen“, es gibt „fahrendes Volk“, usw… Selbst „zur Hölle“ soll man „fahren“, interessanterweise zum Teufel allerdings „gehen“. Mit der eigentlichen „Tätigkeit“, bzw. dem Zustand des „Fahrens“ lassen sich die angesprochenen Formulierungen nur begrenzt bis gar nicht assoziieren, wohl aber mit „Bewegung“. Kann es also sein, daß der Begriff „fahren“ in der deutschen Sprache ursprünglich die Bewegung an sich gekennzeichnet hat ?

Hallo nicolai,

Kann es also sein, daß der Begriff „fahren“ in der
deutschen Sprache ursprünglich die Bewegung an sich
gekennzeichnet hat ?

Ich habe jetzt nicht nachgeforscht, aber es wird immer jemand oder etwas von A nach B bewegt/tranportiert.

MfG Peter(TOO)

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Hi,

Kann es also sein, daß der Begriff „fahren“ in der
deutschen Sprache ursprünglich die Bewegung an sich
gekennzeichnet hat?

Siehe:

„… mittelhochdeutsch varn, althochdeutsch faran, ursprünglich jede Art der Fortbewegung bezeichnend“

Aus >> http://www.duden.de/suchen/dudenonline/fahren

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wenn für die Formulierung mit „fahren“
ausschlaggebend ist, daß sich ein „Prozeß“ vollzieht, werden
wir dann demnächst auch (man bedenke : Energiesparlampen) „das
Licht hochfahren“ statt „das Licht ausschalten“ ?

Theoretisch wäre es denkbar - praktisch verhält sich Sprache nicht logisch. Oder, um es poaitiver auszudrücken: Es gibt in der Sprache viele Regeln, die durchaus auch miteinander konkurrieren - unter den einen Bedingungen kommt die eine Regel, unter den anderen Bedingungen die andere zum Zug. Wie Du beim „Fahren“ ja siehst, hält die Sprache sehr lange an alten Wendungen fest - deswegen werden wir vermutlich auch noch hundert Jahre, nachdem die letzte Glühbirne durchgebrannt ist, Lichter „ausschalten“. Telefone „klingeln“ ja auch noch, obwohl sie tuten, und merkwürdige singende Frösche werden als „Klingeltöne“ verkauft.

gehen Schiffe „auf große Fahrt“

… und Seile „fahren“ durch die Umlenkrollen der Takelage …

Der Seemann, der schon viel erlebt hat, ist übrigens erfahren - solche Leute nennt man auch Fahrensmänner.

Kann es also sein, daß der Begriff „fahren“ in der
deutschen Sprache ursprünglich die Bewegung an sich
gekennzeichnet hat ?

Nicht nur ursprünglich, sondern durchaus auch heute noch, wie deine Auflistung ja zeigt. „Fahren“ in der Bedeutung, die Du im Kopf hattest, ist eher nur ein kleiner (neuerer) Teilbereich des Wortes.

Mir zum Beispiel wäre es nie in den Sinn gekommen, „Fahren“ auf diese Bedeutung zu beschränken, deswegen war mir deine Frage zunächst relativ unverständlich.

Gruß,
Max

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Hallo!

Technisch liegt der Unterschied zwischen Ein/Ausschalten und
Hoch/Runterfahren darin, dass […]

Seit dem UP frage ich mich, warum man den PC HER- und nicht HINunterfährt:
hin: dorthin, wo man selbst nicht ist,
her: dorthin, wo man selbst ist.
Präzisierung: Wo ist der PC also eigentlich, wenn er HOCHgefahren ist?
H.

Hallo Hannes,

Präzisierung: Wo ist der PC also eigentlich, wenn er
HOCHgefahren ist?

Auf der Höhe seiner Aufgaben :wink:

Viele Grüße
Marvin

Präzisierung: Wo ist der PC also eigentlich, wenn er
HOCHgefahren ist?

Na, oben natürlich.

M.

… Kann es also sein, daß der Begriff „fahren“ in der
deutschen Sprache ursprünglich die Bewegung an sich
gekennzeichnet hat ?

Ursprünglich, aber was heisst das schon (Altgermanisch? Indoeuropäisch?). Der Begriff hat sich erweitert, besonders in der technischen Welt, weil das Fahren eines Zuges, besonders noch mit einer Dampflok, sehr viel Ähnlichkeit hat mit der Bedienung einer komplexen Maschine, eines Kraftwerks o.Ä. Man fährt ein Kraftwerk oder auch nur eine Turbine hoch, obwohl sich so ein Kraftwerk dabei um keinen mm von der Stelle rührt. Es geht auch noch abstrakter: man fährt einen bestimmten Prozess (nicht einen vor Gericht, den kann man höchstens gegen die Wand fahren, sondern etwa einen Prozess zur Herstellung von Polyethylen). Und einen Plan (den Fahrplan) sollte man für sowas auch haben, manchmal existiert der ganz real als Checkliste - haben Computer auch, nennt sich batch, aber die arbeiten das von selbst ab. Daher wird der PC auch nicht heruntergefahren, er fährt herunter, wenn man es ganz genau nehmen will.

Gruss Reinhard

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Fahren - Herkunft
Servus,

zur Duden-Definition, die übrigens wörtlich gleich auch im Kluge steht, hier noch ein paar Einzelheiten aus dem Artikel „fahren“ aus dem Etymologischen Wörterbuch von Kluge/Götze:

Zu einer vermuteten Wurzel *per, *por wird dort angeführt: Griechisch peran „durchdringen“ (ich lass die lateinische Umschrift so stehen), póros „Gang, Durchgang“, poreúein „bringen“, Germanisch faran „wandern“. Dazu gehören fertig, führen, Furt, Fahrnis.

Überall also ähnlich, dass die Bewegung eine Weile dauert, und dass eine gewisse Entfernung im Spiel ist. Bei dem Radioempfänger meiner Eltern, der immer eine Weile brauchte, bis die Röhren aufgeheizt hatten, wäre es demnach ganz einleuchtend gewesen, vom „Anfahren“ des Radios zu sprechen; bei den ersten Leuchtstofflampen auch.

Womit freilich noch gar nichts dazu erhellt ist, in welche Höhe denn ein Rechner hinauffährt, wenn man ihn hochfährt. An das Gegenteil davon hat man sich freilich schon früh gewöhnen dürfen, wenn von irgendeiner Stelle telefonisch die Auskunft kam, man könne überhaupt nichts sagen, der Rechner sei „down“ - ein ganz frühes computerenglisches Wort, zu dem es keinen deutschen Begriff gibt.

Wobei „feeling down“ oder „down and out“ sicherlich älter ist als Zuses Schnellrechenmaschine. Sieht so aus, als sei das „hoch-“ am „Hochfahren“ eigentlich bloß als Gegenteil zu „down“ geboren worden.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

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In der Luft …
… wird auch gefahren:

Zeppeline fahren (sind ja schließlich Luft-Schiffe!)

und Ballone fahren auch.

Nur der Vollständigkeit halber. :wink:

Gruß G

Auf der Höhe seiner Aufgaben :wink:

…ich unterstelle jetzt einfach `mal, daß Du nicht „windows“ verwendest - denn sonst würdest Du diese Aussage mit Sicherheit nicht getroffen haben…:smile:

Fahren bergmännisch und seemännisch
Hallo Rolf,

da hab ich ganz off topic noch einen Shanty, in dem ein Seemann als „Fahrensmann“ präsentiert wird:

_DER SEEMANSGROG

Von allen Dingen in der Welt
der Grog am besten mir gefällt
Er ist mein geist’ges Element
und bleibt’s bis an mein Lebensend.

Oft scheint es mir ein purer Spott
von unsrem lieben Herregott
Das er das grosse tiefe Meer
mit Wasser füllt bis oben her.

Wenn ich der liebe Herrgott wär
ich machte mir ein andres Meer,
weil es kein rechter Fahrensmann
vor bitter Salz genießen kann.

In diesem Punkt bin ich nicht dumm
ich spräche: Weltmeer, werde Rum! -
Ihr Flüsse alle groß und klein
Ihr sollt das klarste Wasser sein.

Und jede Insel in der Flut
die werde gleich ein Zuckerhut
Ein Donnerwetter schlage drein
daß alle großen Stücke klein!

Dann rief ich einen Sturm herbei
mir umzurühren diesen Brei:
Ich schwämme dann gemütlich drauf
Potzwetter - welch ein Lebenslauf!_

In diesem Sinne

MM