Hallo,
Wenn der Mindestreservesatz sowieso nie ausgeschöpft wurde,
ich glaube, es ist noch eine Erklärung zur Mindestreserve notwendig. Die Mindestreserve ist abhängig von der Höhe der von Kunden hereingenommenen Einlagen sowie der ausgegebenen Schuldverschreibungen. Wir befinden uns also auf der Passivseite der Bilanz und nicht auf der Aktivseite, wo die vergebenen Kredite zu finden sind.
Insofern kann man nicht davon sprechen, daß der Mindestreservesatz nicht ausgeschöpft wurde. Was Du vermutlich meinst, ist das Geldschöpfungspotential, was in der Tat nie ausgereizt wurde.
wieso wurde dieser dann Anfang diesen Jahres von 2 % auf 1 %
gesenkt?
Wer weiß das schon. Die EZB kommt auf die tollsten Ideen, um die Märkte und die Banken zu beruhigen. Ob man zusätzlich zu den hunderten Milliarden Liquidität, die eigentlich niemand braucht, noch ein vergleichsweise unbedeutendes Rädchen ein bißchen lockert, ist ziemlich wurscht.
Angenommen, in einer Modell-Volkswirtschaft gebe es eine
Zentralbank und nur zwei Geschäftsbanken A und B.
Mindestreserve sei nicht ausgeschöpft, d.h. es können Kredite
in beliebiger Höhe von jeder der Geschäftsbanken vergeben
werden.
Da liegt schon der erste Trugschluß: die Höhe der maximal zu vergebenden Kredite wird ja nicht nur durch die Mindestreserve eingeschränkt, sondern auch durch andere Faktoren: Liquidität, Eigenkapital usw.
Herr a nimmt bei Bank A einen Kredit i.H.v. 1000 € auf und
bekommt diesen auf seinem Girokonto gutgeschrieben. Er kauft
sich dafür einen Kühlschrank beim Herrn b, der sein Girokonto
bei der Bank B hat, und a überweist die 1000 € entsprechend.
Da Bank A aktuell keine liquiden Mittel (in Form von
Zentralbankgeld) zur Verfügung stehen, sie aber Bank B nun
1000 € überweisen muss, wird Bank A von Bank B ein Kredit
gewährt (also keine Krisenzeiten, d.h. die Banken vertrauen
einander soweit).
In diesem Szenario müßte Bank B der Bank A aber aktiv einen Kredit gewähren, d.h. ihr Geld überweisen, weil die Überweisung an Herrn B über die Zentralbank abgewickelt wird und für die Überweisung Bank A ein Guthaben in ausreichender Höhe bei der Zentralbank haben müßte.
Um den geliehenen Betrag reduziert sich aber das Guthaben von Bank B bei der Zentralbank. Insofern würde sich die im System umlaufende Liquidität in einem ersten Schritt wieder reduzieren, was allerdings die Geldmenge nach den üblichen Definitionen nicht reduziert.
Herr b kann diese 1000 Euro nun doch sowohl an jeden Kunden
der Bank B überweisen, ohne dass etwas passiert oder eben an
einen Kunden der Bank A zurücküberweisen, womit dann die
Forderung der Bank B ggü. der Bank A aufgehoben wäre. In jedem
Fall geistern diese 1000 Euro im Bankensystem herum und können
für Zahlungen eingesetzt werden, ohne dass dafür
Zentralbankgeld zur Verfügung gestellt werden musste, da die
Banken einander ja Geld leihen.
Das ist so weit alles richtig, nur ist nur dann mehr Buchgeld in Umlauf, wenn die 1000 Euro nie an jemanden überwiesen werden, der selber einen Kredit auf dem Konto laufen hat, auf dem ds Geld eingeht. In der Praxis ist es so, daß die meisten Unternehmen auf ihren laufenden Konten im Soll sind.
Und dann gibt es noch die erwähnnte Einschränkung, daß nicht mehr Bargeld in Umlauf sein kann, als die Zentralbank an Liquidität an die Kreditinstitute gegeben hat, denn diese erhalten Bargeld nur durch Verfügung über bei der Zentralbank bestehende Guthaben.
Daraus würde ich schließen, dass solange
- das Geld vom Kunden nicht in bar abgehoben wird und
- die Geschäftsbanken einander Kredite gewähren
die Geschäftsbanken eben doch in der Lage sind, Geld zu
schaffen.
Richtig; ich hatte ja insofern meine ersten Aussagen auch schon korrigiert.
Gruß
Christian