Wieso brauchen Banken so viele neue Gelder?

Hallo Forum,

jetzt brauchen also auch die spanischen Banken Gelder, wahrscheinlich sogar EU Gelder. Als Grund wird genannt, dass sie auf faulen Forderungen sitzen, besonders dadurch, dass auch in Spanien eine Immobilienblase geplatzt ist.

Meine Frage: Wieso ist es so ein Problem, wenn einer Bank ein Kredit platzt?

Es ist doch so, dass Geschäftsbanken in dem Moment, in dem sie Kredite vergeben, Geld in der Höhe des Kredites neu als Giralgeld erschaffen. Dieses Giralgeld kann zwar zu einer anderen Bank transferiert worden sein (durch Überweisung), aber dass dem System der Banken grundsätzlich Gelder fehlen, die es selbst geschaffen hat, ist doch absurd - oder etwa nicht?

Danke für Eure Antworten.

Viele Grüße, Chris

Hallo,

Meine Frage: Wieso ist es so ein Problem, wenn einer Bank ein
Kredit platzt?

Liquidität weg, Eigenkapital weg. Da die EZB derzeit ohne Ende Liquidität ins System kippt, ist vor allem zweiteres das Problem.

Es ist doch so, dass Geschäftsbanken in dem Moment, in dem sie
Kredite vergeben, Geld in der Höhe des Kredites neu als
Giralgeld erschaffen.

Nein, das stimmt nicht.

Gruß
C.

Ich bin recht sicher, dass Geld bei der Kreditvergabe geschaffen wird. Soll das dann entstandene Guthaben an eine andere Bank transferiert werden, muss ggf. Zentralbankgeld angefordert werden, es sei denn, die Bank, an die das geschaffene Geld überwiesen werden soll, gewährt der überweisenden Bank einen Kredit in dieser Höhe. In diesem Fall ist das Geld im Prinzip völlig unabhängig von der ersten Bank geschaffen worden. Falls ich mich in diesem Zusammenhang vertue, lasse ich mich gerne belehren. Aber wie stimmt es dann?

Darüber hinaus frage ich mich, wieso mit Hilfsgeldern offensichtlich immer die Aktiva abgesichert, d.h. die faulen Forderungen ausgeglichen werden. Wäre es nicht viel sinnvoller, einfach die Verbindlichkeiten abzusichern. Damit würde man doch die Gläubiger der jeweiligen Bank absichern und die Bank könnte darüber hinaus ruhig pleite gehen.

Freue mich wiederum um jede Stellungnahme dazu!

Danke und Gruß!

Ich bin recht sicher, dass Geld bei der Kreditvergabe
geschaffen wird.

Nicht durch die Kreditvergabe eines einzelnen Kreditinstituts, sondern durch das Zusammenspiel von Kreditaufnahme, Zahlung an Dritte, Einzahlung von Guthaben und deren erneutes Verleihen durch ein weiteres Kreditinstitut. Geldschöpfung ist ein Vorgang, der durch das gesamte Bankensystem stattfindet und nicht durch ein einzelnes Kreditinstitut.

Hinzu kommt, daß die Bezeichnung Geldschöpfung irreführend ist. Die Menge der Nettoliquidität ist nämlich immer nur so hoch, wie die Gesamtsumme dessen, was sich die Kreditinstitute bei Notenbank (Geldmakrtgeschäfte), Unternehmen (Guthaben, Anleihen), Privatkunden (Guthaben, Anleihen) geliehen haben - zzgl. Eigenkapital und abzgl. nicht liquider Anlageformen (z.B. Immobilien, Büroeinrichtung usw.).

Tatsächlich liegt die Nettoliquidität sogar noch darunter, weil ja nicht jedes an Kunden (Kredite), Mitarbeiter (Gehälter) und Lieferanten (Bezahlung der Rechnung) ausgezahlte Geld wieder bei einem anderen Kreditinstitut angelegt wird.

Wie ich schon schrieb, ist die Liquidität aber nicht das Problem in Spanien, weil die EZB praktisch unbegrenzt Geld bereitstellt. Das Problem ist das Eigenkapital, weil Wertberichtigungen und Abschreibungen zu Verlusten führen und diese Verluste das Eigenkapital der Kreditinstitute mindern.

Darüber hinaus frage ich mich, wieso mit Hilfsgeldern
offensichtlich immer die Aktiva abgesichert, d.h. die faulen
Forderungen ausgeglichen werden.

Nein, es soll das Eigenkapital erhöht werden. Das hat nicht direkt etwas mit den faulen Krediten zu tun.

Wäre es nicht viel
sinnvoller, einfach die Verbindlichkeiten abzusichern. Damit
würde man doch die Gläubiger der jeweiligen Bank absichern und
die Bank könnte darüber hinaus ruhig pleite gehen.

Das ist - neben Eigenkapital und Liquidität - wieder ein anderer Blickwinkel. Alledings ist ja das Eigenkapital die Differenz zwischen Vermögen und Schulden. Schrumpft der Wert des Vermögens (faule Kredite), schrumpft auch das Eigenkapital (über die Abschreibungen und Wertberichtigungen.

Ist das Eigenkapital groß genug, dann reicht das Vermögen zur Begleichung der Schulden (Guthaben der Kunden, ausgegebene Wertpapiere usw.) aus. Schrumpft das Eigenkapital aufgrund von Verlusten, werden die Schulden (=Einlagen) unsicherer. Das Eigenkapital ist also der Puffer für die Gläubiger der Kreditinstitute. Nicht zuletzt das ist der Grund, warum man das Eigenkapital nun wieder aufstocken will.

Darüber hinaus existiert in Spanien auch eine Einlagesicherung für den Fall, daß ein Kreditinstitut nicht mehr auszahlen kann. Hat Spanien dafür im Ernstfall nicht genug Geld, kann es sich das dann immer noch beim IWF und der EU besorgen.

Vorab Geld dafür beseitezulegen scheitert schon an zwei Problemen: welchen Betrag soll man veranschlagen und wo soll man diese Sicherheit dann hinterlegen? Bei einem spanischen Kreditinstitut? Und wenn man sich das traut: was macht das Kreditinstitut in der Zwischenzeit mit dem Geld? Anlegen (und wenn das, in was?), als Kredite vergeben oder unverzinst rumliegen lassen?

Gruß
C.

Ich bin recht sicher, dass Geld bei der Kreditvergabe
geschaffen wird.

Noch eine Ergänzung: wenn hier Geld im Sinne von Geldmenge gemeint ist, dann wird diese nur dann wachsen, wenn der zur Verfügung gestellte Kredit direkt wieder als Guthaben angelegt oder in bar ausgezahlt wird.

Eine Geldmengenausweitung findet dann statt, wenn mit dem Kredit etwas bezahlt wird und der Empfänger des Geldes dieses dann in Form von Guthaben anlegt oder über den überwiesenen Betrag in bar verfügt.

Ich will deshalb klarstellen, daß eine reine Kreditvergabe keine Geldvermehrung darstellt, weil a) das Gerücht kursiert, Kreditinstitute würden eigenmächtig das Land mit selbst geschaffenem Geld fluten (was falsch ist; siehe dazu auch meine Ausführungen zur Nettoliquidität) und b) die Gefahr durch zu viel Geld nicht von den Kreditinstituten, sondern von den Notenbanken ausgeht.

Natürlich gibt es die theoretische Obergrenze des durch die Kreditinstitute zu schaffenden Geldes, die sich aus dem Mindestreservesatz ableitet - nur ist diese zu keiner Zeit auch nur ansatzweise erreicht worden. Es fehlt den Kreditinstituten dafür schlichtweg an Kunden und erst recht fehlt es an Kunden, die vergebene Kredite dergestalt verwenden, daß die Geldmenge dadurch wirklich ansteigt.

Gruß
C.

ich finds ja ohnehin einen witz, dass diejenigen, die geld verleihen, selbst welches brauchen… o_O

DAS IST DER WITZ SCHLECHTHIN! oh mann^^^

Hallo exc,

vielen Dank für deine ausführlichen Antworten! Deine Erklärungen sind für mich recht plausibel, trotzdem nochmals zwei Rückfragen:

Wenn der Mindestreservesatz sowieso nie ausgeschöpft wurde, wieso wurde dieser dann Anfang diesen Jahres von 2 % auf 1 % gesenkt?

Und dann mal folgendes Szenario zur Geldschaffung durch das Finanzsystem:

Angenommen, in einer Modell-Volkswirtschaft gebe es eine Zentralbank und nur zwei Geschäftsbanken A und B. Mindestreserve sei nicht ausgeschöpft, d.h. es können Kredite in beliebiger Höhe von jeder der Geschäftsbanken vergeben werden.

Herr a nimmt bei Bank A einen Kredit i.H.v. 1000 € auf und bekommt diesen auf seinem Girokonto gutgeschrieben. Er kauft sich dafür einen Kühlschrank beim Herrn b, der sein Girokonto bei der Bank B hat, und a überweist die 1000 € entsprechend. Da Bank A aktuell keine liquiden Mittel (in Form von Zentralbankgeld) zur Verfügung stehen, sie aber Bank B nun 1000 € überweisen muss, wird Bank A von Bank B ein Kredit gewährt (also keine Krisenzeiten, d.h. die Banken vertrauen einander soweit).
Herr b kann diese 1000 Euro nun doch sowohl an jeden Kunden der Bank B überweisen, ohne dass etwas passiert oder eben an einen Kunden der Bank A zurücküberweisen, womit dann die Forderung der Bank B ggü. der Bank A aufgehoben wäre. In jedem Fall geistern diese 1000 Euro im Bankensystem herum und können für Zahlungen eingesetzt werden, ohne dass dafür Zentralbankgeld zur Verfügung gestellt werden musste, da die Banken einander ja Geld leihen.

Daraus würde ich schließen, dass solange

  1. das Geld vom Kunden nicht in bar abgehoben wird und
  2. die Geschäftsbanken einander Kredite gewähren

die Geschäftsbanken eben doch in der Lage sind, Geld zu schaffen.

Wo ist in diesem Szenario der Fehler?

Nochmals danke für deine Erklärungen und viele Grüße!

Chris

Hallo,

Wenn der Mindestreservesatz sowieso nie ausgeschöpft wurde,

ich glaube, es ist noch eine Erklärung zur Mindestreserve notwendig. Die Mindestreserve ist abhängig von der Höhe der von Kunden hereingenommenen Einlagen sowie der ausgegebenen Schuldverschreibungen. Wir befinden uns also auf der Passivseite der Bilanz und nicht auf der Aktivseite, wo die vergebenen Kredite zu finden sind.

Insofern kann man nicht davon sprechen, daß der Mindestreservesatz nicht ausgeschöpft wurde. Was Du vermutlich meinst, ist das Geldschöpfungspotential, was in der Tat nie ausgereizt wurde.

wieso wurde dieser dann Anfang diesen Jahres von 2 % auf 1 %
gesenkt?

Wer weiß das schon. Die EZB kommt auf die tollsten Ideen, um die Märkte und die Banken zu beruhigen. Ob man zusätzlich zu den hunderten Milliarden Liquidität, die eigentlich niemand braucht, noch ein vergleichsweise unbedeutendes Rädchen ein bißchen lockert, ist ziemlich wurscht.

Angenommen, in einer Modell-Volkswirtschaft gebe es eine
Zentralbank und nur zwei Geschäftsbanken A und B.
Mindestreserve sei nicht ausgeschöpft, d.h. es können Kredite
in beliebiger Höhe von jeder der Geschäftsbanken vergeben
werden.

Da liegt schon der erste Trugschluß: die Höhe der maximal zu vergebenden Kredite wird ja nicht nur durch die Mindestreserve eingeschränkt, sondern auch durch andere Faktoren: Liquidität, Eigenkapital usw.

Herr a nimmt bei Bank A einen Kredit i.H.v. 1000 € auf und
bekommt diesen auf seinem Girokonto gutgeschrieben. Er kauft
sich dafür einen Kühlschrank beim Herrn b, der sein Girokonto
bei der Bank B hat, und a überweist die 1000 € entsprechend.
Da Bank A aktuell keine liquiden Mittel (in Form von
Zentralbankgeld) zur Verfügung stehen, sie aber Bank B nun
1000 € überweisen muss, wird Bank A von Bank B ein Kredit
gewährt (also keine Krisenzeiten, d.h. die Banken vertrauen
einander soweit).

In diesem Szenario müßte Bank B der Bank A aber aktiv einen Kredit gewähren, d.h. ihr Geld überweisen, weil die Überweisung an Herrn B über die Zentralbank abgewickelt wird und für die Überweisung Bank A ein Guthaben in ausreichender Höhe bei der Zentralbank haben müßte.

Um den geliehenen Betrag reduziert sich aber das Guthaben von Bank B bei der Zentralbank. Insofern würde sich die im System umlaufende Liquidität in einem ersten Schritt wieder reduzieren, was allerdings die Geldmenge nach den üblichen Definitionen nicht reduziert.

Herr b kann diese 1000 Euro nun doch sowohl an jeden Kunden
der Bank B überweisen, ohne dass etwas passiert oder eben an
einen Kunden der Bank A zurücküberweisen, womit dann die
Forderung der Bank B ggü. der Bank A aufgehoben wäre. In jedem
Fall geistern diese 1000 Euro im Bankensystem herum und können
für Zahlungen eingesetzt werden, ohne dass dafür
Zentralbankgeld zur Verfügung gestellt werden musste, da die
Banken einander ja Geld leihen.

Das ist so weit alles richtig, nur ist nur dann mehr Buchgeld in Umlauf, wenn die 1000 Euro nie an jemanden überwiesen werden, der selber einen Kredit auf dem Konto laufen hat, auf dem ds Geld eingeht. In der Praxis ist es so, daß die meisten Unternehmen auf ihren laufenden Konten im Soll sind.

Und dann gibt es noch die erwähnnte Einschränkung, daß nicht mehr Bargeld in Umlauf sein kann, als die Zentralbank an Liquidität an die Kreditinstitute gegeben hat, denn diese erhalten Bargeld nur durch Verfügung über bei der Zentralbank bestehende Guthaben.

Daraus würde ich schließen, dass solange

  1. das Geld vom Kunden nicht in bar abgehoben wird und
  2. die Geschäftsbanken einander Kredite gewähren

die Geschäftsbanken eben doch in der Lage sind, Geld zu
schaffen.

Richtig; ich hatte ja insofern meine ersten Aussagen auch schon korrigiert.

Gruß
Christian