Wieso gibt es keine E-Autos mit nur 50 km Reichweite?

Ich glaube nicht, dass es besonders viele SUV-Fahrer gibt, die meinen, sie bräuchten einen SUV (no ja, mal abgesehen von einzelnen Leuten in den Mittelgebirgen, bei denen das angesichts ihrer Beschäftigung nicht so ganz von der Hand zu weisen ist).

Schöne Grüße

MM

Vielleicht drei Prozent der Bevölkerung leben an Orten, an denen eine Familie überhaupt ein Auto braucht .

Klar … wenn man in einer Großstadt wohnt und auch dort arbeitet (und der Arbeitsort und/oder Wohnort nicht in einer ÖPNV-verlassenen Randzone liegt) ist das natürlich alles komplett problemlos. Aber ich bezweifle die 3% ziemlich energisch … laut dieser Quelle sind es (je nach Definition) um die 15% … 27% …

Aber wenn man irgendwo auf dem Land wohnt und auch nur im nächsten Dorf arbeitet, ist man ohne Auto komplett angesch***n. Oder man bringt beim Pendeln seine komplette Freizeit in Öffis oder an der Haltestelle zu. Voll geil.

Gilt natürlich auch wenn man draussen vor der Stadt wohnt, wo man für den Preis einer Großstadt-Abstellkammer locker ein ganzes EFH kaufen/mieten kann …

Und 50km Reichweite ? Unfug. Das reicht vielleicht für einen motorisierten Rollstuhl oder einen Rentner-Buggy.

Und das ödeste an den Elektrokarren ist die Tatsache, dass man selbst mit Schnellladern mindestens 'ne Stunde Pause hat, wenn die Batterie mal leer ist … sofern man 'ne freie Ladesäule vorfindet.

Alles nicht wirklich durchdacht, mit den Stromern … da gibt es noch mehr Punkte, aber ich will ja hier keie Romane absondern …

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Hallöchen,

die von uns aus gesehen nächstgelegenen Zentren sind Grevenbroich und Mönchengladbach. In Mönchengladbach wird m.W. nur noch in Tättowierungs- und Nagelstudios sowie in der öffentlichen Verwaltung (inkl. Jobcenter) gearbeitet und in Grevenbroich hält sich die Zahl der Kreditinstitute auch in Grenzen. Wir pendeln also nach Düsseldorf und dort arbeiten wir auch nicht im Zentrum.

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln berechnet mir Google Maps für eine Strecke (immerhin knapp über 30 Kilometer) aktuell Reisezeiten von 1:50-2:10 Minuten, in Gegenrichtung sind es 1:50-1:55.

Nun kann man natürlich der Ansicht sein, daß das ein vertretbarer Aufwand ist, gegen den man auch noch die geschonte Umwelt rechnen muß. Ich bin der Ansicht tatsächlich nicht, zumal das dann mit der Kinderbetreuung ein bißchen schwierig ist. Selbst, wenn man mal spaßeshalber annimmt, daß Bund und Bahn ganz viel unternehmen, um die Reisezeit auf eine Stunde zu verkürzen (was total unrealistisch ist, aber für ein Gedankenexperiment…), heißt das natürlich nicht, daß sich die faktische Reisezeit auf eine Stunde beschränkt. Erstens muß man in beide Richtungen Puffer einplanen, falls mal eine U-Bahn ausfällt oder eine Ampel rot ist.

Außerdem ist nicht der Abreisezeitpunkt der Fixpunkt, sondern der Zeitpunkt der Ankunft. Will sagen: ich kann zehn Minuten früher oder später von zu Hause oder der Arbeit losfahren, aber ich muß zu bestimmten Zeiten bei der Arbeit und vor allem beim Kindergarten sein und zwar bei ersterer möglichst früh und bei letzterem möglichst spät (damit ich zwischendurch mal arbeiten kann), aber unbedingt spätestens um kurz vor halb fünf.

Um nicht zu sehr in die Details zu gehen: wir hatten eine Zeitlang ein Kind und arbeiteten beide Vollzeit und wir hatten Nachbarn, die das Kind schon einmal abholten. Selbst mit dem Auto und insofern maximal zwei Stunden Fahrtzeit pro Tag, war es echt Streß, sowohl auf die notwendigen 39 Stunden Arbeitszeit zu kommen und als auch das Kind zu vertretbaren bzw. den vertraglich vereinbarten Zeiten entgegenzunehmen.

Inzwischen arbeite ich in Teilzeit und wir beide jeweils einen Tag von zu Hause. Das haut dann mit zwei Autos schon relativ entspannt hin. Aber nur mit einem oder gar beide mit den Öffis…? Keine Chance, wenn man nicht im Wechsel um vier Uhr morgens aufstehen will und sich daher dann abends allenfalls noch eine halbe Stunde sieht, ohne daß dabei ein Kind herumlungert.

Und wie gesagt: wir haben einen Anreiseweg von 30 Kilometern und leben nicht in der Pampa. Ganz normaler Vorort mit eigenem Bahnhof. Nur muß man halt erst einmal zum Bahnhof und einen Platz auf dem viel zu kleinen Parkplatz finden. Dann fährt man bis zur nächsten Stadt und steigt um. Dann fährt man zum Hbf und steigt in die U-Bahn um (also in die erste, in der Platz ist, was zu Messezeiten schon einmal dauern kann). Und anschließend geht man noch einmal gut zehn Minuten zu Fuß.

Nota bene: das Kaff eine gute Handvoll von Ortsteilen, von denen aus man nochmal mit dem Bus fahren muß (zwischen 10 und 25 Minuten, über den Daumen gepeilt). Da kommt man mit zweieinhalb Stunden kaum hin - aber bei den Ortsteilen stimmt selbstredend die zitierte Statistik mit dem Weg bis zum nächsten Zentrum. Und die wird auch stimmen bei anderen Käffern, die noch ein bißchen weiter von Düsseldorf oder Köln oder anderen Großstädten entfernt sind.

Und das ist es, was mich am Ende ein bißchen wütend macht, wenn man nämlich insbesondere von Politikern, die in ihrem Leben, aber zumindest in den letzten zehn Jahren zu einem Großteil noch keiner geregelten Tätigkeit außerhalb der Politik nachgegangen sind, vorgerechnet bekommt, was man alles tun könnte, um umweltbewußter, d.h. insbesondere ohne Auto, leben könnte.

Die Straßen sind voll mit Leuten, die lieber eine Stunde im Stau stehen als zwei Stunden mit der Bahn zu fahren uns zwar überall. Die Leute sind zum größten Teil nicht zu blöd oder zu faul, um sich die Bahnverbindungen rauszusuchen und diese dann zu nutzen. Natürlich gibt es ein paar, die für zehn Minuten Vor- oder Nachteil nicht mit der Bahn fahren würden. Aber der Rest hat seine guten Gründe. Sei es, daß sie erst ins Büro und dann zu drei Kunden fahren; sei es, daß sie die gleichen Verpflichtungen haben, wie wir; sei es, daß sie auch zu Zeiten fahren müssen, zu denen Bus und Bahn nicht fahren usw.

Das ganze Thema ist inzwischen so aufgeheizt, wird so aufgeregt diskutiert, daß die Sachlichkeit und auch der Blick auf die Realität oftmals auf der Strecke bleibt. Weil es gerade so gut paßt: neulich las ich einen netten Artikel darüber, daß einige Handelsketten auf eingeschweißte Gurkten verzichten, der Umwelt zuliebe und weil die Kunden das so wollen. Gesagt getan. Die Gurkensaison in Deutschland endet irgendwann September/Oktober und damit steigt die Reisezeit der Gurken rapide an und was machen eingeschweißte Gurken, die lange unterwegs sind? Sie gehen schleichend von einer harten, knackigen Gurke in eine weiche, hängende Gurke über. Und überraschenderweise wollten die Kunden die Exemplare umso weniger, je weiter die Gurke vom Idealzustand entfernt war und so stieg dann die Entsorgungsquote bei nicht eingeschweißten Gurken auf irgendwas um die 30%. Wahrscheinlich darf man das wieder keinem Politiker erzählen, bevor der dann auf die Idee kommt, Gurkenimporte zu verbieten.

Aber zurück zu den öffentlichen Verkehrsmitteln und der allgemeinen Verkehrssituation: in Düsseldorf hat man mittlerweile diverse Umweltspuren eingerichtet, die vordergründig dazu dienen, umweltfreundlichem Verkehr Priorität einzuräumen, aber praktisch nur eine Verkehrsverdrängung bewirken, d.h. Autofahrer sollen die Stadt meiden, aber zumindest nicht die Routen nehmen, an denen die Meßcontainer stehen.

Ich habe bisher niemanden getroffen oder gar gesehen, der es als Radfahrer gewagt hätte, diese Umweltspuren zu nutzen, u.a., weil er sich diese ja mit Bussen und Taxen teilen muß. Außerdem besteht gar keine Notwendigkeit die Umweltspuren als Radfahrer zu nutzen, weil es parallel zu den Umweltspuren auch Radwege gibt. Diese verkehrspolitische Meisterleistung, die die Fahrtdauer auf den fraglichen Strecken teilweise vervielfacht (bei gleicher gefahrener Kilometerleistung = mehr Schadstoffe, aber zumindest zum Teil woanders), beruht auf einem seit etwa zehn Jahren bekannten Problem, was die Stadt aber nicht veranlaßt hat, den ÖPNV wahrnehmbar zu stärken.

Hinzu kommt, daß es auch gar keine sinnvollen Konzepte gibt, weil die Leute, die sich an den Diskussionen beteiligen, offensichtlich nie gependelt sind oder ihr Hirn mitsamt ihren Erfahrungen beim Betreten ihrer Büros an der Tür abgeben. Für jemanden, der 30 Kilometer pendelt, bringt es nichts, wenn die Taktzeiten der U-Bahnen verkürzt werden. Es bringt auch nichts, die im Stau stehenden Busse öfter fahren zu lassen. Es bringt auch nichts, die S-Bahn-Takte zu verkürzen.

Das Problem besteht nämlich darin, daß bei den Leuten „vor der Tür“ keine Bahn hält und daß sie - falls doch - aus der Bahn nicht schnell genug in den innerstädtischen Nahverkehr wechseln können bzw. für den Wechsel zu große Umwege erforderlich sind.

Das, was wirklich hilft, sind also riesige, hervorragend angeschlossene und sichere P+R-Plätze. Wir brauchen mehr direkte Zugverbindungen in die Vorstädte (kleines Beispiel: Ratingen-Lintorf ist seit gut 40 Jahren eine klassische Schlafstadt von Düsseldorf und liegt an einer gedachten Linie von Duisburg bis Düsseldorf, an der sich noch Ratingen-West und einige Stadtteile von Düsseldorf befinden. Seit wenigstens 30 Jahren wird über eine S-Bahn diskutiert und es gibt sie bis heute nicht. Wohlgemerkt: eine durchgängige mindestens zweigleisige Bahnstrecke ist vorhanden, wird aber nur für den Güterverkehr genutzt.) und wir brauchen mehr innerstädtische Halte der regionalen Bahnen, die entsprechend gut an die innerstädtischen Systeme angeschlossen sind. Und nicht zuletzt brauchen wir großflächig überdachte Übergangs- und Wartebereiche, damit nicht nur die ersten fünf Pendler Schutz vor Sonne, Gewitter, Schnee und Regen finden, sondern alle. Es hat schließlich schon seinen Grund, warum es auf den Straßen an Regentagen und an besonders heißen Tagen wesentlich voller ist als sonst.

So, das war es für den Moment. Danke für die Geduld.

Gruß
C.

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Falls die Dörfer nicht in Bayern, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz liegen - aber ich wiederhole mich…

Schöne Grüße

MM