Wieso ist F=ma und nicht mv?

Guten Abend zusammen,
wieso ist Kraft das Produkt aus Masse und Beschleunigung, und nicht Masse und Geschwindigkeit?

Sehr einfaches Beispiel:
Fall 1: Der Fahrer eines PKW fährt auf der Autobahn mit 200 Sachen und nickt ein - vielleicht, weil er am Tag zuvor zu lange im WWW Board gelesen hat. Jedenfalls kommt er von der Straße ab und fährt genau auf eine Mauer zu. 200 Meter davor schreckt er plötzlich auf und merkt was passiert, tritt voll auf die Bremse.
Zum Zeitpunkt, in dem er in der Mauer einschlägt, hat das Auto doch eine negative Beschleunigung (wird abgebremst), oder nicht?

Fall 2: Er hat den Tempomaten eingeschalten und wacht nicht auf, kracht also mit 200 Sachen in die Mauer. Die Beschleunigung ist 0, somit wäre dann rechnerisch doch auch die Kraft, die auf die Mauer wirkt gleich 0?

Fall 3: Das Gaspedal klemmt. Sagen wir mal das Auto beschleunigt also gleichmäßig weiter, die Geschwindigkeit nimmt zu. Nach dieser Formel würde es dann doch keinen Unterschied machen ob man mit 1 km/h oder 350 km/h in etwas kracht, solange die Beschleunigung die selbe ist.

Vielen Dank!

Hallo,

Zum Zeitpunkt, in dem er in der Mauer einschlägt, hat das Auto
doch eine negative Beschleunigung (wird abgebremst), oder
nicht?

Nicht wirklich.
Kraft, Beschleunigung und Geschwindigkeit sind gerichtete Größen und werden mit Vektoren beschrieben.

\vec F = m \cdot \vec a

Eine Beschleunigung oder Bewegung kann ja in der Realität in jede beliebige Richtung erfolgen, du kannst dich ja schließlich z.B. nach Nord/Süd, West/Ost und oben/unten bewegen oder eine Bewegung ausführen, die eine Mischung aus all diesen Richtungen ist (z.B. ein nach Nord-Osten fliegendes, steigendes Flugzeug).

In der Physik definiert man sich dafür z.B. für den 3-dimensionalen Fall ein 3-dimensionales Koordinatensystem und die Vektoren geben an, in welcher Richtung der 3 Achsen welcher Anteil der Bewegung erfolgt.

Meist kürzt man die Achsen dabei mit Buchstaben ab, z.B. statt der Achsen Nord/Süd, West/Ost und oben/unten nennen wir sie dann einfach x-, y- und z-Achse.

Ein 3-dimensionaler Geschwindigkeits-Vektor würde dann z.B: so aussehen:

\vec v = \left(\begin{array}{c}x\y\z\end{array}\right) \frac{km}{h}

Ein positiver x-Wert würde dann z.B. bedeuten, dass ein Teil der Bewegung nach Norden erfolgt, ein negativer x-Wert entsprechend nach Süden. Für die anderen beiden Achsen ist das analog.

Die Geschwindigkeit wird also in ihre einzelnen Komponenten entlang der definierten Achsen zerlegt. Um die Gesamtgeschwindigkeit unabhängig von der Richtung zu bekommen (deine 200 km/h) muss man nun den Betrag des Vektors bilden. Der berechnet sich z.b im 3-dimensionalen Fall so:

|\vec x| = |\left(\begin{array}{c}x\y\z\end{array}\right)| \frac{km}{h} = \sqrt{x^2 + y^2 + z^2}

Der Betrag ist also immer positiv, da die Quadratur auch negativer Werte immer positiv ist.

Du betrachtest mit deiner Rechnung aber nur den 1-dimensionalen Fall, d.h. dein Auto kann sich z.B. nur nach vorne/hinten bewegen, da es nur eine Achse gibt. Der Vektor hat also nur eine Komponente. Eine Geschwindigkeit von -200 km/h heißt also nur, dass die x-Komponente des Vektors in die entgegen gesetzte Richtung zeigt, also die einer positiven Geschwindigkeit.

Willst du einen reinen Zahlenwert für die Gesamtgeschwindigkeit des Autos unabhängig von der Richtung zu bekommen, musst du nun den Betrag des Vektors bilden.
|\vec x| = |\left(\begin{array}{c}x\end{array}\right)| \frac{km}{h} = \sqrt{x^2} = |x|

In deinem 1-dimensionalen Spezialfall entspricht der Betrag des Vektors also einfach dem Betrag der Zahl x, und der ist immer positiv. Der Wert der Beschleunigung ist daher auch immer positiv, egal ob du von rechts oder links gegen die Wand fährst.

Oft werden in diesem vereinfachten Fall oft die Vektor-Klammern weggelassen, was aber eigentlich falsch ist. Solange man weiß, bei welchen Größen es sich um Vektoren handelt, ist das noch kein Problem, aber schlampig, denn wenn man das nicht weiß, dann führt das zu Problemen. Daher ist es sauberer, die Vektoren in der Rechnung auch als Vektoren kenntlich zu machen (mit dem kleinen Pfeil über dem Buchstaben).

Fall 2: Er hat den Tempomaten eingeschalten und wacht nicht
auf, kracht also mit 200 Sachen in die Mauer. Die
Beschleunigung ist 0, somit wäre dann rechnerisch doch auch
die Kraft, die auf die Mauer wirkt gleich 0?

Die Beschleunigung ist nicht 0, wenn du gegen die Mauer fährst. Die Beschleunigung ist nur 0 während du mit 200 Sachen schön dahin gleitest. Sobald du auf die Mauer triffst, wird dein Auto ja in Sekundenbruchteilen abgebremst, d.h. du hast eine enorme Geschwindigkeitsveränderung in dieser kurzen Zeit (=Beschleunigung).

Fall 3: Das Gaspedal klemmt. Sagen wir mal das Auto
beschleunigt also gleichmäßig weiter, die Geschwindigkeit
nimmt zu. Nach dieser Formel würde es dann doch keinen
Unterschied machen ob man mit 1 km/h oder 350 km/h in etwas
kracht, solange die Beschleunigung die selbe ist.

Du verwechselst auch hier die Beschleunigung mit der du das Auto schneller machst mit der Beschleunigung, die dein Auto beim Aufprall an die Wand erfährt. Das sind doch ganz offensichtlich zwei verschiedene Dinge. Beschleunigung ist einfach Geschwindigkeitsänderung pro Zeit. Um von 0 auf 200 km/h zu kommen, musst du lange Gas geben, sagen wir 20 Sekunden. Die Beschleunigung ist also (wenn wir annehmen dass du linear beschleunigst) 10 km/h pro Sekunde.

Wenn du gegen die Wand fährst, dann wirst du aber in einem Bruchteil einer Sekunde von 200 auf 0 abgebremst, sagen wir in 0,05 Sekunden. Das ist eine Beschleunigung von 4000 km/h pro Sekunde (!). Die Beschleunigung beim Aufprall ist also 400x so stark, wie beim Gas geben im Auto und daher ist die Kraft die beim Aufprall auf dich wirkt auch um 400x stärker. Deshalb drückt es dich beim Gas geben auch nur ein bisschen in den Sitz, beim Aufprall gegen die Mauer bricht es dir dagegen alle Knochen.

Wenn du dagegen ganz normal von 200 km/h auf 0 km/h abbremst, dann ist die Beschleunigung viel geringer und es passiert dir nichts. Wäre die Kraft von der Geschwindigkeit abhängig, dann wäre die Kraft auf dich beim normalen abbremsen ja die gleiche, wie beim Aufprall gegen die Mauer. Das kann ja wohl offensichtlich nicht ganz stimmen :wink:

vg,
d.

Danke!
Daran habe ich zu so später Stunde in der Tat nicht gedacht.
Wenn ich also die Kraft berechnen wollte die auf die Wand wirkt, müsste ich für den Vektor a die Beschleunigung einsetzen, die durch den Aufprall entsteht, richtig?
Angenommen die Mauer könnte nicht die gesamte kinetische Energie aufnehmen und zerbräche, so würde Mauer und Auto die selbe (geringere als im vorigen Beispiel) Kraft (in entgegengesetzten Richtungen) aufnehmen und den „Rest“ würde das Auto in weiterer Vorwärtsbewegung umsetzen (Reibung etc vernachlässigt)?

Angenommen die Mauer könnte nicht die gesamte kinetische Energie aufnehmen und zerbräche, so würde Mauer und Auto die selbe (geringere als im vorigen Beispiel) Kraft (in entgegengesetzten Richtungen) aufnehmen

Achtung: Energie ungleich Kraft
Eine Kraft [N] wirkt auf etwas, Energie [J=Nm] kann aufgenommen werden. Eine Kraft (wenn sie nicht durch weitere Kräfte (Vektoren beachten) aufgehoben wird) bewirkt eine Änderung eines Zustandes. Die Energie ist Teil der Bescheibung eines Zustandes. In der Mechanik bewirkt eine resultierende Kraft eine Energieübertragung von einem System auf ein Anderes.

und den „Rest“ würde das Auto in weiterer Vorwärtsbewegung umsetzen (Reibung etc vernachlässigt)?

Ohne Reibung etc würden keine Kräfte (außer Gravitation) mehr wirken, aber viele Teile fliegen in viele Richtungen.

Hi,

der Herr Isaac Newton hatte die revolutionäre Idee, den Ruhezustand eines Körpers als die gleichmäßige geradlinige Bewegung zu definieren. Um dieses zu ändern, muss eine Kraft aufgewandt werden.

Also entspricht die Kraft einer Geschwindigkeitsänderung, und da alles schön glatt sein soll, ist diese eine Beschleunigung. Die Kraft proportional zur Masse zu definieren ist dann wieder ein einfaches Gedankenspiel von Galilei, indem man zwei gleiche Körper erst einzeln und dann als Verbund betrachtet.

Und nun kann man sich aufmachen und für alle möglichen Vorgänge die Kräfte identifizieren. Newtons Ansatz war erfolgreich, da sich mit einfachen Formeln bzw. Prinzipien für Kräfte komplizierte Vorgänge beschreiben ließen, insbesondere die elliptischen Planetenbahnen, und auch deren Abweichungen (Pluto-Neptun) durch die Anziehung der Planeten untereinander.

Gruß Lutz

Hallo,

nicht Masse und Geschwindigkeit?

Weil sich damit nicht die Einheit N für die Kraft ergibt.

Gruß:
Manni

Guten Abend zusammen,
wieso ist Kraft das Produkt aus Masse und Beschleunigung, und
nicht Masse und Geschwindigkeit?

weil eine Masse mit einer Geschwindigkeit keine Kraft hat. Die Kraft ist null.

Weil mv der Impuls ist.

smalbop