Wieviele Triebe hat der Mensch?

Liebe ExpertInnen,

gleich vorweg: Die Frage ist nicht biologisch gemeint. Mir ist kürzlich der Begriff „Schweißtrieb“ begegnet, gemeint war die Neigung zu Schweißausbrüchen, sei es im Zorn, aus Angst oder wegen der Wechseljahre. Ist das ein Trieb? Mir ist nur der Geschlechtstrieb geläufig; selbst die unwillkürlichen körperlichen Zwänge werden nicht als Trieb, sondern als Drang bezeichnet. Der Schweißtrieb klingt wie eine arg verunglückte Substantivierung. Wer weiß was?

Gruß Ralf

Lieber Ralf,

so sagt es Schiller:

_Die Weltweisen

Der Satz, durch welchen alles Ding
Bestand und Form empfangen,
Der Nagel, woran Zeus den Ring
Der Welt, die sonst in Scherben ging,
5 Vorsichtig aufgehangen,
Den nenn’ ich einen großen Geist,
Der mir ergründet, wie er heißt,
Wenn ich ihm nicht drauf helfe —
Er heißt: Zehn ist nicht Zwölfe.

10 Der Schnee macht kalt, das Feuer brennt,
Der Mensch geht auf zwei Füßen,
Die Sonne scheint am Firmament,
Das kann, wer auch nicht Logik kennt,
Durch seine Sinne wissen.
15 Doch wer Metaphysik studiert,
Der weiß, daß, wer verbrennt, nicht friert,
Weiß, daß das Nasse feuchtet
Und daß das Helle leuchtet.

Homerus singt sein Hochgedicht,
20 Der Held besteht Gefahren;
Der brave Mann thut seine Pflicht
Und that sie, ich verhehl’ es nicht,
Eh noch Weltweise waren.
Doch hat Genie und Herz vollbracht,
25 Was Lock’ und Des Cartes nie gedacht,
Sogleich wird auch von diesen
Die Möglichkeit bewiesen.

Im Leben gilt der Stärke Recht,
Dem Schwachen trotzt der Kühne,
30 Wer nicht gebieten kann, ist Knecht;
Sonst geht es ganz erträglich schlecht
Auf dieser Erdenbühne.
Doch wie es wäre, fing’ der Plan
Der Welt nur erst von vornen an,
35 Ist in Moralsystemen
Ausführlich zu vernehmen.

„Der Mensch bedarf des Menschen sehr
Zu seinem großen Ziele;
Nur in dem Ganzen wirket er,
40 Viel Tropfen geben erst das Meer,
Viel Wasser treibt die Mühle.
Drum flieht der wilden Wölfe Stand
Und knüpft des Staates dauernd Band.“
So lehren vom Katheder
45 Herr Puffendorf und Feder.

Doch weil, was ein Professor spricht,
Nicht gleich zu Allen dringet,
So übt Natur die Mutterpflicht
Und sorgt, daß nie die Kette bricht
50 Und daß der Reif nie springet.
Einstweilen, bis den Bau der Welt
Philosophie zusammenhält,
Erhält sie das Getriebe
Durch Hunger und durch Liebe. _

Mir ist nur der Geschlechtstrieb geläufig;

Je nach Einteilung (weil es Überschneidungen gibt) werden 7 bis 9 Haupt-Triebe also „Primär-Instinkte“ als direkte oder indirekte Antriebsquellen jeder (menschlichen) Tätigkeit mit jeweils einer charakteristischen Basis-Emotion angeführt:

Reproduktionsinstinkt = Fortpflanzungs- Sexualtrieb
Selbsterhaltungstrieb = Fluchtinstinkt (Furcht) Abwehrinstinkt (Ekel)
Forschungstrieb (Neugier = „Wissenserweiterungs- Lerntrieb“
Aggressionstrieb (Kampfinstinkt)
Selbstbehauptungstrieb (Dominanzinstinkt)
Unterwerfungstrieb (Selbsterniedrigung)
Pflegetrieb (Fürsorglichkeit für Nachkommen, „Mutterinstinkt“)
Nachahmungstrieb Lernverhalten = „Herdentrieb“
Konstruktionsinstinkt = „Schaffenstrieb“

die unwillkürlichen körperlichen Zwänge werden nicht als Trieb, sondern als Drang

Glaube ich auch. Die Bezeichnung „Schweißtrieb“ dürfte eher darauf zurückgehen, dass es einem den Schweiß heraus „treibt“. Wahrscheinlich wäre „Schweißdrang“ (wie „Harndrang“) richtiger.

(nicht ganz „akademische“ Erklärung, bitte um milde Nachsicht! :smile:

Hi Michael,

Reproduktionsinstinkt = Fortpflanzungs- Sexualtrieb
Selbsterhaltungstrieb = Fluchtinstinkt (Furcht)
Abwehrinstinkt (Ekel)
Forschungstrieb (Neugier = „Wissenserweiterungs- Lerntrieb“
Aggressionstrieb (Kampfinstinkt)
Selbstbehauptungstrieb (Dominanzinstinkt)
Unterwerfungstrieb (Selbsterniedrigung)
Pflegetrieb (Fürsorglichkeit für Nachkommen, „Mutterinstinkt“)
Nachahmungstrieb Lernverhalten = „Herdentrieb“
Konstruktionsinstinkt = „Schaffenstrieb“

schöne Aufstellung! Mit Abwehrinstinkt, Aggressionstrieb, Unterwerfungstrieb und Konstruktionsinstinkt komme ich allerdings nicht ganz klar: Ein Trieb, nehme ich an, dient dem Überleben, sei es dem eigenen oder dem der Art. Dazu sind Ekel, Aggression und Unterwerfung wohl nicht nötig; den Schaffenstrieb gibt’s nur bei den Schwaben (Schaffa, schaffa, Häisle boua, Hund vakoffa, selbr bella…).

Gruß Ralf

Dazu sind
Ekel, Aggression und Unterwerfung wohl nicht nötig;

Hoi Drabeldier!

ich denke doch, dass Ekel nötig ist, um insbesondere bei der Nahrungsaufnahme nicht wahllos alles in sich hineinzustopfen, und Orte zu meiden, bei denen man sich eben „ekelt“

Aggression zur Verteidigung der Futtervorräte bei schwächeren Gegnern ist ggfs. überlebenswichtig,

Unterwerfung zum Überleben bei einem Angriff von stärkeren…

irgendwie kann ich die Instinkte alle als „lebenswichtig“ erkennen, nur nicht mehr so ganz in der heutigen Zeit… oder vielleicht doch???

grübelnde Grüsse
Ulli

Ein Trieb, nehme ich an, dient dem
Überleben, sei es dem eigenen oder dem der Art. Dazu sind
Ekel, Aggression und Unterwerfung wohl nicht nötig;

manche Quellen nennen auch explizit nur „die 5 Grundtriebe“
Der Aggressionstrieb gehört bestimmt dazu, gegen Revier- Futter- und Sexualkonkurrenten: eigenes Überleben durch Beanspruchung beschränkter (Nahrungs- Fressbeute- Nistplatz- territorialer) usw. Ressourcen, Fortbestand der genetischen Erb-Informationen des „Stärkeren“
„Ekel und Abwehr“ vielleicht Abwehr = Selbstverteidigungsinstinkt? Ekel trägt sicher zur Selbsterhaltung bei: Abscheu vor übelriechender (= verdorbener, giftiger) Nahrung oder gefährlichen bzw. giftigen Tieren (Insekten, Schlangen, Spinnen)
Unterwerfungstrieb unter ein „Alpha-Tier“ oder hierarchische Formationen nützt zum Vorteil des Kollektivs (und damit gleichzeitig zum eigenen) z.B. bei Arten die im Rudel jagen Wölfe, Löwen usw. Ein Stamm wo es nur Häuptlinge gibt aber keine Indianer wird keinen Krieg gewinnen.

Schaffenstrieb gibt’s nur bei den Schwaben

… und bei den Bibern (Stauwerkbau), nestbauenden Vögeln, sandbuddelnden Kindern, bildenden Künstlern oder zwanghaft strickenden Großmüttern! Falls der Schaffensdrang tatsächlich ein „Trieb“ sein sollte, dann ist er bestimmt der hervorragend menschlichste (und der Prototyp des „Homo faber“ ist ganz gewiß ein Schwabe, unwidersprochen :wink:

off topic

Schaffenstrieb gibt’s nur bei den Schwaben (Schaffa, schaffa,
Häisle boua, Hund vakoffa, selbr bella…).

An deiner schwäbische Orthographie, lieber Ralf, solltest du noch etwas feilen! :wink:

Fritz

Uups, vergessen …
… den Fresstrieb
… und den Durstlöschtrieb
(in Schwaben gibts dagegen den Äpplewoi :smile:

geografische Aufklärung

(in Schwaben gibts dagegen den Äpplewoi :smile:

Den gibt’s in Hessen.

In Schwaben gibt’s den Most (gesprochen: Moscht).

Gruß Gudrun

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schöne Aufstellung! Mit Abwehrinstinkt, Aggressionstrieb,
Unterwerfungstrieb und Konstruktionsinstinkt komme ich
allerdings nicht ganz klar: Ein Trieb, nehme ich an, dient dem
Überleben, sei es dem eigenen oder dem der Art. Dazu sind
Ekel, Aggression und Unterwerfung wohl nicht nötig; den
Schaffenstrieb gibt’s nur bei den Schwaben (Schaffa, schaffa,

In einer Psychologie-Vorlesung hat der Prof. mal ein Bild von einem vor Ekel verzogenen Gesicht gezeigt. Die Mehrheit der Studenten im Hörsaal hat instinktiv das gleiche Gesicht gezogen. Jemand der sich ekelt, verschließt Nase, Augen und Mund, sodass keine ekeligen (evtl. giftigen) Dämpfe etc. irgendwie in den Körper gelangen können. Die Menschen in seiner Nähe tun instinktiv das gleiche, um sich zu schützen. Man kann also schon sagen, daß Ekel dem Überleben dient - sowohl dem eigenen als auch dem der ganzen Gruppe.

Bis denne
Schnoof

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gar keine.
hallo ralf,

auch auf die gefahr, mich anfeindungen auszusetzen:
der mensch hat keine triebe, diese theorie freuds aus dem 19.jahrhundert ist von der wissenschaft längst beiseitegelegt.
wenn du statt im psychobrett im deutschbrett fragst, bekommts du natürlich seltsame antworten.
um ein doppelposting zu vermeiden, kannste dich ja direkt an den oliver walter dortselbst wenden.

strubbel
T:open_mouth:)

Moin, Fritz,

An deiner schwäbische Orthographie, lieber Ralf, solltest du
noch etwas feilen! :wink:

schon beim Schreiben hat mein Griffel empört gequietscht…

Gruß Ralf

Sind Instinkte denn Triebe?
Hi Ihr Lieben,

erstmal danke für die lehrreichen Beiträge! Was mir allerdings auffällt: Es kommen alle möglichen Instinkte ins Spiel. Sind Instinkte und Triebe denn das Gleiche? Der Ekel ist sicher ein wertvoller Instinkt, ich hatte aber noch nie das Bedürfnis, mich zu ekeln.

Gruß Ralf

Hi strubbel,

wenn du statt im psychobrett im deutschbrett fragst, bekommts
du natürlich seltsame antworten.

„Trieb“ ist ein Wort der deutschen Sprache, deshalb wird es schon seine Berechtigung haben. Ob der Begriff in ein Fachvokabular passt oder nicht, ist mir eher wurscht.

Gruß Ralf

Moin, Ralf,

ist ja auch nicht leicht.

Sieh nur, was es da so gibt:

_**Ludwig Aurbacher, Schwäbisches

Der Stern.**

Es stâut ə~ liəchtər Steərə~
Am scheənə~ Himəls-Bláu,
I lueg nâu’ iəm so geərə~
Und sag: »Bisch’ widər dâu?«

Eər stâut, eə d· Sunn aûf’gangə~,
Scho~ voər dər Pfoərtə~ Wacht,
Und wenn si· gâut a~fangə~,
So zündt ər iər zə Nacht.

Wiə glitzgət eər so fáindli’
Mit helləm, klâurəm Äug!
Und nickət eüs so fráindli’,
Und ist so gar net blaûg!

Vərliəbtə scháu·n d·rum geərə~
Nau’ iəm mit stilləm Blick;
Eər háißt »dər Liəbe Steərə~«,
Von deəm all Fráid und Glück.

I sell’ laûsch hin und widər
Aûf iən, so früə als spâut;
Warum? Weil dann mei~ Fridə
Von und zuər Arbət gâut.

Dâu haltət, still vərborgə~,
Ai~·s aûf dəs andrə Wacht,
Zə sagə~: Guətə~ Morgə~!
Zə sagə~: Guətə Nacht!

Und, wem-mər z·sämə~ kosə~
Aûf dər ai~samə~ Paß,
Dâu luəgə~ und dâu losə~
Kái~ Neid und áu’ kái~ Haß.

Eər nur, dər liəbə Steərə~,
Siht eüs vo~ weitəm zuə,
Und weu~scht eüs, wol recht geərə~!
D~ guətə, süəßə Ruə!_

Und einen Gruß Fritz

Sind Instinkte und Triebe denn das Gleiche?

Definitionsfrage - über die Begriffsbestimmung streiten Verhaltensforscher, Evolutionsbiologen usw. recht eifrig
Darwin definierte „Instinkte“ im tierischen Verhalten als komplexe, aus Einheiten zusammengesetzte „Reflexe“, die den Vererbungs- und Selektionsmechanismen des Evolutionsprinzips unterliegen
Konrad Lorenz sah Instinkte als angeborene „Triebe“ bzw. Bedürfnisdispositionen
„instinktive Kräfte“ oder „Triebe“ die bestimmte Verhaltensweisen aktivieren werden mittlerweile häufig unter dem Begriff „Motivation“ zusammengefasst, der aber wiederum nicht präzise definiert ist (manchmal werden auch Reifungsvorgänge, Ermüdungserscheinungen und Lernprozesse in den Begriff mit einbezogen)
Vielleicht ist die Diskussion über den „wissenschaftlich korrekten“ Terminus eh bloß ein Streit „um des Kaisers Bart“?
Sicher lässt sich aber nicht ableugnen dass es eine ganze Reihe (auch menschliche) Verhaltensmuster gibt, für die „triebhaft gesteuert, instinktiv, aus einem inneren Antrieb heraus“ jedenfalls nach unserem Sprachverständnis der passendste Ausdruck ist. Dass die Bezeichnungen „Trieb“ ebenso wie „Instinkt“ in der Verhaltensforschung als wissenschaftlich veraltet gelten, ändert glaub ich nichts daran
P.S. „Ekel, Abscheu“: dass manche Menschen vor z.B. Ratten, Spinnen usw. reflexartig zurückweichen, könnte man doch als „instinktiv“ oder „triebhaft“ empfinden - finde ich jedenfalls

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