Lieber Freund,
Ich wollte dir nicht zu Nahe treten, mit meinem Artikel. Betrachte ihn bitte lediglich als wissenschftlichen Disput.
Du schreibst: Die Mehrheit hat überhaupt nicht gehandelt.
Oder was würdest du unter „Handeln“ verstehen?"
Handeln bedeutet eine von einem Subjekt willentlich aus einem Motiv heraus und mit einem Ziel vorgenommene Tätigkeit. Instinktive Aktionen (zum Beispiel Atmen) gelten philosophisch nicht als Handeln.
Handeln tun die Menschen gemäß ihren ethischen Vorstellungen, ihren Idealen und ihren Bedürfnissen bzw. ihren Interessen.
Quelle: Philosophisches Wörterbuch
Ein denkender Mensch handelt demnach immer. Auch die Mehrheit hat gehandelt, nämlich indem sie nicht gehandelt hat. Eine andere Frage ist, ob sie durch ihr nicht Handeln schuld auf sich geladen hat.
Um eine Aussage darüber treffen zu können, muss man untersuchen, warum sie so und nicht anderes gehandelt haben.
Ich behauptete: Was ist denn das Gewissen? Bestimmt nicht der Wille.
Du fragst: Wie kommst Du zu diesem Schluss?
Und wenn das so wäre, was hieße das für unsere Verantwortung, wenn das Wollen bloß eine Art Zufall …
Ich denke jeder von uns hat schon einmal ein schlechtes Gewissen gehabt. Er hat gegen seine innere Überzeugung gehandelt. Sein Wollen standt in diesem Augenblick im Widerspruch zu seinem Unterbewußtsein.
Wir sind in der Lage anders zu Handeln, als es unserem Unterbewußtsein entspricht. Wir sind nicht Sklave unseres Unterbewußtseins. Deshalb sind wir für unser Handeln verantwortlich.
Ich denke bei der schweigenden Mehrheit, übrigens die größte Bevölkerungsgruppe in jeder Gesellschaft, bestand eine Übereinstimmung von Gewissen und Wollen. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob sie in der Lage sind, die Folgen ihres Handeln zu erkennen.
Im übrigen gehe ich davon aus, dass diese Übereinstimmung auch bei den Tätern vorhanden war. Nur, dass sich deren Gewissen sich von deinem und meinem Gewissen absolut unterscheidet.
Nein, ich antworte nicht auf der psychologischen Schiene, sondern auf der philosophischen. Die Philosophie betrachtet den Mensch als Gesamtheit. Die Frage, warum ein Mensch so oder so denkt und handelt zieht sich wie ein roter Faden durrch die Geschichte der Philosophie.
Guenter