Was ist denn der Durchschnittsnutzer? Derjenige, der hobbymäßig z.B. gerne Fotos macht und zu seiner Systemkamera von X die ordentliche Raw-Bearbeitungssoftware mitgeliefert bekommen hat, die kostenlos ist und in die er sich über die Jahre gut eingearbeitet hat, die aber dummerweise nur für Windows verfügbar ist? Derjenige, der aufgrund irgendeines anderen Hobbys irgendein anderes Gerät verwendet, für dass es ebenfalls nur für den Anschluss an einen Windows-PC Software gibt? Derjenige, der ein Multifunktionsgerät zuhause stehen hat, zu dem ein riesiges Paket an Software (nur für Windows) mitgeliefert wurde, mit der er ständig über eine einheitliche Oberfläche vom Scan über OCR und automatisierte Ablage bis hin zu PDF-Erstellung, … diverse Dinge erledigen kann? Derjenige, der aufgrund Alter/gesundheitlicher Einschränkungen nur im allergrößten Notfall auf einem kleinen Handy-Bildschirm und ohne anständige Tastatur durch Apps quält, für die die einzige Alternative eine Windows-Software ist? Derjenige, der BYOD im Arbeitsleben nutzt, aber auch da aufgrund von Fachanwendungen auf Windows/MS Office/Teams/… festgelegt ist? Derjenige, bei dem die Vergessenskurve schon bei einem Betriebssystem bzgl. selten genutzter Funktionen ständig zuschlägt, und der nur Dank des dienstlichen Windows-PCs auf einem erträglichen Niveau für den privaten Einsatz bleibt?
Ja, es gibt viele tolle Anwendungen für Linux, aber wie ich schon geschrieben habe, der Teufel steckt im Detail.
Und geht noch viel, viel weiter! Ich würde mich als deutlich überdurchschnittlich erfahrenen PC-Anwender bezeichnen, der nicht nur Desktops sondern auch Server unter einer ganzen Menge von Betriebssystemen aufgesetzt und betrieben hat/betreibt. Ich habe schon mit diversen Unix-Versionen gearbeitet, bevor Linux aufkam, von anderen Betriebssystemen noch gar nicht zu reden. Ich bekomme mit Linux viel hin. Aber der dafür notwendige Aufwand und die dafür nötige Einarbeitungszeit, die nötige Frustrationstoleranz, … finde ich allerdings beispiellos.
Es wird immer ein Ponyhof unter dem Regenbogen in Sachen Linux gemalt, um Leute zum Umsteigen zu bewegen, der oft leider krachend an der Realität zerbricht. 1001 habfertige/halbgare Dinge, die einem ein laufendes System zerstören und oft nur durch ein komplettes Neuaufsetzen zu beheben sind, weil in der ach so tollen großen Community zwar viel arrogant rumgepöbelt wird, aber tatsächlich wenig Substanz steckt. Der ständige Wechsel von Konzepten, Architekturen, Komponenten, die unzähligen Abhängigkeiten von nicht verstandenen, nicht koordinierten Komponenten Dritter, … führen schnell zu einem „never touch a running system“, was dann gefährlich für die Sicherheit der Systeme wird. Der Aufwand mitzuhalten ist für Nerds, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun zu haben, sicherlich ein wunderbarer Zeitvertreib. Für jemand, der einfach nur ein funktionsfähiges System braucht, schon bei geringen spezielleren Anforderungen hieran, kaum zu leisten.
Ich habe z.B. über die Jahre inzwischen sicherlich fünf mal ein Kiosk-System auf Basis eines Raspberry Pi aufgesetzt. Minimale OS-Version mit GUI und Autostart des Browsers mit voreingestellter Startseite im Vollbild. Alle Schritte immer sauber dokumentiert. Mit jedem Upgrade der Linux-Version war diese Doku Makulatur und ging stunden- bis tagelange Sucherei im Internet einher, warum was jetzt nicht mehr so wie in der Vorversion funktioniert, welche Pfade sich geändert haben, … Jetzt steht der Wechsel von X-Windows zu Wayland vermutlich bald an.