Wir leiden nicht an den Dingen, sondern

an unserer Einstellung zu ihnen.

Hallo Leute

Diese Ansicht würde zu mehreren Philosophen passen, z.B. zu Epikur, Epiktet, Zenon (von Kition), Seneca, Spinoza, Schopenhauer, Sokrates oder Buddha.
Wer hat sie aber nachweislich als erster formuliert und wie?
Ist diese Aussage überhaupt ein Zitat oder ist sie eher eine Volksweisheit?

Danke, Tychi

„Nicht wie die Dinge wirklich sind, sondern wie sie in unserer Einstellung und Vorstellung sind, macht uns zufrieden oder unzufrieden.“

http://de.wikiquote.org/wiki/Epiktet

bzw:
„Siehst du jemand in Trauer, weil sein Sohn in die Ferne gereist ist, oder weil er sein Vermögen verlor, so laß dich nicht zu der eigenen Einbildung hinreißen, daß dieser Mensch durch den Verlust der äußeren Dinge unglücklich sei, sondern halte dich bereit, bei dir zu sprechen: „Nicht dieser Unfall beschwert ihn (denn mache andere würden ja davon nicht geplagt werden), sondern die Vorstellung, die er davon hat.“ Säume nicht, durch vernünftige Gespräche ihn zu heilen, auch wohl, wenn es sein muß, mit ihm zu weinen. Nur hüte dich, daß du nicht in deinem Innern mitseufzest.“

Epiktet, Handbüchlein der Moral, 16
http://www.scaldra.net/philosophie/epiktet/

(ich habe den verlinkten Text aber nicht auf Richtigkeit überprüft, also nicht darauf verlassen!
Epiktet scheint den Spruch bereits selbst zu zitieren, vielleicht als Volksweisheit)

Diese Ansicht würde zu mehreren Philosophen passen, z.B. zu
Epikur, Epiktet, Zenon (von Kition), Seneca, Spinoza,
Schopenhauer, Sokrates oder Buddha.

Ich frage mich im Moment, zu welchem Philosophen der Spruch rein gar nicht passen würde, und mir fällt keiner ein :wink:

Wer hat sie aber nachweislich als erster formuliert und wie?
Ist diese Aussage überhaupt ein Zitat oder ist sie eher eine
Volksweisheit?

Ich weiß es nicht, aber vielleicht ist mein Hinweis auf Epiktet dennoch als Suchhilfe hilfreich.

Viele Grüße
franz

Wer hat sie aber nachweislich als erster formuliert und wie?
Ist diese Aussage überhaupt ein Zitat oder ist sie eher eine
Volksweisheit?

Hallo Tychi

Es ist ein Problem, so alt wie die Menschheit. Und es ist eine empirische Erkenntnis, aus der die Volksweisheit abgeleitet sein mag.

Besitz und Askese stehen sich als konträre Haltungen gegenüber und das eine ist so falsch wie das andere, sagt die Isha Upanischade.

„Das asketische Evangelium vom Verzicht ist selbst unvollständig; das heidnische Evangelium vom Genuß ist selbst unvollständig. Verzicht und Genuß der Welt muß durch ein Ersetzen von äußerem mit innerem Glück versöhnt werden, - das Glück das von innen nach außen geht, für das Vergnügen das sucht, von außen nach innen zu appelieren, - die Freude Gottes an der Form und dem Namen, für die Freude der begrenzten Erscheinung und isolierten Idee. Die Versöhnung soll durch die vollendete Erfahrung von Ananda, der göttlichen Glückseligkeit bewirkt werden, zu der wir beim wahren Sehen im Königreich der reinen Idee gelangen.“
Sri Aurobindo

gruß
rolf

Meng Hsiä
Vielleicht pass auch das:

Hermann Hesse

_ Chinesische Legende

Von Meng Hsiä wird berichtet:

Als ihm zu Ohren kam, daß neuerdings die
jungen Künstler sich darin übten, auf dem
Kopf zu stehen, um eine neue Weise des Sehens
zu erproben, unterzog Meng Hsiä sich
sofort ebenfalls dieser Übung, und nachdem
er es eine Weile damit probiert hatte, sagte
er zu seinen Schülern: „Neu und schöner
blickt die Welt mir ins Auge, wenn ich mich
auf den Kopf stelle.“

Dies sprach sich herum, und die Neuerer
unter den jungen Künstler rühmten sich
dieser Bestätigung ihrer Versuche durch den
alten Meister nicht wenig.
Da dieser als recht wortkarg bekannt war und
seine Jünger mehr durch sein bloßes Dasein
und Beispiel erzog als durch Lehren, wurde
jeder seiner Aussprüche beachtet und weiter
verbreitet.

Und nun wurde, bald nachdem jene Worte die
Neuerer entzückt, viele Alte aber befremdet,
ja erzürnt hatten, schon wieder ein Ausspruch
von ihm bekannt. Er habe, so erzählte man,
sich neuestens so geäußert:
„Wie gut, daß der Mensch zwei Beine hat!
Das Stehen auf dem Kopf ist der Gesundheit
nicht zuträglich, und wenn der auf dem Kopf
stehende sich wieder aufrichtet, dann blickt
ihm, dem auf den Füßen Stehenden, die Welt
doppelt so schön ins Auge.“

An diesen Worten des Meisters nahmen so-
wohl die jungen Kopfsteher, die sich von ihm
verraten oder verspottet fühlten, wie auch
die Mandarine großen Anstoß.
„Heute“, so sagten die Mandarine, „behauptet
Meng Hsiä dies, und morgen das Gegenteil.
Es kann doch unmöglich zwei Wahrheiten
geben. Wer mag den unklug gewordenen
Alten da noch ernst nehmen?“

Dem Meister wurde hinterbracht, wie die
Neuerer und wie die Mandarine über ihn
redeten. Er lachte nur. Und da die Seinen ihn
um eine Erklärung baten, sagte er:
"Es gibt die Wirklichkeit, ihr Knaben, und an
der ist nicht zu rütteln. Wahrheiten aber,
nämlich in Worten ausgedrückte Meinungen
über das Wirkliche, gibt es unzählige, und jede
ist ebenso richtig wie sie falsch ist."

Zu weiteren Erklärungen konnten ihn die
Schüler, so sehr sie sich bemühten, nicht bewegen._

Gruß Fritz

Dem Meister wurde hinterbracht, wie die
Neuerer und wie die Mandarine über ihn
redeten. Er lachte nur. Und da die Seinen ihn
um eine Erklärung baten, sagte er:
"Es gibt die Wirklichkeit, ihr Knaben, und an
der ist nicht zu rütteln. Wahrheiten aber,
nämlich in Worten ausgedrückte Meinungen
über das Wirkliche, gibt es unzählige, und jede
ist ebenso richtig wie sie falsch ist."

Zu weiteren Erklärungen konnten ihn die
Schüler, so sehr sie sich bemühten, nicht bewegen.

Hallo Fritze

Natürlich mußte er schweigen. Denn wenn er eine Antwort gegeben hätte, hätten die Schüler ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen können :smile:

…und wer weiß, vielleicht lag ja seine Antwort im Schweigen oder Hermann Hesse viel nichts weiter dazu ein :wink:

gruß
rolf

Moin,

Diese Ansicht würde zu mehreren Philosophen passen, z.B. zu
Epikur, Epiktet, Zenon (von Kition), Seneca, Spinoza,
Schopenhauer, Sokrates oder Buddha.

Ich frage mich im Moment, zu welchem Philosophen der Spruch
rein gar nicht passen würde, und mir fällt keiner ein :wink:

Buddha :smile:

Gruß
Marion

buddhismus
Hallo Pendragon

Schopenhauer, Sokrates oder Buddha.

Ich frage mich im Moment, zu welchem Philosophen der Spruch
rein gar nicht passen würde, und mir fällt keiner ein :wink:

Buddha :smile:

Warum? Ich kenne Buddhas Lehren nur sehr oberflaechlich, aber ich
denke schon, dass er die Ursache allen Leidens im Begehren sehe, und
das Begehren ist ein Einstellung zu den Dingen.
Kannst du mich erleuchten? :smile:

Gruss, Tychi

buddhismus
Moin,

Wir leiden nicht an den Dingen, sondern an unseren Einstellungen zu ihnen. So lautete der Satz, um den es geht.

Ich gebe zu, dass meine Ablehnung des Satzes gemäß buddhistischer Lehre erstmal sehr spontan kam, will mich aber gerne bemühen, dies zu begründen. Anderslautenden Meinungen diesbezüglich sind mir aus fundierter buddhistischer Sichtweise sehr willkommen.

Also zunächst:
Der Buddhismus lehrt, dass es wesentlich ist, erstmal das Leid zu erkunden. Um was für eine Form von Leid handelt es sich ? Ist es ein Leid, das von uns durch äußeres Handeln beeinflussbar ist oder nicht ? Ein Beispiel: Wenn das Leid sich darin äußert, dass einer Hunger hat oder friert, dann wäre die buddhistische Maßnahme der Wahl nicht, die Einstellung zu Hunger oder Frieren zu verändern, sondern etwas zu essen oder etwas anzuziehen.

Das mag sich ziemlich banal anhönren, ist es aber meiner Meinung nach nicht. Aus buddhistischer Sicht ist es wichtig, Art und Ursache des Leids genau zu kennen. Dies mag bei „Hunger“ noch relativ einfach sein (leerer Magen). Bei anderen Dingen, die als leidvoll empfunden werden, kann es ungleich Schwieriger sein, die tatsächliche Art und Ursache des Leids zu ergründen.

Ist dieser Schritt erstmal geschafft, gilt es zu Handeln , wie oben beschrieben. Allerdings lässt sich nicht alles Leid durch unser Handeln beseitigen. Es gibt innere Ursachen von Leid, auf die wir auf diese Art keinen Einfluss haben, z.B. wenn ein von uns geliebter Mensch stirbt.

In diesem Fall wäre meiner Meinung nach die buddhistische Maßnahme der Wahl nicht, unsere Einstellung zu den Dingen zu ändern, sondern der Buddhismus geht in diesem Fall davon aus, dass die Usrache dieses Leids in der Vorstellung davon, wer wir sind, begründet liegt. Wir sollten also nicht an unserer Einstellung zu den Dingen arbeiten, sondern eher an uns selbst und hier insbesondere an unseren Emotionen. (Ich gehe mal davon aus, dass Emotionen etwas anderes sind als Einstellungen).

Die Diskussion ist eröffnet :smile:
Gruß
Marion

1 Like

buddhismus
Hallo

Also zunächst:
Der Buddhismus lehrt, dass es wesentlich ist, erstmal das Leid
zu erkunden. Um was für eine Form von Leid handelt es sich ?
Ist es ein Leid, das von uns durch äußeres Handeln
beeinflussbar ist oder nicht ? Ein Beispiel: Wenn das Leid
sich darin äußert, dass einer Hunger hat oder friert, dann
wäre die buddhistische Maßnahme der Wahl nicht, die
Einstellung zu Hunger oder Frieren zu verändern, sondern etwas
zu essen oder etwas anzuziehen.

Klar, eine Unterscheidung zwischen physiologischen Beduerfnissen und,
sagen wir mal, gesellschaftlich gepraegten oder charakterbedingten
Beduerfnissen zu treffen, ist wohl noetig.

Ist dieser Schritt erstmal geschafft, gilt es zu
Handeln , wie oben beschrieben. Allerdings lässt sich
nicht alles Leid durch unser Handeln beseitigen. Es gibt
innere Ursachen von Leid, auf die wir auf diese Art keinen
Einfluss haben, z.B. wenn ein von uns geliebter Mensch stirbt.

Die Kernfrage ist, ob man eher handeln oder eher an seiner
Einstellung arbeiten sollte, was auch so formuliert werden kann:
Sollte mein Handeln nach aussen wirken, d.h. darauf zielen, die
Umwelt zu veraendern oder sollte es nach innen wirken, also Arbeit an
meiner Psyche sein? Das kann man im Einzelfall oft schwer
entscheiden, denn es laesst sich kaum abschaetzen, ob sich die Arbeit
lohnt und ob sie erfolgreich sein wird, ganz gleich welchen der
beiden Wege man geht.

In diesem Fall wäre meiner Meinung nach die buddhistische
Maßnahme der Wahl nicht, unsere Einstellung zu den Dingen zu
ändern, sondern der Buddhismus geht in diesem Fall davon aus,
dass die Usrache dieses Leids in der Vorstellung davon, wer
wir sind, begründet liegt.

Aehm, ist das nicht eine Einstellung?

Wir sollten also nicht an unserer
Einstellung zu den Dingen arbeiten, sondern eher an uns selbst
und hier insbesondere an unseren Emotionen. (Ich gehe
mal davon aus, dass Emotionen etwas anderes sind als
Einstellungen).

Der Begriff Einstellung ist scheinbar mindestens zweideutig: Einmal
kann er fuer Haltung stehen, z.B. „Ich finde, Marmelade kann
man nur zum Fruehstueck essen“ oder er kann im Sinne von Tuning wie
bei einem Radio aufgefasst werden, d.h. bedeuten, wie ein Mensch im
technischen Wortsinn eingestellt ist. Scheinbar ist diese
Doppeldeutigkeit deshalb, weil die Haltung aus der
Einstellung im zweiten Wortsinn resultiert. Oder: Die Einstellung
beschreibt ganz allgemein den Zustand der Psyche und Haltungen sind
spezielle Auesserungen dieses Zustandes. Somit sind auch Emotionen
Einstellungen, naemlich als Teile der Psyche.
Arbeit an der eigenen Einstellung ist also der Versuch, die
psychischen Muster neu zu programmieren (zu tunen, einzustellen) und
diese Programmierung betrifft Emotionen wie Meinungen (Haltungen)
gleichermassen.

Gruss, Tychi

Moin,

Der Buddhismus lehrt, dass es wesentlich ist, erstmal das Leid
zu erkunden. Um was für eine Form von Leid handelt es sich ?
Ist es ein Leid, das von uns durch äußeres Handeln
beeinflussbar ist oder nicht ? Ein Beispiel: Wenn das Leid
sich darin äußert, dass einer Hunger hat oder friert, dann
wäre die buddhistische Maßnahme der Wahl nicht, die
Einstellung zu Hunger oder Frieren zu verändern, sondern etwas
zu essen oder etwas anzuziehen.

Klar, eine Unterscheidung zwischen physiologischen
Beduerfnissen und,
sagen wir mal, gesellschaftlich gepraegten oder
charakterbedingten
Beduerfnissen zu treffen, ist wohl noetig.

hm…wieso gerade diese Unterscheidung? Dies war zumindest nicht das, was ich mit meinem Beispiel veranschaulischen wollte. Vielleicht wird es weiter unten deutlicher.

Ist dieser Schritt erstmal geschafft, gilt es zu
Handeln , wie oben beschrieben. Allerdings lässt sich
nicht alles Leid durch unser Handeln beseitigen. Es gibt
innere Ursachen von Leid, auf die wir auf diese Art keinen
Einfluss haben, z.B. wenn ein von uns geliebter Mensch stirbt.

Die Kernfrage ist, ob man eher handeln oder eher an seiner
Einstellung arbeiten sollte, was auch so formuliert werden
kann:

Genau. Und diese Frage stellt sich im Buddhismus so nicht. Wenn du Handeln kannst, um Leid zu lindern oder zu beenden, dann handle. Dies setzt aber voraus, dass du die Ursachen des Leids genau kennst, wobei mit Handeln durchaus auch gemeint sein kann, dass jemand eine Therapie macht, weil er zum Beispiel an einer Spinnenphobie oder Depressionen leidet.

Sollte mein Handeln nach aussen wirken, d.h. darauf zielen,
die
Umwelt zu veraendern oder sollte es nach innen wirken, also
Arbeit an
meiner Psyche sein?

Nein, so ist es nicht gemeint. Siehe oben. Das mit den inneneren und äußeren Ursachen ist auch keine wichtige Unterscheidung im Buddhismus. Wichtig ist, die Ursachen tatsächlich zu erkennen. Wie diese dann tatsächlich beschaffen sind ist erst in dem Moment relevant wo es darum geht, sie zu beseitigen.

Das kann man im Einzelfall oft schwer
entscheiden, denn es laesst sich kaum abschaetzen, ob sich die
Arbeit
lohnt und ob sie erfolgreich sein wird, ganz gleich welchen
der
beiden Wege man geht.

Auch diese Frage stellt sich im Buddhismus nicht. Der Buddhismus lehrt, dass es in jedem Fall einen Weg aus dem Leiden heraus gibt, sofern man die Ursachen richtig erkannt hat.

In diesem Fall wäre meiner Meinung nach die buddhistische
Maßnahme der Wahl nicht, unsere Einstellung zu den Dingen zu
ändern, sondern der Buddhismus geht in diesem Fall davon aus,
dass die Usrache dieses Leids in der Vorstellung davon, wer
wir sind, begründet liegt.

Aehm, ist das nicht eine Einstellung?

Schon, aber eben nicht eine Einstellung zu den Dingen, sondern eine Einstellung zu uns selbst, bzw. unsere Vorstellung davon, wer oder was wir eigentlich sind. Ich halte das für einen gravierenden Unterschied zwischen der buddhistischen Lehre und dem von dir zitierten Satz.

Wir sollten also nicht an unserer
Einstellung zu den Dingen arbeiten, sondern eher an uns selbst
und hier insbesondere an unseren Emotionen. (Ich gehe
mal davon aus, dass Emotionen etwas anderes sind als
Einstellungen).

Somit sind auch
Emotionen
Einstellungen, naemlich als Teile der Psyche.
Arbeit an der eigenen Einstellung ist also der Versuch, die
psychischen Muster neu zu programmieren (zu tunen,
einzustellen) und
diese Programmierung betrifft Emotionen wie Meinungen
(Haltungen)
gleichermassen.

Ok, mit dieser Definition komm ich klar.
Schauen wir uns also mal einen konkreten Fall an und vergleichen den Umgang damit entsprechend der buddhistischen Lehre und dem von dir zitierten Satz nach meinem Veständnis.

Das „Ding“, um welches es in diesem konkreten Fall geht, sind Hunger und Armut in der Welt.

Jetzt haben wir mehrere Personen in D, die nicht direkt selbst unter diesen Dingen leiden. Allerdings heißen sie diesen Zustand, dass es Hunger und Armut auf der Welt gibt, nicht gut (Einstellung/Wertung).

Bei einer dieser Personen kommt zusätzlich hinzu, dass er angesichts dieser schlimmen Zustände starke Gefühle von Ohnmacht und Wut empfindet.

Soweit gehen wir konform.
Jetzt trennen sich aber IMHO die weitere Vorgehensweise gemäß dem Buddhismus und dem von dir zitierten Satz.

Der Buddhismus würde sagen, der Mensch leidet nicht an den Dingen (Armut/Hunger), sondern an seinen Emotionen (Wut/Ohnmacht). Es ist also die Aufgabe dieses Menschen, die Ursachen für diese Emotionen in sich selbst zu finden. Seine Einstellung (Wertung) gegenüber den Dingen (Armut/Hunger) kann davon unberührt bleiben.

Laut dem von dir zitierten Satz wäre der Mensch jedoch angehalten, an seinen Einstellungen gegenüber den Dingen zu arbeiten. Er könnte sich zum Beispiel sagen, dass es unmöglich für ihn ist, Hunger und Elend von der Welt zu beseitigen, dass er sich also einfach damit abfinden muss, dass es dies gibt. Oder er könnte sich sagen, dass er sich nicht so aufregen soll, schließlich ist er ja nicht direkt selbst betroffen. Oder er könnte sich sagen, dass ein Teil dieser Armut von den Menschen selbst verschuldet ist, und diese seine Anteilnahme eigentlich gar nicht verdienen. Oder er könnte sich sagen, dass Angesichts der Überbevölkerung ein Gewisses Maß an Toten durch Hunger und den Folgen von Armut vielleicht gar nicht so schlecht ist etc.

Ist er mit dieser Strategie erfolgreich, kann er sein Leid ebenfalls verringern oder beseitigen. Allerdings hat sich dann auch seine Einstellung zu den Dingen geändert. Wie sehr diese Art zu Denken unsere heutige Gesellschaft prägt, sieht man meiner Meinung nach tagtäglich auch hier im Forum.

Das Leid anderer Menschen, das durch die Nachrichten tagtäglich in unser Bewusstsein drängt, führt nicht zu Mitgefühl (Mitleid), weil die Menschen vielleicht gar nicht mehr in der Lage sind, mit diesem (ihrem eigenen Leid, oder den durch das Leid anderer verursachten Emotionen) dann umzugehen. Statt dessen wird dann an der Einstellung gefeilt, um dieses Leid gar nicht erst an sich heran kommen zu lassen. Dabei heraus kommen dann eben Strategien wie dieses in meinen Augen unsägliche und penetrante „positive Denken“ (im konkreten Fall: sei froh, dass du selbst nicht betroffen bist, denk an die Überbevölkerung etc.), oder der Versuch, den anderen für seine Situation selbst verantwortlich zu machen (selbst schuld, warum setzen die so viele Kinder in die Welt etc.), oder eine gewisse Apathie (man kann doch eh nichts machen) etc.

Versteh mich nicht falsch, diese Strategie ist ja durchaus erfolgreich in dem Sinne, dass sie z.B. das durch die eigenen Emotionen entstehende Leid gar nicht erst aufkommen lässt, bzw. durch eine Einstellungsänderung eliminiert. Aber sie führt meiner Meinung nach zu einer zunehmend von Gefühlsarmut, Zynismus und Egozentrik geprägten Gesellschaft. Und das ist so ziemlich das Gegenteil von den Idealen und dem Weg zur Aufhebung des Leids durch den Buddhismus.

Gruß
Marion

2 Like

Hallo Marion

Vielen Dank fuer deine wichtige Differenzierung und Abgrenzung.
Du hast an dem Beispiel fremder Armut schoen beschrieben, wie die
Arbeit an der Einstellung zu den Dingen aussehen kann und
hervorgehoben, dass dem Buddhisten diese Art der
Einstellungsmodifikation fremd waere. Fuer mich bedeutet Arbeit an
der Einstellung nach wie vor Arbeit an der eigenen Psyche, ganz
gleich ob sich diese Einstellung auf Emotionen oder auf Dinge (also
auf Meinungen) bezieht. Ich meine also einen Ansatz, der den von dir
zwar als effektiv aber doch als unmoralisch bezeichneten beinhaltet
sowie den buddhistischen.

Der Buddhismus würde sagen, der Mensch leidet nicht an den
Dingen (Armut/Hunger), sondern an seinen Emotionen
(Wut/Ohnmacht). Es ist also die Aufgabe dieses Menschen, die
Ursachen für diese Emotionen in sich selbst zu finden.
Seine Einstellung (Wertung) gegenüber den Dingen
(Armut/Hunger) kann davon unberührt bleiben.

Jetzt moechte ich gerne wissen, wie man die Ursachen fuer die
Emotionen entdeckt und wie der Buddhist dem Armutsproblem begegnen
wuerde. Wie versucht der Buddhist sein Leid aufzuheben? Was tut er,
wenn er die Ursachen erkannt hat?

Gruss, Tychi

Versteh mich nicht falsch, diese Strategie ist ja durchaus
erfolgreich in dem Sinne, dass sie z.B. das durch die eigenen
Emotionen entstehende Leid gar nicht erst aufkommen lässt,
bzw. durch eine Einstellungsänderung eliminiert. Aber sie
führt meiner Meinung nach zu einer zunehmend von Gefühlsarmut,
Zynismus und Egozentrik geprägten Gesellschaft. Und das ist so
ziemlich das Gegenteil von den Idealen und dem Weg zur
Aufhebung des Leids durch den Buddhismus.

Oh je, warum komplizierst Du die Sache? Was war das Ziel Buddhas? Leid zu vermindern? Nein. Er hat den Weg aus dem Leid gewiesen, aber von seinen Mönchen nicht verlangt, das Leid in der Welt zu mindern. Das kam erst mit dem Christentum.

…und wenn die Nirvana-Erfahrung einen Pfennig wert ist, dann muß sie dem Leid in der Welt ins Auge sehen können, ohne daß die persönliche Befreiung davon betroffen ist.

Das ist der Unterschied zwischen einer religiösen Haltung und einer spirituellen.

gruß
rolf

tatsächlich oh weh…
Moin,

Oh je, warum komplizierst Du die Sache? Was war das Ziel
Buddhas? Leid zu vermindern? Nein. Er hat den Weg aus dem Leid
gewiesen, aber von seinen Mönchen nicht verlangt, das Leid in
der Welt zu mindern. Das kam erst mit dem Christentum.

Mal abgesehen davon, dass das hier gar nicht das Thema war, ist das was du schreibst falsch. Hier ein direktes Zitat:

_Vielen Wesen zum Wohle (Mahâvagga des Vinaya-Pitaka 1,11,1)

Der Erhabene sprach zu den Mönchen: "Befreit bin ich, ihr Mönche, von allen Fesseln, sowohl göttlichen als auch menschlichen.
Befreit seid ihr, ihr Mönche, von allen Fesseln, sowohl göttlichen als auch menschlichen.

Geht, ihr Mönche, in die Welt, vielen Wesen zum Wohle, vielen Wesen zum Glücke, aus Mitgefühl mit der Welt, zum Nutzen, Wohl und Glück von Göttern und Menschen._

Ich empfehle dir, dich mal ein wenig mit dem Bodhisattva Ideal auseinandersetzen.
Literaturtipp: „Bodhicaryavatara“ von Shantideva. Ich wünsche dir erhellende Erkenntnisse.

Gruß
Marion

Der Erhabene sprach zu den Mönchen: "Befreit bin ich, ihr
Mönche, von allen Fesseln, sowohl göttlichen als auch
menschlichen.
Befreit seid ihr, ihr Mönche, von allen Fesseln, sowohl
göttlichen als auch menschlichen.

Geht, ihr Mönche, in die Welt, vielen Wesen zum Wohle, vielen
Wesen zum Glücke, aus Mitgefühl mit der Welt, zum Nutzen, Wohl
und Glück von Göttern und Menschen.

Buddha spricht hier wohl zu Befreiten. Dann könnte man diese Weisung verstehen.

gruß

Moin,

Buddha spricht hier wohl zu Befreiten. Dann könnte man
diese Weisung verstehen.

Nur dann ?
Was meinst du, warum bei den 6 (oder wahlweise 10) Paramita an erster Stelle Freigiebigkeit und ethisches Verhalten stehen, hm ?

http://de.wikipedia.org/wiki/Paramita

Gruß
Marion

Moin,

Der Buddhismus würde sagen, der Mensch leidet nicht an den
Dingen (Armut/Hunger), sondern an seinen Emotionen
(Wut/Ohnmacht). Es ist also die Aufgabe dieses Menschen, die
Ursachen für diese Emotionen in sich selbst zu finden.
Seine Einstellung (Wertung) gegenüber den Dingen
(Armut/Hunger) kann davon unberührt bleiben.

Jetzt moechte ich gerne wissen, wie man die Ursachen fuer die
Emotionen entdeckt

Zunächst durch Achtsamkeit sich selbst gegenüber.
Emotionen können sowohl Wirkung, als auch Ursache sein. Dieses Geflecht von Ursachen und Wirkungen, durch welches die Emotionen bedingt werden (und bedingen) gilt es zu ergründen.

und wie der Buddhist dem Armutsproblem
begegnen
wuerde.

Freigiebigkeit (Dana) gilt als wichtige buddhistische Praxis. Dabei geht es weniger darum, jemand anderem etwas Gutes zu tun, sondern diese Praxis dient der eigenen Entwicklung. Dana ist aktiver Ausdruck der buddhistischen Ethik, begründet auf der Auffassung, das wir in einem Geflecht von Wechselbeziehungen leben, in dem nichts als vom anderen getrennt existiert.

http://de.wikipedia.org/wiki/Dana_(Indien)

Wie versucht der Buddhist sein Leid aufzuheben? Was
tut er,
wenn er die Ursachen erkannt hat?

Der Weg zur Aufhebung des Leidens liegt in der Aufhebung des Begehrens. Der Weg dahin führt für den Buddhisten über den sogenannten „Achtfachen Pfad“. Der Buddhist übt sich in

  1. Rechtem Verstehen
  2. Rechtem Denken
  3. Rechter Rede
  4. Rechtem Handeln
  5. Rechtem Lebenserwerb
  6. Rechter Anstrengung
  7. Rechter Achtsamkeit
  8. Rechter Sammlung.

Eine meiner Meinung nach gelungene kurze Zusammenstellung der vier Kernsätze der buddhistischen Lehre und des achtfachen Pfades findest du z.B. hier:

http://www.dharma.de/dbu/frameset.php

Gruß
Marion

1 Like