Guten Morgen,
ich hatte versprochen, mich wieder zu melden. Ihre Geschichte ist sehr komplex geschrieben. Ich und meine Kollegen mussten sie uns mehrmals durchlesen, trotzdem blieben uns einige Sachverhalte unklar. Leider können wir nicht in direktem Kontakt treten und diese klären. Das würde den Rahmen der Auskunft sprengen und gegen die Richtlinien von www.wer-weiss-was.de verstoßen. Das heißt, der Beitrag könnte gelöscht werden, was schade wäre.
Ich antworten Ihnen, soweit wir den Sachverhalt verstanden haben.
Ihrer gesundheitlichen Beschreibung nach sind Sie vermutlich erwerbsunfähig. Das bedeutet, Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (Jobcenter), sondern im Bedarfsfalle Grundsicherung nach dem SGB XII (Sozialamt). Die Berechnung der Grundsicherung, die Regelsätze, sind der Höhe nach genauso wie beim SGB II (Jobcenter). Sie könnten mitunter einen Mehrbedarf wegen Ihrer Behinderung erhalten, wenn z.B. auf der Rückseite des Schwerbehindertenausweises ein Merkzeichen gestempelt ist. Damit wäre Ihr Lebensunterhalt abgedecckt.
Sie haben von der Kinderzuschlag gesprochen. Das bedeutet, es sind leibliche Kinder im Haushalt. Die Kinder und Ihre Frau müssen für sich beim Jobcenter Leistungen beantragen. Dort wird der Bedarf nur für sie berechnet; Sie spielen insofern keine Rolle, da Sie erwerbsunfähig sind. Allerdings werden auch Unterlagen von Ihnen abgefordert, um zu prüfen, ob und in welcher Höhe ein Unterhalt aufgrund Ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse auf den Bedarf der restlichen Familienmitglieder angerechnet werden kann. Sofern Sie aktuell Leistungen vom Sozialamt erhalten, dann freut sich der Sachbearbeiter im Jobcenter, denn wenn ein aktueller Bewilligungsbescheid vom Sozialamt vorliegt, erfolgte ja bereits die Prüfung und Sie sind hilfebedürftig nach dem SGB XII.
Pflegegeld ist zumindest nach dem SGB II anrechnungsfrei. Es heißt, es kann, wenn überhaupt, nur auf Ihren Bedarf angerechnet werden, was wir uns allerdings nicht vorstellen können, denn Pflegeld ist eine zweckgebundene und damit anrechnungsfreie Leistung der Pflegekasse. Sie dient dem Zweck, Pflegeleistungen finanziell zu puffern oder gar in nahezu vollständiger Höhe zu abzudecken.
Bei Antragstellung beim Jobcenter müssen natürlich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ALLER Familienmitglieder auf den Tish gepackt werden. Wenn Sie Versicherungen haben, müssen Sie diese mittels Versicherungspolice belegen. Zusätzlich zu Kapitallebens-, Rentenversicherungen sind die aktuellen Rückkaufwerte nachzuweisen. Bei so genannten Riester- oder Rürupp-Renten müssen Sie dem Jobcenter mittels Bescheinigung des Versicherers den Verwertungsausschluss vor Erreichen des gesetzlichen Rentenbeginn nachweisen. Für die Altersvorsorge gibt es einen erhöhten Freibetrag: 250 € x Lebensalter.
Der allgemeine Vermögensfreibetrag pro Person errechnet ganz leicht so: 150 € x Lebensjahr. Zusätzlich hat jede Person einen Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 €.
Wenn Ihre Frau, die Sie offenbar bisher bei der Pflege unterstützt hat, diese nunmehr voll wahrnehmen und dementsprechend nicht mehr arbeiten gehen kann, dann kann Sie bei der Pflegekasse Leistungen beantragen. Solch einen Fall hatten wir bisher nur ein Mal und haben da leider nicht die nötige rechtliche Praxis. Seit der Reform der Pflegeversicherung können auch Angehörige bei der Pflegekasse Hilfen beantragen und die Zeit der Pflege eines Angehörigen kann bei der Rentenversicherung als Anwartschaft berücksichtigt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass Ihre Frau zur Sozialversicherung wie auch Bundesknappschaft in Essen angemeldet wird. Nähere Informationen erhalten Sie bei der Krankenkasse, Pflegekasse, Rentenversicherung oder ganz leger bei der Verbraucherzentrale.
Bei Antragstellung wird Ihre Frau beim Arbeitsvermittler vorsprechen müssen. Ziel der Arbeitsvermittlung ist es u.a., mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten die Eingliederung in den so genannten ersten Arbeitsmarkt zu erreichen. Nun kann Ihre Frau wegen der Pflege kaum oder gar nicht arbeiten gehen. Dann will spätestens der Arbeitsvermittler nachgewiesen haben, dass Sie a) die Pflege in Vollzeit eines Angehörigen wahrnehmen und b) welche Aufwandsentschädigung oder Entgelt Sie dafür erhalten.
Der Hintergrund ist (um es etwas verständlicher zu formulieren): Leistungen nach dem SGB II kann nur derjenige erhalten, der der Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung steht, d.H. mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Spätestens wenn das nicht geklärt ist, könnte es bald Nachfragen von der Arbeitsvermittlung und Leistungsabteilung geben, denn das Gehalt ist mitunter anzurechnen abzüglich Freibeträge natürlich.
Ich bzw. wir Kollegen haben uns bemüht, dass was wir verstanden haben in der Schilderung auch relativ verständlich für Sie zu beantworten und haben auf Amtsdeutsch weitgehend verzichtet.
Wenn Sie mit einem Bescheid nicht einverstanden sind, sollten Sie zunächst mit dem Sachbearbeiter reden. Kommen Sie nicht weiter oder sind mit der Entscheidung nicht einverstanden, haben Sie das Recht der Einlegung eines Rechtsmittel, sprich Widerspruch. Sie können einen Anwalt zu Rate ziehen. Sind Sie bedürftig, können Sie bei der Rechtsantragstelle des zuständigen Gerichts Beratungshilfe beantragen. Es verbleibt lediglich ein Eigenanteil von 10 oder 20 EUR, den Sie an den Anwalt zahlen müssen. Manche Anwälte verzichten auch darauf. Dann können Sie auch die örtliche Verbraucherzentrale in Anspruch nehmen. Über den Preis der Beratung erkundigen Sie sich bitte vor Ort.
Sollten noch Fragen bestehen, melden Sie sich wieder.