Faktizität
Das ist kein Ansatz, sondern eine lexikalische Worterklärung.
Unsinn - ich setze eben mit einer „Worterklärung“ an :-&
In Sachen Wirklichkeit als Gesamtheit will ich Wittgenstein das Wort erteilen: „Die gesamte Wirklichkeit ist die Welt“ (Tractatus).
Für die Wirklichkeit als Seinsweise - vor allem im Unterschied zur Möglichkeit - sehe ich Aristoteles Pate stehen. Der dabei von ihm verwendete Ausdruck energeia ist im Deutschen wohl am treffendsten mit Wirksamkeit oder Wirkkraft (vgl. Energie) wiederzugeben. In diesem Sinn lässt sich dann ohne weiteres von Ursache und Wirkung reden.
So ergeben sich für mich zwei zusammengehörige Bedeutungen, die Du vielleicht eher als Ansatz zu qualifizieren bereit bist:
- Die Wirklichkeit ist die Welt.
- Wirklichkeit ist Ursächlichkeit.
Die erste Bedeutung ist momentan zwischen uns noch kein Diskussionspunkt. Daher gleich zur zweiten:
Bei Aristoteles finden sich die Ausdrücke energeia und
entelecheia , die nur ganz bedingt als synonym anzusehen
sind.
Da bin ich ganz Deiner Meinung. Im Hinblick auf den Akt des Wirkens ist die entelecheia nicht als Wirksamkeit (bzw. Ursächlichkeit), sondern als Anlage zur Verwirklichung zu verstehen. Das derart real Mögliche befindet sich auf dem Weg zu seiner Wirklichkeit (als seiner essenziellen Vollendung) - hier deckt sich übrigens der Begriff der Bewegung mit der des Werdens weitestgehend.
Was sich noch auf dem Weg der Verwirklichung befindet,
„das der Möglichkeit nach Seiende“
kann nur bedingt ein Wirkliches sein, wohingegen das Ziel (telos) dieses Wegs
„das der Wirklichkeit nach Seiende“
als eben jenes Ursächliche anzusehen ist, das sich bei jeder Verwirklichung als das Wirksame, d.h. im höchsten Sinne Wirkliche bemerkbar macht.
Insofern sehe ich Aristoteles übrigens durchaus noch als einen Platoniker - bei allen Revisionen, die er an der Philosophie seines Lehrers vorgenommen hat.
Der eigentliche Postplatonismus dürfte erst im Spätmittelalter begonnen haben. Er lässt sich als „Dynamisierung des Seinsverständnisses“ umschreiben, dem nach und nach die Möglichkeit (dynamis) als das einzig Reale erscheint, und mündet z.B. in die Formel Sartres: „Die [dynamische] Existenz geht [ontologisch] der Essenz voraus.“
Auf diesem Stand der Dinge kann man die Zusammengehörigkeit der beiden oben angegebenen Bedeutungen vielleicht am besten mit dem Begriff der Faktizität kennzeichnen. (Jetzt also Tat- statt Ur-sächlichkeit!) Denn sowohl Wittgenstein als auch Sartre legen auf das faktische „der-Fall-sein“ oder „Geworfensein“ den ontologischen Akzent.
Ich bin der Auffassung, dass nur vor diesem sozusagen gnostisch-positivistischen Hintergrund ein heutiger Publizist glauben kann, bei seinen Zeitgenossen gut anzukommen, wenn er seinen Focus auf „Fakten, Fakten, Fakten“ richtet.
Nun fühle Dich aber nicht gefragt, was denn Hegel dazu sagen würde 