Hallo Frank,
der link beinhaltet eine schöne zusammenfassung. was ich noch
nicht kenne, ist „Immunisierungsstrategie“. das geht aus dem
text nicht ganz hervor.
ein rethorischer trick?
nicht ganz, sondern eigentlich ein inhaltlicher.
„Wissenschaft“ im gemeinten Sinn muss „falsifizierbar“ sein. Das heißt, es muss möglich sein, anzugeben, unter welchen Umständen eine Behauptung falsch ist. Wenn ich das nicht angeben kann, dann habe ich mich gegen jede Kritik „immunisiert“, weil ja niemand die Möglichkeit hat nachweisen, dass ich einen Fehler gemacht habe - woraus folgt, dass ich in diesem Punkt immer Recht habe. Ich bin also gegen den Nachweis „immun“. Der Vorwurf der Fehlerhaftigkeit kann mir in diesem Punkt nicht gemacht werden.
Historisches (wenn es interessiert):
Der „Wiener Kreis“ (Moritz Schlick, Rudolf Carnap u. a.) behauptete in den 20er und 30er Jahren, dass man von „Wissenschaft“ nur sprechen könne, wenn man eine Aussage „verifiziert“, sie also als „richtig“ nachweist.
1935 hat Karl Popper (1902-94) in seiner „Logik der Forschung“ dann die (heute jedenfalls in der experimentellen Naturwissenschaft weitgehend akzeptierte) These von der Notwendigkeit der Falsifizierbarkeit aufgestellt.
Eine Folge dieser Auffassung ist, dass Wissenschaft keine endgültigen Wahrheiten aufstellt (aufstellen kann), weil sie durch die Falsifizierbarkeit ihrer Aussagen grundsätzlich nur vorläufig gültig ist.
Für die Astrologie gilt daher, dass man die behauptete Wirksamkeit nicht nachweisen kann, ja gar nicht nachweisen muss, wenn man sie als Wissenschaft bezeichnen will, sondern man muss umgekehrt zeigen, unter welchen Umständen die Astrologie fehlerhaft ist (z. B. der Ansatz Gauquelins).
Einige Schüler Poppers (z. B. Paul Feyerabend 1924-94) haben daraus geschlossen, dass Wissenschaft gar nicht möglich ist und zwischen den Aussagen der Physik und den Aussagen des Kaffeesatzlesens im Grunde kein wesentlicher Unterschied besteht.
Aber das ist ein weiterführender Gedanke, der zu einem zu langen Posting führen würde. Nur noch eins: Zwischen Popper und Feyerabend steht Thomas Kuhn mit seiner Theorie der Paradigmen. Wissenschaften richten sich nach Paradigmen, d. h. nach Leitsätzen, die nicht falsifiziert werden können, jedenfalls nicht innerhalb der sie annehmenden Disziplin. Paradigmenwechsel geschehen nach Kuhn aufgrund der Änderung der Vorgehensweise, nicht aufgrund der Änderung der Annahmen.
Herzliche Grüße
Thomas Miller