Wittgenstein und der kausalnexus

liebe leute,

ich lese den tractatus und frage mich dabei (unter anderem), weshalb wittgenstein im rahmen seiner sprachkritischen überlegungen annimmt, es gäbe keinen kausalnexus. dass er das durchaus begründet tun kann, ist mir klar, aber ich sehe den zusammenhang mit seiner sprachkritik nicht recht. (z.b.: welche konkreten folgen hätte die annahme des kausalnexus auf die unabhängigkeit der elementarsätze, oder den elementarsatz als wahrheitsfunktion seiner selbst?)

kann mir von euch jemand auf die sprünge helfen?
danke,
menil

Hallo,

ich lese den tractatus und frage mich dabei (unter anderem),
weshalb wittgenstein im rahmen seiner sprachkritischen
überlegungen annimmt, es gäbe keinen kausalnexus.

es kann in SEINEM System keinen Kausalnexus geben,
die Elementarsätze sind eine logische Konsequenz
aus seiner Auseinandersetzung mit Russels „Principia
Mathematica“, die sollte man kennen, wenn man Wittgenstein
in der „Tiefe“ verstehen will.

dass er das
durchaus begründet tun kann, ist mir klar,

Keineswegs, weder konnte er die Elementarsätze begründen,
noch einen benennen, der „Wiener Kreis“ hat das erfolglos
versucht.

aber ich sehe den
zusammenhang mit seiner sprachkritik nicht recht. (z.b.:
welche konkreten folgen hätte die annahme des kausalnexus auf
die unabhängigkeit der elementarsätze, oder den elementarsatz
als wahrheitsfunktion seiner selbst?)

Es wäre nicht mehr tautologisch, das Totalitätsprinzip würde
ausgehebelt. Die Logik steht vor der Erfahrung und kann durch
diese nicht widerlegt werden, es ist nicht möglich von der
Gegenwart auf zukünftige Ereignisse zu schliessen.
Man spricht von Systemkonsequenz.
Aber wie oben schon erwähnt, das trifft nur auf sein System zu,
der Kausalnexus soll ja existieren, der zweite Hauptsatz der Thermodynamik z.B.

Wittgenstein hat sich später davon distanziert,
was sein Werk aber nicht schmälert…

Gruss
Junktor

hallo junktor,

danke für deine hinweise. entschuldige, dass meine antwort so spät kommt.

es kann in SEINEM System keinen Kausalnexus geben,
die Elementarsätze sind eine logische Konsequenz
aus seiner Auseinandersetzung mit Russels „Principia
Mathematica“, die sollte man kennen, wenn man Wittgenstein
in der „Tiefe“ verstehen will.

ich vermute, du sprichst damit seine ablehnung logischer axiome an, die sich auf der ebene der sätze wiederspiegelt? natürlich ist es immer gut, die vorgänger zu lesen… tatsächlich aber hab ich für die principia mathematica weder die zeit noch das nötige logische vorwissen, allerdings auch nicht die disziplin, mich durch drei dicke bände logischer formeln zu arbeiten. chapeau, solltest du dich durchgeackert haben.

aber ich sehe den
zusammenhang mit seiner sprachkritik nicht recht. (z.b.:
welche konkreten folgen hätte die annahme des kausalnexus auf
die unabhängigkeit der elementarsätze, oder den elementarsatz
als wahrheitsfunktion seiner selbst?)

leider verstehe ich deine folgende antwort nicht recht. hier meine auffassung:

Es

–> ? seine logischen sätze?

wäre nicht mehr tautologisch, das Totalitätsprinzip

in bezug auf die logik?

würde ausgehebelt.

Die Logik steht vor der Erfahrung und kann durch
diese nicht widerlegt werden, es ist nicht möglich von der
Gegenwart auf zukünftige Ereignisse zu schliessen.

… ok, das sagt wittgenstein ganz deutlich, hier nun referierst du.

Man spricht von Systemkonsequenz.

mein verständnisproblem: ich sehe den zusammenhang noch nicht zwischen deinem totalitätsprinzip-satz, der wittgensteinwiedergabe und der systemkonsequenz.

Aber wie oben schon erwähnt, das trifft nur auf sein System
zu,
der Kausalnexus soll ja existieren, der zweite Hauptsatz der
Thermodynamik z.B.

letztens hat mir jemand auf die sprünge geholfen durch den hinweis auf wittgensteins prinzipielles ziel… manchmal seh ich den wald vor lauter bäumen nicht. wittgenstein als empirist ist natürlich daran interessiert, die erfahrung als rechtfertigungs- und überprüfungsgrundlage von sätzen möglichst stark zu halten; erfahrungssätze, die kausal aus anderen erfahrungssätzen hergeleitet werden können scheinen nicht nach einer überprüfung durch erfahrung zu verlangen. um die wissenschaft von spekulation frei zu halten ist es für wittgenstein also sinnvoll, den kausalnexus abzulehnen (so meine zurechtlegung…).

viele grüße,
menil

Hallo menil,

letztens hat mir jemand auf die sprünge geholfen durch den
hinweis auf wittgensteins prinzipielles ziel…

du meinst im Kontext des Tractatus, der PU oder Wittgenstein
allgemein? Bei W. gibt es das Problem, dass er, wie
du wissen wirst, zwei sich teilweise widersprechende
Philosophien entwickelte. Die einen tendieren zum
Tractatus, andere zu den PU. Und nicht wenige versuchen
einen Konsens beider zu finden, denn gerade in seinen
Widersprüchen wird Wittgenstein am ehesten verständlich,
jedenfalls wenn man sich nicht die mühselige Arbeit
der Grundlagenrecherche machen will oder kann.

Solltest du es noch nicht kennen empfehle ich dir:

http://www.amazon.de/Wittgensteins-Sp%C3%A4tphilosop…

Ohne Sekundärliteratur, als blosse Lektüre, ist er kaum
zu bewältigen, obwohl man oft von seiner klaren leicht
verständlichen Sprache liest, was aber Unfug ist.
Dort lässt sich der Meister selbst über deine Fragen aus.

Wir können aber deine Fragen, bzw. meine Antworten noch ein wenig
paraphrasieren, wenn du willst.
Es wird dann aber eine längere Geschichte, fürchte ich.

Gruss
Junktor

hallo junktor,

du meinst im Kontext des Tractatus, der PU oder Wittgenstein
allgemein?

ich meinte im kontext des tractatus, hätt ich besser dazuschreiben sollen.

Solltest du es noch nicht kennen empfehle ich dir:

http://www.amazon.de/Wittgensteins-Sp%C3%A4tphilosop…

danke, ich werde mal sehen, welche bibliothek das führt!

Ohne Sekundärliteratur, als blosse Lektüre, ist er kaum
zu bewältigen, obwohl man oft von seiner klaren leicht
verständlichen Sprache liest, was aber Unfug ist.

so ganz ohne hilfe bin ich zum glück nicht, meine bisher hilfreichste „sekundärliteratur“ ist mein prof. einige bücher harren ebenfalls meiner.
seine „klare sprache“ wird sicherlich dann angepriesen, wenn bücher verkauft werden sollen oder eben, wenn man noch nicht an „welt“ und „wirklichkeit“ verzweifelt ist, weil man wittgenstein nebenbei im zug liest. ich empfinde wittgensteins sprache aber tatsächlich als sehr angenehm im vergleich zu kants satzmonstern.

Wir können aber deine Fragen, bzw. meine Antworten noch ein
wenig
paraphrasieren, wenn du willst.

na da bin ich beruhigt, dass du meine fragen als paraphrasierungen verstehst.

Es wird dann aber eine längere Geschichte, fürchte ich.

gerne wieder, der nächste knackpunkt für mich werden wohl raum und zeit (bezogen auf den tractatus)… aber das hat zeit.

grüße, menil

hallo menil,

ich meinte im kontext des tractatus, hätt ich besser
dazuschreiben sollen.

dann betrachte einmal die Geschichte der der Elementarsätze,
von Wittgensteins logischer Forderung, bis hin zur späteren
Protokollsatzdebatte des Wiener Kreises.
(Der WK nannte den Elementarsatz später Protokollsatz)

http://www.google.com/search?q=Protokollsatzdebatte&…

Ein einziger Begriff macht soviel Mühe!
Daran kannst du erkennen, welche konzentrierte
Qualität in Wittgensteins Philosophie steckt.
Und weshalb deine Fragen nicht so einfach zu
beantworten sind. Man muss sich zu den positivistischen Tractatusanhängern, wie dem Wiener Kreis oder den PU Anhängern,
man spricht auch von Wittgenstein I oder W. II
bekennen oder man folgt dem Meister, soweit
das möglich ist seine Besessenheit und innerliche
Zerrissenheit nachzuvollziehen.
Denn grade Logikern oder sich abstrakter Sprache
bedienender Philosophen wie etwa Husserl, sieht
man ihre tiefe Emotionalität nicht an.

so ganz ohne hilfe bin ich zum glück nicht, meine bisher
hilfreichste „sekundärliteratur“ ist mein prof. einige bücher
harren ebenfalls meiner.

Na dann bist du ja bestens versorgt.

seine „klare sprache“ wird sicherlich dann angepriesen, wenn
bücher verkauft werden sollen oder eben, wenn man noch nicht
an „welt“ und „wirklichkeit“ verzweifelt ist, weil man
wittgenstein nebenbei im zug liest. ich empfinde wittgensteins
sprache aber tatsächlich als sehr angenehm im vergleich zu
kants satzmonstern.

-)

na da bin ich beruhigt, dass du meine fragen als
paraphrasierungen verstehst.

Man kann gar nicht anders als paraphrasieren,
es sei denn man wollte den Meister toppen!
Und das Unsagbare beschreiben. :wink:

Ciao

Junktor