WKII. Nicht verloren?

Ortega

Dazu gibt es ein passendes spanisches Sprichwort: „Auf Bajonette kann man sich kurz stützen, aber nie lange sitzen“

Kein spanisches Sprichwort, sondern ein französisches Zitat: „On peut tout faire avec les baïonnettes, sauf s’asseoir dessus“ von Talleyrand. José Ortega y Gasset zitiert ihn in ‚La rebelión de las masas‘ (Der Aufstand der Massen): „La verdad es que no se manda con los jenizaros. Asi, Talleyrand pudo decir a Napoléon: «Con las bayonetas, sire, se puede hacer todo, menos una cosa: sentarse sobre ellas.»“

Übersetzt und im Kontext:

„Das Gesetz der öffentlichen Meinung ist das allgemeine Gravitationsgesetz der politischen Geschichte. Es macht die Geschichtswissenschaft allererst möglich. Aufgabe der Geschichte ist es darum, wie HUME scharfsinnig bemerkte, zu zeigen, daß die öffentliche Meinung keine verstiegene Forderung, sondern eine immer und in jedem Augenblick wirkende Realität in den menschlichen Gesellschaften ist. Denn selbst wer mit Janitscharen zu regieren gedenkt, ist davon abhängig, welche Meinung sie über ihn und seine übrigen Untertanen über sie haben.
Die Wahrheit ist, daß man mit Janitscharen nicht herrschen kann. So TALLEYRAND zu NAPOLEON: «Die Bajonette, Sire, taugen zu allem, nur nicht zu einem: sich darauf zu setzen.» Herrschen ist nicht die Gebärde, welche die Macht an sich reißt, sondern ihre ruhige Ausübung. Kurz, herrschen heißt sitzen — auf dem Thron, der sella curulis, dem Ministersitz, dem Heiligen Stuhl. Entgegen einem harmlosen Zeitungsschreiber-Standpunkt ist Herrschen weniger eine Angelegenheit der Faust als des Sitzfleisches.“

(Übers. Helene Weyl)

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo Disa,

alles sehr schön geschrieben (aber hakt Deine Umschalttaste?), allein einem Punkt stimme ich nicht zu:

Der Zug der Zeit schien 1933 durchaus weg von der Demokratie zu ziehen. Dazu reicht ein kurzer Blick auf die Zahl der Demokratien in Europa 1920 und 1935. Ja, es schien, als sei die Demokratie ein Auslaufmodell.

Gruß,
Andreas