Im wesentlichen interessiere ich mich dafür, wieso die Bundespost in den sechziger und siebziger Jahren in ganz Westdeutschland ein flächendeckendes Netz von Fernmeldetürmen aufgebaut hat. Viele von diesen Türmen traten nie als Rundfunksender auf und Mobiltelefonie spielte damals auch noch keine große Rolle. Als Antwort erhielt ich, dass diese zum Aufbau eines Richtfunknetzes benötigt wurden. Doch wofür braucht/brauchte man Richtfunk (jetzt von Nischenanwendungen wie z.B. Polizei mal abgesehen)?
Bei Wikipedia steht, dass diese Richtfunkstrecken als Verbindung zwischen Telefonvermittlungsstellen benutzt wurden. Ist das der Hauptgrund für die Errichtung der Fernmeldetürme?
Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, da man doch schon vorher ein flächendeckendes Telefonnetz hatte, dass auch ohne Richtfunk auskam.
Hallo Fragewurm,
Im wesentlichen interessiere ich mich dafür, wieso die
Bundespost in den sechziger und siebziger Jahren in ganz
Westdeutschland ein flächendeckendes Netz von Fernmeldetürmen
aufgebaut hat. Viele von diesen Türmen traten nie als
Rundfunksender auf und Mobiltelefonie spielte damals auch noch
keine große Rolle. Als Antwort erhielt ich, dass diese zum
Aufbau eines Richtfunknetzes benötigt wurden. Doch wofür
braucht/brauchte man Richtfunk (jetzt von Nischenanwendungen
wie z.B. Polizei mal abgesehen)?
Richtfunk ist eine Punkt zu Punkt Verbindung, eigentlich wie ein Kabel, nur unsichtbar.
Über weite Strecken ist Richtfunk billiger bei der Installation als ein Kabel.
Bei Wikipedia steht, dass diese Richtfunkstrecken als
Verbindung zwischen Telefonvermittlungsstellen benutzt wurden.
Ist das der Hauptgrund für die Errichtung der Fernmeldetürme?
Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, da man doch
schon vorher ein flächendeckendes Telefonnetz hatte, dass auch
ohne Richtfunk auskam.
Flächendeckend ist das eine, die Kapazität (also wieviele Telefonate gleichzeitig geführt werden können) etwas anderes. Heute erlebt man fast nur noch zu Neujahr, dass die Netze überlastet sind, wenn alle um 00:00 ihre Glückwünsche loswerden wollen.
Es gab in dieser Zeit immer mehr Telefonanschlüsse. Hinzu kamen noch neue Dienste wie Fax und Datenfernübertragung (Telematik). Die ersten ISDN-Normen wurden auch schon in den 70er Jahren von der damaligen CCITT ( heute ITU) verabschiedet. Damals zeichnete sich schon manches am Horizont ab.
Bis in die 80er Jahre habe ich das hier (Schweiz) noch öfters erlebt, dass bei Fernverbindungen alle Leitungen belegt waren (Man hat dann schon bei der Eingabe der Vorwahl ein Besetztzeichen erhalten).
MfG Peter(TOO)
Hallo, Christian,
in der Tat werden Richtfunknetze zusätzlich zum Kabelnetz zur Verbindung von Vermittlungen eingesetzt. Das Stichwort dafür heißt „Redundanz“. Damit eine Orts- oder Knotenvermittlung nicht gänzlich vom Netz abgeschnitten ist, wenn ein Bagger wiedermal ein wichtiges Kabel anknabbert, kann man dann zumindest einen Teil des Verkerhs über die Richtfunkstrecke schicken. Auch bei zeitweiliger Überlastung des Grundnetzes bieten Richtfunkstrecken zusätzliche Kapazitäten.
Für Notfälle hält die Telekom (die ist es, die diese Strecken unterhält, nicht die Post!) mobile Richtfunksender vor, die im Bedarfsfalle innerhalb weniger Stunden eingesetzt werden können.
Gruß
Eckard
Hallo,
das Problem ist die Leitungskapazität und -länge.
Eine Richtfunkverbindung mit STM1 (155MBit/s) kann rund 2000 ISDN-Gespräche a 64kBit/s transportieren.
Eine Doppelader mit PCM30 kann 30 Telefongespräche führen.
Will man also z.B. die Hauptvermittlungsstelle München und Nürnberg mit 2000 Leitungen verbinden, braucht man eine STM1-Richtfunkstrecke mit (ich schätze) 1-2 Zwischenhops oder 66 Doppeladern mit xxx Zwischenverstärkern. Für die Richtfunkstrecken braucht man ein paar Funktürme, für das Kabel 160km Graben.
Will man die Kapazität verdoppeln, baut man beim Richtfunk kreuzpolar einen zweiten Sender ein, beim Kabel buddelt man wieder 160km… Die erwischt sicher bald wieder ein Bagger, dann dürfen Techniker 132 Doppeladren zusammenflicken, bis wieder was geht…
Außerdem wurde über diese Richtfunkstrecken auch z.B. das Fernsehsignal zu den Sendetürmen geführt, wofür früher Kabel (auf Langstrecken) nicht leistungsfähig genug waren.
Nachdem die T-Com heute ein leistungsfähiges Glasfasernetz hat, aber für die montierten Schüsseln auf den Türmen an die DFMG (DeutscheFunkturmManagementGesellschaft, auch im T-Konzern) konzernintern heftig Miete zahlen muß, verschwinden immer mehr der großen Schüsseln. Der Fernmeldeturm Nürnberg z.B. wirkt schüsseltechnisch mittlerweile richtig nackt…
Richtfunk lohnt sich auch noch bei festen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen von Firmenstandorten. Bei einer Entfernung der Standorte in der Größenordnung um 10km amortisieren sich die erhöhten Anschaffungskosten des Richtfunks durch die hohe Monatsmiete von Standleitungen schon nach rund 3 Jahren. Die Schüsseln sind dabei bloß 30 / 60 / 90cm groß, Kapazität von 2Mbit Vollduplex bis 644MBit/s Vollduplex auf einer Frequenz (Siemens SRA4). (Hat jemand eine Ahnung, was so ein Anschluß als Standleitung kostet? 2MBit/s Vollduplex als S-DSL kosten monatlich 150 Euro… Für eine Seite… WENN DSL verfügbar ist!!!)
Extrem viel Richtfunk setzen die Mobilfunknetzbetreiber ein, um ihre Standorte anzubinden (außer natürlich T-Mobil…). Mittlere Jahres-Verfügbarkeit ist durch die Häufigkeit von Baggerschäden an Leitungen sogar höher bei Richtfunk, auch wenn so ein Richtfunk bei Starkregen/Schneesturm gerne mal ausfällt. Aber meist nur für 15-30 Minuten, während bei einer Leitungsstörung schnell mal Tage vergehen (schon mal am Freitag Nachmittag versucht, einen in der Erde verbuddelten Telekom-Leitungsverstärker tauschen zu lassen??? Vor Montag mittag kommt da kein Bautrupp!!!)
Einen Überblick z.B. über das Vodafone-Richtfunknetz um Karlsruhe gibt es bei http://www.nobbi.com/ unter „Richtfunkkarte“. Unter „Bilder“ sieht man auch viele Mobilfunkstationen mit ihrem Richtfunk.
Noch Fragen?
Sven