Woher kommen die deutsche Nachnamen in Südamerika?

Hallo WWW-lers,

In den letzten Tagen ist es mir ganz besonders -jedenfalls weit mehr als sonst-, aus persönlichen Gründen, aufgefallen, die viele deutsche Nachnamen, die in Südamerika gibt. Manche haben sogar einen deutschen Vornamen.

Woher kommen diese Menschen (meistens in Argentinien lebend)? Ich meine, sie selber sind schon dort geboren und die Eltern sind wohl aus Deutschland ausgewandert.

Ich weiß, dass viele hochrangige Militärs, nach dem 2. Weltkrieg dort Zuflucht gefunden haben. Aber das dürften gar nicht so viele sein, oder? Und wer waren die anderen? Es dürften auch Verfolgten des NS-Regimes sein (Jüden, Kommunisten, Zigeuner, Kranken,…). Und der Rest? Wer sonst ist damals auch nach Südamerika ausgewandert?

Schon jetzt vielen Dank und einen schönen Gruß,
Helena

Servus,

in Argentinien und Paraguay gibt es relativ viele Mennoniten und konvertierte Nachkommen von Mennoniten.

Der Süden Brasiliens war ein wichtiges Ziel von deutschen Auswanderern, das Zentrum ist Blumenau (Santa Catarina), aber auch Sao Paulo und Porto Alegre waren Ziele deutscher Auswanderer.

Im Norden Brasiliens war wegen der Lage im äußersten Osten des Subkontinents Recife das Ziel der Transatlantikfahrten der Zeppelin-Luftschiffe; in Recife steht der einzige bis heute erhaltene Luftschiff-Ankermast, der für die Größe der LZ 127 ausgelegt ist.

Brasilien und Argentinien haben nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur über die „Rat Line“ und andere Wege mehr oder weniger komfortabel dorthin entkommene Nazis aller Ränge aufgenommen. Insbesondere Brasilien hat ganz systematisch nach 1945 wegen des dramatischen Frauenmangels deutsche Frauen im heiratsfähigen Alter mit geeigneten Qualifikationen angeworben - meine Mutter hatte bereits alle Formalia erledigt und das Visum in der Tasche, als mein Vater ihr den Heiratsantrag machte und sie dann doch lieber in Deutschland geblieben ist, obwohl zu diesem Zeitpunkt 1947 niemand wusste, wohin und wie das Leben denn weitergehen sollte.

Wobei, das ist sicher wahr, eine deutsche Frau keinen deutschen Familiennamen nach Brasilien bringen konnte.

Schöne Grüße

MM

Hallo Helena,
schau mal hier:
[http://www.europa.clio-online.de/site/lang__de/ItemI…](http://www.europa.clio-online.de/site/lang de/ItemID 254/mid__12210/40208773/Default.aspx)

Allein in Buenos Aires leben Schätzungen zufolge ca. 1 Million deutschstämmiger Argentinier. Insbesondere im Stadtviertel Belgrano waren deutsche Einwanderer konzentriert; dort entstand das noch heute gesprochene ‚Belgranodeutsch‘, eine deutsch-spanische Mischsprache.

Die erste große Einwanderungswelle aus Deutschland begann gegen 1880, die zweite größere Welle war zwischen den Weltkriegen. Letztere betraf vor allem deutsche Juden; Argentinien stand als Einwanderungsziel lediglich hinter Palästina zurück: http://www.ila-web.de/kulturszene/301juedischeemigra… Buenos Aires hatte damals die drittgrößte jüdische Gemeinde weltweit (nach Tel Aviv und New York).

Die Einwanderer nach 1945 (auch die über die ‚rat lines‘) fallen dagegen zahlenmäßig kaum ins Gewicht.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Helena,

lies dir mal diesen Link durch. Das ist ein schöner Aufsatz zu den Auswanderungen nach Südamerika.

http://www.matices.de/15/15sstrup.htm

So manche Auswandererfamilie hat berühmte Nachkommen hervorgebracht.
Wer kennt nicht Model Gisele Bündchen, Tennisspieler Gustavo Kuerten oder den paraguayischen Diktator Alfredo Stroessner.

Und dir als Fußballfan ein kleines Schmankerl zur letzten WM, der brasilianische 6er Elano heißt mit bürgerlichem Namen Ralph Blumer.

Gruß
Lawrence

Hi Ralf,

zum Thema der Aufnahme deutscher Juden in Amerika noch der geschichtliche Hintertreppenwitz, dass ausgerechnet der Schmalspur-Wüterich Rafael Trujillo in der Dominikanischen Republik, der sicher gern auch ein richtiger Caudillo geworden/gewesen wäre, in für sein kleines Land erheblichem Umfang deutsche Juden aufnehmen ließ, obwohl er ja eigentlich ein braver Antisemit hätte sein müssen, weil er die Landwirtschaft und insbesondere die Rindviehhaltung und Milchproduktion in seinem vernachlässigten Ländlein vorwärts bringen wollte, und der Meinung war, jeder Deutsche müsse qua Abstammung irgendeine Ahnung von Milchviehhaltung haben, selbst wenn ihm und seinen Vorvätern schon seit vielen Generationen Landbesitz und mithin Landwirtschaft nicht erlaubt war.

Netterweise war der Devisenwechsler meines in Jarabacoa verheirateten Bruders, der dieses Geschäft wohl nicht so ganz legal betrieb, aber mit viel mehr Erfolg als die dafür zuständigen Banken, weil er alle Devisen sofort in Warenimporte umsetzte, ausgerechnet der Sohn von jüdischen Bauern deutscher Herkunft, deren Väter und Vorväter in Deutschland nie eine Egge auch bloß aus der Nähe gesehen hatten. Bloß sie selber hatten sich im Traum von Erez Jisroel in den 1920er Jahren mit der Materie - eher theoretisch als im Tun - beschäftigt, aber das reichte schon aus fürs Überleben auf Hispaniola.

Schöne Grüße

MM

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Hallo Helena,

Woher kommen diese Menschen (meistens in Argentinien lebend)?

ist das vielleicht auch eine selektive Wahrnehmung? Mir fallen aus Argentinien besonders viele italienische Nachnamen auf, wovon ich einige Leute auch persönlich kenne.
Aber schließlich sind die letzten Jahrhunderte aus Europa sehr viele Leute nach Amerika ausgewandert.

Gruß
Torsten

Hallo Torsten,
in der Tat waren nach Spaniern Italiener die größte ethnische Gruppe von Einwanderern im Argentinien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Deutsche gingen hingegen bevorzugt (zu ca. 90%) in die USA.

Gruß,
Ralf

VIELEN HERZLICHEN DANK, AN ALL…
Hallo Antwortenden,
Vielen herzlichen Dank für die Beantwortung meienr Frage.
Ich habe jetzt leider nicht so viel Zeit um alle persönlich zu bedanken, also ich hoffe Ihr fühlt Euch auch so gebührlich bedankt!

Die Links fand ich allesamt sehr interessant, vorallem den Aufsatz aus der Antwort von Lawrence.

Und auf die Frage von Torsten:
Nein, es ist ganz sicher keine selektive Wahrnehmung, dass auch in Argentinien viele deutsche Nachnamen gibt. (Ich will sie hier aber nicht eingeben). Ich habe mit vielen zu tun und ein paar kenne ich auch persönlich. Dass auch italienischen Nachkommen dort gibt, ist mMn. gar nicht zu bestreiten und von der Hand zu weisen.

Was ich irgendwie lustig, nett finde ist die Tatsache, dass wenn einen Argentinier mit zB italienischen Nachnamen, spricht er dieser nicht nach italienischen Aussprachregeln, sondern nach spanischen! ;o)) Das finde ich irgendwie sehr süß… (mit deutschen funktionert das genauso, so meine Erfahrung)

Also, nochmals Dankeschön an alle, die sich beteiligt haben. Ich fand das sehr interessant und hat mich weiter geholfen.

Schöne Grüße,
Helena