Maria - Sophia
Hi Milovic
(sorry, leider mal wieder sehr lang *gg*)
eine religionshistorisch ganz spannende Angelegenheit, aber auch eine sehr komplizierte…
Zunächst wäre es die Frage nach der Entwicklung des Marienkultes im Christentum überhaupt. Daß in den Reformationsbewegungen der Marienkult abgelehnt wurde, ist ja eine sehr späte Entwicklung, die mit der Entstehung des Kultes nichts zu tun hat.
Es ist eine sehr umfangreiche Mythologie-Geschichte, deshalb will ich nur ein paar Hauptpunkte herauspicken:
Die Formen des Kultes resultieren alle aus Synkretismen, so wie es barbara schon erklärte. Im gesamten Mittelmeerraum gab es schon Jahrhunderte vor der Entstehung des Christentums Kulte, in denen einerseits eine Mutter mit Kind vorkam (nur als Beispiel Isis/Osiris) und andererseits eine Göttin verehrt wurde, die an die Mondphasen assoziiert wurde.
In Italien hat man eine Werkstätte aus dem 2. Jhdt v.Ch. gefunden (weiß leider im Augenblick nicht, wo), in der kleine Tonfiguren (Devotionalien) produziert wurden, die eine Frau mit einem Kind auf der Schulter darstellten…
Die Mondphasengöttin (ich nenn sie mal so) hat generell die Eigenschaft, entweder weiß zu sein (Vollmond) oder schwarz (Neumond). Die Sichel des zunehmenden oder abnehmenden Mondes wurde an ein Schiff assoziiert, auf dem die Göttin (stehend) den Himmel durchkreuzt. Daher die zahlreichen Darstellungen und Kulte der „schwarzen Maria“ und auch das Phänomen, daß Marienstatuetten häufig eine Mondsichel unter dem Fuß haben. Hier handelt es sich also eindeutig um das, was barbara beschrieb: hier wurden bereits bestehende Kulte mit einer neuen, aber ähnlichen Mythologie überlagert. Daß soetwas in der Christentumsgeschichte, überhaupt in der Geschichte aller Religionen nur selten ohne Gewalt abging, das ist ja jetzt nicht das Thema…
Daß der Marienkult bereits im frühesten Christentum eine Rolle spielte, das erkennt man aus der Tatsache, daß in zweien der vier Evangelien (Matthäus, Lucas) über die „Mutter Jesu“, die auf hebr. Marjam oder Mirjam hieß, eine Geschichte geschrieben wird, auf welche Weise sie mit Jesus schwanger wurde, von der man heute nicht weiß, wo die eigentlich herkommt. Daß in den Evangelientexten sichtbar wird, daß man Maria durchaus auch als reale Mutter sah, die außer Jesus auch noch andere Kinder hatte, darüber kann man hier nachlesen:
„Jesus und seine Geschwister“ (Forum Geistesw.)
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Daß Personen, die später als Religionsgründer geschichtliche Bedeutung bekommen, eine besondere Form Geburtsgeschichte zugeschrieben wird, bei der es nicht mit rechten Dingen zugeht, ist keineswegs eine Besonderheit des Christentums. Gerade Mesopotamien und im Mittelmeerraum ist die Schwängerung einer Frau durch eine göttliche Gestalt nichts besonderes. Ich bin gerade einer alten chinesischen Darstellung der Geschichte des Buddha (der dort Shakyamuni heißt) auf der Spur, die enorme Ähnlichkeiten mit der mythischen Jesusgeburt aufweist (mit der Grabesgeschichte und der „Auferstehung“ übrigens auch).
Auch daß die Marjam als Jungfrau (griech. parthenos) gebiert (obgleich sie im Aramäischen lediglich eine „junge Frau“ ist, ebenso in Isaia 7.14, eine Stelle, auf die sich Lucas 1.31 als Vorhersage bezieht - auch Paulus Galater 4.4 hat nur „geboren aus einer Frau“) dargestellt und verehrt wird, hat eine hervorragende Bedeutung, die man aber nur nachvollziehen (oder meintwegen auch beibehalten) kann, wenn man sie als Mythos nimmt: es ist ein (geradezu internationaler) archaischer mythologischer Standart, an die „junge Frau“ die „göttliche Weisheit“ zu assoziieren. Beispiele: Athena, ferner die griech. „sophia“, die als Frau vorgestellt wurde und gemeinsam mit dem „pneuma“ (Geist) in griech. Geheimkulten und auch in der Stoa eine wesentliche Rolle spielte, von der späteren Gnosis ganz abgesehen.
Die frühen Christen haben vermutlich an die Gestalt (besser sollte man sagen, die Idee) „Maria“ ebenfalls bereits ältere Aussagen über die Weisheit (hebr. „chokma“) und auch an „ruah“ assoziiert. Besonders die Stellen Sirach 1.1-9, 24,1-18, 24.19-22, Sprüche 8.12-31 und besonders Sprüche 31.10-31 und viele andere haben Aussagen, die in die spätere Marienverehrung eingehen.
Eine weitere Geschichte ist, wie es zu dem Ausdruck „Mutter Gottes“ (griech. „theotókos“ Gottesgebährerin) kam. Das hängt natürlich unmittelbar mit der Entwicklung des Verständnisses von Jesus als eine der „drei Personen Gottes“ zusammen.
siehe hierzu: „Geist und Trinität“
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
und „Trinität und Triaden“
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Das ist aber zuviel für ein Posting, und ich weiß ja nicht, wie genau du es wissen wolltest.
Das problematischste für den Nichtanhänger von Marienkulten ist zweifellos die sog. Jungfrauengeburt. Aber diese Idee ist rein mythologisch betrachtet gar kein Problem und in der weltweiten Mythologiegeschichte keineswegs etwas außergewöhnliches. Abstrus und - um auch mal ne persönliche Stellungsnahme dazuzusagen - geradezu ketzerisch und sogar wiederlich wird das erst, wenn man daraus eine biologisch-medizinische Fragestellung macht - egal, ob man sie irrsinnigerweise zu einer medizinischen Tatsache macht und dann auch noch zu einer Glaubensverpflichtung, oder ob man dagegen opponiert (wodurch man es ja immer noch zu einem sinnvollen Diskussiongegenstand erklären würde). Mythen haben ihre Bedeutung und ihre Großartigkeit an sich selbst und haben nun mal absolut nichts mit historischen oder biologischen Tatsachen zu tun…
zum Verständnis von Mythen siehe
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
so - ich mach mal nen Punkt, sonst wird noch ein Buch draus…
Grüße
Metapher (der übrigens nicht Anhänger von Marienkulten ist)