Wurde auch im Winter an den Kathedralen gebaut?

Die tollen, gotischen Kathedralen, die vor allem in Frankreich im Mittelalter entstanden. Weiß jemand, ob man im Winter die Arbeit daran ruhen ließ, oder ob sie bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit daran weiterbauten, sofern die monetäre Lage es zuließ?

Hallo Blueberry,

die Maurer- und Erdarbeiten ruhten, die Schmiede und Steinmetze arbeiteten weiter und schafften einen Vorrat für das nächste Jahr.

Oder auf eine kurze Formel gebracht: Je höher qualifiziert der Arbeiter, desto wahrscheinlicher wurde er über den Winter über beschäftigt.

Gruß
Hardey

Interessant! Dankeschön! :smile:

Moin,

ich empfehle die Lektüre des Buches „Die Säulen der Erde“ von Ken Follett. Abgesehen von spannenden Nebenhandlungen geht es dabei um den Bau einer Kathedrale. Dabei sind auch die Vorgänge im Winter beschrieben…

Gruß,

Florian

die Maurer- und Erdarbeiten ruhten, die Schmiede und

Steinmetze arbeiteten weiter und schafften einen Vorrat für
das nächste Jahr.

Oder auf eine kurze Formel gebracht: Je höher qualifiziert der
Arbeiter, desto wahrscheinlicher wurde er über den Winter über
beschäftigt.

Hallo,
die Formel greift allerdings zu kurz.

  1. Hast du schon einmal ein Kathedralengewölbe von oben gesehen? Dann wirst du nicht mehr so unumwunden sagen, dass die Maurer weniger qualifiziert gewesen seien als die Schmiede.
  2. Versuch doch mal, bei Frost Erde zu schaufeln oder Mörtel anzurühren und zu verarbeiten?

Gruß
Henry

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Hallo Henry

die Formel greift allerdings zu kurz.

Natürlich hast du recht. Ich hatte aber den Eindruck, der Ursprungsposter würde eine kurze, vereinfachte Antwort bevorzugen. Auf eine eventuelle Rückfrage wäre ich natürlich ausführlicher eingegangen.

  1. Hast du schon einmal ein Kathedralengewölbe von oben
    gesehen? Dann wirst du nicht mehr so unumwunden sagen, dass
    die Maurer weniger qualifiziert gewesen seien als die
    Schmiede.

Alle Bauhandwerker des Mittelalters haben meine uneingeschränkte Hochachtung. Was sie damals geleistet haben, ist kaum genug zu bewundern. Das fängt bei den Baumeistern an, geht über Schmiede, Zimmerer, Steinmetzte, Maurer und ist bei Mörtelmischer, Seiler, Töpfer noch lange nicht zu Ende.

Trotzdem gab es eine Rangfolge auf den mittelalterlichen Baustellen. Ich meine mich zu erinnern (für den Nachweis müsste ich länger suchen), dass die Schmiede auf den Baustellen nach dem Baumeister(n) und vor den Steinmetzen die höchstbezahlten Handwerker waren. Hieraus kann man nicht auf die Qualifikation, wohl aber auf die Reputation schließen.

  1. Versuch doch mal, bei Frost Erde zu schaufeln oder Mörtel
    anzurühren und zu verarbeiten?

Freilich, das war ja der Grund der Winterpause. Und natürlich, die Schmiede und auch die Steinmetze hatten den Vorteil der kontinuierlichen Arbeitsmöglichkeit. Doch dreht sich die Ursprungsfrage ja auch darum, wer von den Bauarbeitern, dessen Profession gerade nicht zu gebrauchen war, wurde im Winterhalbjahr zum hungern in die Wüste geschickt und wer wurde mit anderen Arbeiten durchgefüttert. Und da sehe ich schon den Zusammenhang, dass eine dringend gebrauchte Spezialisierung (Qualifikation) einer ganzjährigen Beschäftigung sehr zuträglich war. Es wäre doch zu peinlich gewesen, wenn sich im Frühling plötzlich herausstellt, dass niemand aufzutreiben ist, der über die Beschaffenheit des Zements im Bereich der Deckenkonstruktion Bescheid weiß.

Gruß
Hardey

Hallo Hardey,

danke für die ausführliche Antwort! Ob aber kurz und vereinfachend oder auführlich und differenziert, die Antwort muss stimmen. Die Ausgangsfrage des Threads lautete: „Wurde auch im Winter an den Kathedralen gebaut?“ Darauf lautet die Antwort grob: bis ins 13. Jh. ruhte die Arbeit an der Baustelle, denn auch die Steinmetzen und Zimmerleute arbeiteten im Freien. Erst ab dem 13. Jh. wurden allmählich hölzerne Hütten errichtet, in denen auch im Winter geabeitet werden konnte.

Dass die Steinmetzen so gesuchte und besonders gut bezahlte Fachkräfte waren, lag vermutlich weniger an ihrer höheren Qualifikation als vielmehr daran, dass von ihnen besonders viele ständig gebraucht wurden. Vielleicht kannst du eine andere Erklärung glaubhaft machen. Die überlieferten Daten sind aber spärlich, und Lohnhöhe und anzahl der Beschäftigten interpretationsfähig. Günther Bindig („Was ist Gotik?“, Wissenschaftl. Buchgesellschaft) gibt für mehrere Kathedralbauten die Anzahl der Arbeiter und Handwerker an. Da sind im Schnitt jeweils pro Bauhütte die Hälfte Hilfsarbeiter, ein viertel bis ein drittel Steinmetzen, die restlichen Prozent andere Handwerker.

Deine Erklärung, dass die qualifizierteren Handwerker über den Winter gehalten wurden, damit sie im Frühjahr verfügbar waren, lässt sich nicht halten. Die Handwerker, die Steinmetzen zumal, waren Wanderarbeiter nach Art der Zunftgesellen. Aus derselben Quelle (Binding) geht hervor, dass die durchschnittliche Beschäftigungsdauer der Steinmetzen z.T. 5-10 Monate betrug, weniger als die Hälfte blieb länger als 12 Monate in einer Bauhütte. Die Bezahlung der Hilfsarbeiter erfolgte täglich, die der Fachkräfte wöchentlich. Im Spätmittelalter legten die Hütten die Mindestverweildauer für Steinmetzen an einer Baustelle auf eine Woche (!) fest.

Die Hilfsarbeiter kamen aus der unmittelbaren Umgebung und verließen die Baustelle im September mehrheitlich, um zuhause bei der Ernte zu helfen. Da sie für die laufende Produktion unabdingbar waren, lief vermutlich auch die Arbeit der Fachkräfte auf Sparflamme.

Wo und wovon diese in der Zeit lebten, in der sie nicht am Kathedralbau beschäftigt waren, ist vermutlich schwer zu ermitteln. Über die genannten spärlichen Daten hinaus gab es ja keine biografische oder sozialhistorische Literatur über mittelalterliche Habdwerker. Vermutlich hatten sie ebenfalls ein familiäres Standbein auf dem Land oder in einer entfernteren Stadt. Soziologen nennen das für die heutigen Bedingungen in der „3. Welt“ „strukturelle Heterogenität“. Der Bus aus der ägyptischen Oase ins 600 Km entfernte Kairo ist sonntagabends brechend voll von jungen Männern, die von „zuhause“, wo sie am Wochenende leben und Landwirtschaft betreiben, nach Kairo fahren, wo sie in Industrie und Handwerk tätig sind.

Erst um die Mitte des 15. Jhd. (Straßburg 1459) gelang es den Steinmetzen, eine „Steinmetzbruderschaft“ nach Art der Handwerkszünfte zu gründen, die überregional ihre Interessen vertrat: Lohn- und Arbeitsfragen, Ausbildung der jugendlichen Arbeiter usw.

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Im Winter wurde nicht an den Kathedralen gebaut
Hallo.
Der Maurer war und ist meist heute noch Saisonarbeiter.
Bei Frost und bei länger andauerndem Regen kann man nicht mauern.
Bei Frost würde der Mörtel gefrieren und nicht abbinden und die Mauer würde bei Tauwetter umstürzen.
Auch bei lang anhaltendem Regen muß das Mauern unterbrochen werden. Der Mörtel würde keine feste Verbindung mit den regenassen Steinen eingehen und die Mauer würde umstürzen.
Deshalb der Spruch: "Im Sommer Brot, im Winter Not.!
Die Maurer hatte immer 2 Berufe. Im Winter waren sie Hausschlachter, Korbmacher, Forstarbeiter usw.
Gruß an alle die dies lesen.
Jochewn