Zähneknirschen - Botulinumtoxin?

Hallo liebe Experten,

ich trage ob meines Zähneknirschens seit Jahren nachts eine Aufbissschiene.

Meine Zähne sind damit „geschont“, aber meine Kaumuskulatur ist sehr verspannt und ausgeprägt.

Jetzt habe ich gelesen, dass das Nervengift Botulinumtoxin die Muskeln entspannt.

Hat jemand mit der Injektion von Botulinumtoxin in den „Musculus masseter“ Erfahrung? Kann mir jemand dazu (ab)raten?
Ich habe gelesen, dass die Wirkung nur ein paar Monate anhält und man selbst die Kosten (bis auf Ausnahmen; ich bin privatversichert) tragen muss. Diese belaufen sich wohl zwischen 350 und 900 Euro. Ist das korrekt? Womit wird diese Preisspanne begründet?

Danke und viele Grüße

Kathleen

Liebe Kathleen,

unter keinen Umständen ist die Injektion von Botulinumtoxin in den m. masseter eine Option.

Ich hoffe, kein Arzt oder Zahnarzt hat Dich auf diese Idee gebracht denn dann würde ich Dir sehr ernsthaft ans Herz legen sofort den Arzt zu wechseln. Ich kann mir keine ethisch vertretbare Situation vorstellen, in der man Botox spritzen sollte (über schwachsinnige Botox-Parties will ich mich hier aber nicht auslassen).

Zur Erklärung:

Botox ist kein Muskelentspannungsmittel!!!

Botulinumtoxin ist das stärkste Nervengift das in der Natur vorkommt. Die Wirkungsweise besteht darin, dass die Reizleitung motorischer Fasern der Nerven, die die entsprechenden Muskeln steuern, irreparabel unterbunden wird. Das musst Du Dir in etwa so vorstellen als ob Du ein Stromkabel durchschneidest und deshalb das daran angeschlossene Gerät nicht mehr funktioniert.

Im menschlichen Körper ist das natürlich alles etwas komplizierter: Die Wirkung von Botulinumtoxin lässt deswegen nach, weil die zerstörte motorische Reizleitung einzelner Nerven von anderen Nervfasern übernommen wird. Das heißt, es schaltet sich quasi ein Reservesteuerungssystem zu, weil die Hauptsteuerung ausgefallen ist.

Dieses Reservesteuerungssytem muss die neuen Aufgaben aber erst lernen und deswegen dauert die Wiederherstellung der durch Botox ausgeschalteten Funktion mehrere Monate bis zu 2 Jahren, wenn es überhaupt zu einer Wiederherstellung des vorherigen Zustandes kommt, was keineswegs immer der Fall ist.

Die Muskelfasern des m. masseter durch Botox auszuschalten würde dazu führen, daß Du im besten Fall Schwierigkeiten beim Kauen bekämst, denn es würde ja nicht nur das Knirschen reduziert sondern die generelle Aktivierbarkeit dieses Muskels.

Da die Ursache für Zähneknirschen aber niemals in einer Reizweiterleitungsstörung der die Kaumuskeln versorgenden Nerven liegt, wäre eine solche Maßnahme so falsch wie ich es mir falscher garnicht vorstellen kann.

Eine solche Maßnahme würde im ungünstigsten Fall dazu führen, dass Du auf Dauer nur noch flüssige Kost zu Dir nehmen könntest.

Das ist absolut keine Schwarzmalerei, mach bitte einen großen Bogen um Leute, die Dir so etwas empfehlen würden.

Gruß
Gero

Hallo,
auch ich habe mir schon Botulinumtoxin in den Masseter und rechts und links über den Ohren in den Muskel spritzen lassen. Insgesamt schon 3 Mal, wobei ich das erste Mal selbst gezahlt habe und die beiden anderen Male wurden von der Krankenkasse übernommen. Jetzt im Nachhinein muss ich sagen, daß es nicht sehr geholfen hat. Vorher hatte ich eher die hinteren Zähne aufeinander gebissen, mit Botox waren es dann die Vorderen. Nebenwirkungen gabs keine und es war auch schmerzfrei.
Mittlerweile hat sich bei mir herausgestellt, daß dieses extreme Zähnebeissen ein Symptom oder Begleiterscheinung einer Depression bei mir ist.
Liebe Grüße

Servus Muffin,

jetzt wüsste ich aber schon gerne, welche Krankenkasse das war, damit man diese Brüder beim Kanthaken kriegen kann.

Gruß

Kai Müller

Hallo,

Ich würde dir zu aller erst raten,
mal zu einem Physiotherapeuten zu gehen,
der sich auf den Kiefer spezialisiert.
hilft dieses nicht weiter, kann man nach anderen Mitteln schauen.

Ich arbeite in so einer Praxis
und haben viele solcher Patienten.

Hallo Kai,

jetzt wüsste ich aber schon gerne, welche Krankenkasse das
war, damit man diese Brüder beim Kanthaken kriegen kann.

das ist leider der falsche Denkansatz. Zur Rechenschaft gezogen müssten hier die Ärzte die in völliger Unkenntnis der Problematik irgendetwas am Patienten ausprobieren.

Wenn ein Arzt die Behandlungsnotwendigkeit überzeugend darstellt, hat eine Krankenkasse Schwierigkeiten eine solche Maßnahme im ärztlichen Bereich abzulehnen.

Gruß
Gero

Vielen Dank!
Hallo liebe Experten,

o.k. - mit Euern Beiträgen ist das Thema für mich vom Tisch! Danke!

Aber zu Eurer Info: Ich habe gestern meine KK angerufen: Sie würden, wenn mein Zahnarzt eine entsprechende Notwendigkeit belegte, die Kosten übernehmen.

Sehr eigenartig, denn: Vor einiger Zeit wollte mein Zahnarzt mir eine „Hochleistungsschiene“ anfertigen, weil ich meine bisherigen nach einem Jahr immer durchgebissen hatte. Dafür wären Messungen (also nicht nur Abdrücke) vonnöten gewesen und der ganze Spaß sollte 1300 Euro kosten, die meine KK nur zu einem Teil zu tragen bereit war. Ich war damals nicht bereit, diese Zusatzkosten zu tragen.

Ich habe nächste Woche einen Zahnarzt-Termin: Wäre so eine „Hochleistungsschiene“ eine Option, die Muskulatur zu entspannen? Oder will der Zahnarzt damit nur Geld verdienen?

Nochmals Danke und viele Grüße

Kathleen

‚Hochleistungsschiene‘
Hallo Kathleen,

Sehr eigenartig, denn: Vor einiger Zeit wollte mein Zahnarzt
mir eine „Hochleistungsschiene“ anfertigen, weil ich meine
bisherigen nach einem Jahr immer durchgebissen hatte. Dafür
wären Messungen (also nicht nur Abdrücke) vonnöten gewesen und
der ganze Spaß sollte 1300 Euro kosten, die meine KK nur zu
einem Teil zu tragen bereit war. Ich war damals nicht bereit,
diese Zusatzkosten zu tragen.

Es gibt keine „Hochleistungsschienen“. Eine Aufbißschiene ist bei einem gesetzlich versicherten Patienten immer eine Sachleistung sprich kostenfrei.

Berechnen kann Dir Dein Zahnarzt nur etwas für eine sogenannte instrumentelle Funktionsanalyse (eine elektronische oder mechanische Messung und Aufzeichnung Deiner Kieferbewegungen) oder eine sogenannte manuelle Strukturanalyse, dafür wären allerdings 1300,- Euro völlig unangemessen. Diese Vermessung würde allerdings an Deiner Muskelspannung nichts ändern sondern dient nur dazu, dem Zahnarzt besser zu zeigen wo ein eventuell anatomisches Problem im Kiefergelenk liegt.

Viel sinnvoller als solche Investitionen ist der Besuch eines qualifizierten Physiotherapeuten / Osteopathen und je nach Situation (falls Du unter besonderem Stress stehen solltest) der Besuch eines Arztes für Psychosomatik.

Rein mechanisch kann man im Regelfall bei extremen Knirschern nichts ausrichten. Hier ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit gefragt!

Wäre so eine „Hochleistungsschiene“ eine Option, die Muskulatur zu entspannen?

Ein klares Nein!

Oder will der Zahnarzt damit nur Geld verdienen?

Das glaube ich weniger. Wahrscheinlich ist eher, dass ihm keine andere Lösung einfällt.

Gruß
Gero

1 „Gefällt mir“

Warum ist es wichtig, welche Krankenkasse das war? In dem Moment wurde mir diese Behandlung dringenst empfohlen und ich war echt verzweifelt und nach zähen Verhandlungen mit der Krankenkasse wurde es halt bezahlt. Mich hat es gefreut…
Gruß

Warum ist es wichtig, welche Krankenkasse das war? In dem
Moment wurde mir diese Behandlung dringenst empfohlen und ich
war echt verzweifelt und nach zähen Verhandlungen mit der
Krankenkasse wurde es halt bezahlt. Mich hat es gefreut…
Gruß

Hallo Muffin66,

das ist es ja was mich so ärgert.

Ein Patient hat Probleme. Er wendet sich an einen vermeintlich kompetenten Behandler. Dieser Behandler schlägt eine im günstigen Fall nur unsinnige Behandlung vor, der Patient vertraut ihm und kann im Nachhinein froh sein, daß er durch diese Behandlung keinen Schaden davon getragen hat.

Dass eine solch unsinnige Behandlung dann auch noch von einer solidarisch finanzierten gesetzlichen Krankenkasse im Zeitalter von Budgets und Leistungsbegrenzungen bezahlt wird, ärgert uns Behandler noch mehr.

All das ist kein Vorwurf an Dich als Patient sondern an Deine Behandler!

Ich wünsche Dir jedenfalls, dass Du in Zukunft an kompetentere Ärzte/Zahnärzte gerätst.

Gruß
Gero

Hallo Gero Kroth,
man sollte vielleicht auch die Vorgeschichte kennen. Ich war und bin wegen Bruxismus seit etwa 15 Jahren in Behandlung und habe glaube ich schon alles durch an Behandlungen Bruxismus betreffend, was es so gibt. Von medikamentös über nicht-medikamentös. Nichts hat genutzt. Mehrere Ärzte waren der Meinung ich solle es auf jeden Fall versuchen. Hörte sich ja auch sehr logisch an. Ein Mittel zur Lähmung der Muskeln - somit kein Beissen mehr möglich -. Aus welchem Grund es bei mir nicht richtig gewirkt hat, weiss ich leider nicht. Es ist ja aber auch so, daß Botox mittlerweile bei einigen Krankheitsbildern zugelassen wird. Hätte es bei mir geholfen, hätte ich mich ganz sicher damit weiterbehandeln lassen, denn der Leidensdruck bei Bruxismus ist bei mir immens hoch.
Liebe Grüße

Hallo Muffin,

denn
der Leidensdruck bei Bruxismus ist bei mir immens hoch.

ich kann es sehr gut verstehen, alles ausprobieren zu wollen - daher ja auch meine Frage.

Mein Zahnarzt meinte mal zu mir: „Seien Sie froh, dass Sie mit den Zähnen knirschen - andere bekommen Magengeschwüre!“

Da meine Verspannungen durch den ganzen Kopf / Nacken ziehen und bisher auch keine Massagen geholfen haben, schützt diese Spanne wirklich nur meine Zähne und entlastet wohl weniger meine Muskulatur.

Und ob die Zähne wirklich geschützt werden, bezweifele ich mittlerweile, da meine aktuelle Schiene (aus etwas stärkerem Material, weil ich die anderen immer so schnell durchgebissen habe) nach kurzer Zeit eine schöne Amalgam-Schicht von meinen Backenzähnen aufweist.

Viele mitleidende Grüße

Kathleen

Hallo Kathleen,
auch ich beisse meine Schiene innerhalb von 6 - 8 Monaten durch. Auch meine schützt nur die Zähne. Das Schlimmste des Bruxismus bei mir ist die enorme Tagesmüdigkeit mit der ich zu kämpfen haben. Eine Nacht „gebissen“ ist bei mir wie gar nicht geschlafen…
Ich bin jetzt eigentlich voller Hoffnung, daß eine Psychotherapie Besserung bringen wird. Werde diese in den nächsten Wochen beginnen.
Liebe Grüße

Servus Gero,

das ist leider der falsche Denkansatz. Zur Rechenschaft
gezogen müssten hier die Ärzte die in völliger Unkenntnis der
Problematik irgendetwas am Patienten ausprobieren.

Es ist IMHO nicht der falsche-, sondern ein accessorischer Ansatz. Freilich hast Du recht, wenn Du sagst, dass Ärzte nicht herumpfuschen sollen. Trotzdem darf es keinen völlig intransparenten Freiraum geben, wo letzten Endes zwei inkompetente G’schaftlhuber sich dazu verabreden dürfen, mit öffentlichen Geldern einen Leidenden zu vergiften. Es haben Krankenkassen wahrlich schon genug mit dem Geld Ihrer Versicherten (und der Arbeitgeber) herumgespielt.

Wenn ein Arzt die Behandlungsnotwendigkeit überzeugend
darstellt, hat eine Krankenkasse Schwierigkeiten eine solche
Maßnahme im ärztlichen Bereich abzulehnen.

Es gibt ja immer noch den hochkompetenten Medizinischen Dienst der Krankenkassen - ho, ho, ho.

Gruss

Kai Müller