Servus Simone,
die Kanülen sind vorn dreifach angeschliffen. Das Prinzip dieses Anschliffs sieht man am besten auf diesen Bildern hier:
http://www.google.de/imgres?imgurl=http://injecta.de…
Bei diesen Anschliffsystemen ist es in Grenzen gleichgültig, wie dick die Kanülen sind - die Injektions’wunde’ wird von der ultradünnen Spitze geöffnet. Danach ist es nur ein Hineingleiten. Beispiel: Wenn man sich versehentlich mit einem wirklich scharfen Messer schneidet, merkt man erst wenn es blutet, dass man sich verletzt hat.
Jetzt zur Dicke der Kanüle:
Wenn die Kanüle sehr dünn ist, setzt sie der Zahnarzthand auch großen Widerstand entgegen. Es ist dann schwierig zu unterscheiden, ob der Widerstand den der Arzt spürt, von der Kanüle-, oder aus dem Gewebe kommt, in das man einspritzt. Mit etwas dickeren Kanülen läßt sich der Injektionsdruck wesentlich feiner steuern, wenn man will.
Das Wollen ist der Casus Knaxus beim schmerzarmen injizieren. Es gibt so eine Macho-Mentalität, die manchen ZahnärztInnen im Weg steht, wenn es um sanfte Anästhesie geht. Das muss man sich als PatienIn nicht gefallen lassen. Jede/r kann sanfte Spritzen geben - fast immer! Die ideale Sequenz sieht so aus:
Oberflächenanästhesie
. . ein Q-Tip mit Oberflächenanästhetikum wird für etliche Sekunden dorthin gedrückt, wo dann die Kanüle hinein soll. Die O. ist nicht immer angebracht, weil manche das Mittel nicht vertragen, und/oder weil das bittere und greisliche Zeug bei bestimmten Einspritzorten in den Rachen läuft. Am weichen Gaumen z.B. reicht oft ein zwei Sekunden dauernder kräftiger Druck mit dem Griff des Mundspiegels.
Vorspritzen
Die Kanüle gleitet ein - das spürt man kaum. Dann läßt der Arzt ein-, zwei Tropfen in das Gewebe ‚laufen‘ und - macht eine Pause. Diese Tropfen betäuben schon einmal das Gebiet, wo das Anästhetikum hinein soll.
vorspritzend injizieren.
Während die Kanüle langsam vordringt, drückt der Arzt ein bißchen auf den Spritzenstempel. Die herausquellende Flüssigkeit bahnt der Kanülenspitze den Weg ins Gewebe, gaaanz sanft, fast schon samft 
laaaangsam injizieren
Hierbei werden die meisten Patienten verloren - für die Praxis meine ich. Die dreißig Sekunden muss man den Patienten einfach gönnen. Wenn man eine ultradünne Flüssigkeitssäule schnell ins Gewebe schießt, dann tut das weh, immer, überall. Im Po genauso, wie in der Backe. Wenn man sich Zeit lässt, wenn man einfach ‚reinlaufen‘ lässt, hat man die Patienten in der Tasche.
schnell Herausziehen.
. . es gibt keinen Grund, jetzt die Kanüle langsam und genüßlich wieder herauszuziehen. Jetzt ist der Moment für rasches, entschlossenes Herausnehmen der Kanüle aus dem Gewebe.
Bleibt noch zu erwähnen, dass verschiedene Injektionslösungen verschieden weh tun können. Das ist eine Frage der Rezeptur (Konservierungsmittel, PH-Wert, Isotonie) und der Temperatur (kühlschrankkalte Lösungen schmerzen mehr).
Jeder (Zahn)arzt kann lernen, optimiert zu spritzen. Es ist keine Kunst, aber es muss gutes Hand-Werk sein. Und wie das mit der Kunst ist, wusste schon mein Guru, Karl Valentin:
„Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es ja Wunst heißen.“
Zum Schluss noch etwas für linksshirnige Chirurgie-Machos:
http://www.elbtext.de/pdf/11-schmerzfreimensch-star-…
. . wobei es mir auf den Begriff des Menschenrechts auf Schmerzfreiheit ankommt - in den Bericht selber bin ich - noch - nicht eingestiegen.
Also Simone - wenn Du eine Chance dazu hast, frage in der Praxis vorher nach, ob sie nicht einen Doktor haben, von dem sich die Assistentinnen die Spritzen geben lassen. Das ist dann die/der richtige. Klappt das nicht - woanders hingehen und: sagen warum.
Ende des ‚Worts zum Sonntag‘
) und alles Gute
Kai Müller