Zahnbehandlung bei Kiefergelenksproblem

Liebe Experten,

mir geht es zur Zeit ziemlich schlecht. Ich habe seit über einem Jahr Kiefergelenksprobleme, d.h. eine eingeschränkte Mundöffnung von 2-4 cm (je nach Tagesform) und auch Schmerzen, wenn ich den Mund darüber hinaus öffne. Nach Krankengymnastik, Osteopathie, Medikamenten und Zahnaufbauten wird die Sache mittlerweile durch eine lose Zahnspange, einen sog. Bionator behandelt. Ich könnte darüber einen eigenen Artikel schreiben; heute geht es mir allerdings um Folgendes:

Nachdem ich diese Woche einige Tage lang ein Ziehen im Zahn verspürt hatte, bin ich am Mittwoch zur ZÄ gegangen, weil ich mir immer denke, wenn ein Zahn schon leicht schmerzt, wird es wohl eher nicht besser, also lieber früher als später gehen. Klopf- und Kältetest war ok, aber sie meinte, ein Teil der alten Füllung sei abgebrochen und man müsse den Zahn irgendwann sowieso behandeln, auch wenn sie jetzt nicht 100% sagen könne, woher das Ziehen komme. Also aufgebohrt, Medikament rein und provisorische Zementfüllung drauf. Nun abwarten, ob der Zahn sich beruhigt. Auch sagte sie, unter der Füllung sei Karies gewesen.

Wie ich schon befürchtet hatte, reagiert mein Kiefergelenk auf das 20-minütige Mundaufhalten ganz furchtbar. Momentan kriege ich den Mund gerade mal 1 cm auf, spüre eine große „Instabilität“ und habe Schmerzen beim Kauen. Eigentlich bin ich nicht in der Lage, so lange die Kieferproblematik anhält, überhaupt irgendeine Zahnbehandlung machen zu lassen, weil ich den Mund nicht so lange öffnen kann. Nun aber steht mir ja auf jeden Fall noch eine bevor - im harmloseren Fall, um die die prov. Füllung irgendwann auszutauschen, aber, was mir zur Zeit so viel Angst macht, dass ich heulen könnte: Der behandelte Zahn muckt jetzt nach 3 Tagen immer noch. Ein leichtes Ziehen, keine Kälte-/Wärmeempfindlichkeit. Ich habe so Angst, dass eine Wurzelbehandlung gemacht werden muss, wenn er sich nicht beruhigt. Das würde ja mind. 1 Stunde dauern. Was soll ich denn dann nur tun? Nach einer solchen Behandlung wäre das Gelenk wahrscheinlich vollkommen hinüber :cry:((

Auch frage ich mich: War es ein Fehler, dass ich so früh zur ZÄ gegangen bin? Kann es sein, dass ein Zahn manchmal eine Weile zieht und schmerzt, und sich dann von selbst wieder beruhigt - so dass ich mir die Behandlung hätte sparen können? (…Obwohl die Frage jetzt ja eigentlich nix mehr bringt, bzw. hypothetisch ist.)

Tut mir leid, dass es so lang geworden ist.

Hat vielleicht irgendjemand eine mutmachende Idee?

Herzliche Grüße
betazoid

Hallo betazoid,

wenn irgendwie möglich, würde ich auch eine Weiterbehandlung solange wie möglich aufschieben.
Wenn Du mit einer provisorischen Füllung versorgt bist, hast Du im Regelfall auch durchaus ein paar Monate Zeit, wenn Du nicht zwischendurch akute Schmerzen bekommst. Erzähl vor allem Deinem Zahnarzt von Deinen Beschwerden nach der Behandlung, dann kann er darauf Rücksicht nehmen.

Mach Dir also mehr Gedanken über die Behandlung Deiner Kiefergelenksproblematik, die hier mit Sicherheit Vorrang hat.
Bei akuten Kiefergelenksbeschwerden hilft Wärme oder Kälte, das musst Du auspropbieren.
Medikamentös hilft am besten Ibuprofen 200.

Erkundige Dich nach Zahnärzten, die sich mit dem Thema häufiger auseinander setzen, leider ist die Kiefergelenksbehandlung für viele Kollegen ein rotes Tuch. Ein Bionator hilft Dir bei dieser Problemstellung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht (unter der Voraussetzung, dass Du schon ausgewachsen bist).

Leider sind hilfreiche Ferndiagnosen bei diesem Thema kaum möglich.
Gute Besserung.

Gruß
Gero

Lieber Gero,

herzlichen Dank für deine Antwort.

Meine Kiefergelenksproblematik wurde bereits erfolglos mit Aufbauten behandelt (was ich bereue, da sich der Ursprungszustand nun ja wohl nicht mehr herstellen lässt), seit Dezember habe ich den Bionator. Und ja, ich bin ausgewachsen.

Wegen der akuten Problematik war ich gestern bei einem Kieferchirurgen, meine ZÄ hat mich dorthin überwiesen, weil sie sich auch keinen Rat mehr wusste. Dieser meinte, es handele sich um eine Diskusverlagerung rechts, evtl. sogar beidseitig, ohne die Notwendigkeit einer OP - diese würde man heutzutage so lange wie möglich vermeiden. Der Unterkiefer verschiebt sich beim Mundöffnen auch nach links und beim Mundschließen knackt es leise im rechten Gelenk. Ich vermute aufgrund der geringen Mundöffnung, dass es eine DV ohne Reposition ist. Der Kieferchirurg hat mir geraten, täglich Dehnübungen „über den Schmerz hinaus“ zu machen, um die Mundöffnung zu verbessern. Darüber hinaus sagte er, mit solchen Phasen müsse ich zukünftig immer wieder rechnen. Nun frage ich mich, was ich tun soll. Erst mal hoffe ich natürlich, dass die akute Phase vorbei geht. Für den Bionator habe ich viel Geld ausgegeben - ist er in der Behandlung einer Funktionsschiene gleichwertig? Hätte ich die Kassenleistung wählen sollen, sofern die Funktionsschiene überhaupt eine ist? Besteht die Chance, dass meine Mundöffnung wieder normal wird?

Ich habe gesehen, dass du dich mit der Thematik sehr gut auskennst. Falls du Zeit für eine Antwort findest, wäre ich dir sehr dankbar.

Liebe Grüße
betazoid

Hallo betazoid,

Meine Kiefergelenksproblematik wurde bereits erfolglos mit Aufbauten behandelt (was ich bereue, da sich der Ursprungszustand nun ja wohl nicht mehr herstellen lässt),

Mir ist nicht so ganz klar, was Du mit Aufbauten meinst aber im Regelfall gilt: was man einbringt kann man auch wieder entfernen. In Deinem Fall bedeutet es, die Aufbauten werden entweder wieder entfernt oder aber so umgeschliffen, dass sie nicht mehr stören.

seit Dezember habe ich den Bionator. Und ja, ich bin ausgewachsen.

Ich hätte natürlich in Deine ViKa gucken können, da es aber selten geworden ist, dass dort jemand etwas von sich preisgibt, habe ich es versäumt. Der Bionator ist ein sogenanntes funktionskieferorthopädisches Gerät mit dem man beim Kind und beim nicht ausgewachsenen Jugendlichen bestimmte Wachstumstendenzen beeinflussen kann. Zur Behandlung von Kiefergelenksproblemen eignet er sich kaum, auf keinen Fall aber besser als eine normale Knirschnerschiene.

Wegen der akuten Problematik war ich gestern bei einem Kieferchirurgen, meine ZÄ hat mich dorthin überwiesen, weil sie sich auch keinen Rat mehr wusste. Dieser meinte, es handele sich um eine Diskusverlagerung rechts, evtl. sogar beidseitig, ohne die Notwendigkeit einer OP - diese würde man heutzutage so lange wie möglich vermeiden.

Da scheinst Du ja glücklicherweise an einen vernünftigen Kieferchirurgen geraten zu sein. Lass Dich unter keinen Umständen zu einer kieferchirugischen Behandlung Deiner Problematik überreden. Die Folgen wären für Dich viel schlimmer als der Ausgangsbefund.

Der Unterkiefer verschiebt sich beim Mundöffnen auch nach links und beim Mundschließen knackt es leise im rechten Gelenk. Ich vermute aufgrund der geringen Mundöffnung, dass es eine DV ohne Reposition ist. Der Kieferchirurg hat mir geraten, täglich Dehnübungen „über den Schmerz hinaus“ zu machen, um die Mundöffnung zu verbessern.

Das ist auf jeden Fall richtig neben den Tipps zur Akutbehandlung, die ich Dir beim letzten Mal gegeben habe.

Darüber hinaus sagte er, mit solchen Phasen müsse ich zukünftig immer wieder rechnen.

Das ist auch richtig

Nun frage ich mich, was ich tun soll. Erst mal hoffe ich natürlich, dass die akute Phase vorbei geht. Für den Bionator habe ich viel Geld ausgegeben

Leider

  • ist er in der Behandlung einer Funktionsschiene gleichwertig?

Nein

Hätte ich die Kassenleistung wählen sollen, sofern die Funktionsschiene überhaupt eine ist?

Ja, hättest Du, aber woher solltest Du das wissen. Die Schiene ist übrigens, wie ich schon oft in diesem Brett geschrieben habe, immer eine Kassenleistung, nur Analysemethoden sind privat zu bezahlen.

Besteht die Chance, dass meine Mundöffnung wieder normal wird?

Die Chance ist sogar extrem hoch.
Du musst erst einmal alles dafür tun, damit die akuten Beschwerden abklingen (s.o.). Dann solltest Du Dir zur Entlastung der überlasteten Strukturen Physiotherapie bei einem entsprechend qualifizierten Physiotherapeuten verschreiben lassen (durch Deinen Zahnarzt). Der nächste Schritt wäre eine normale Knirscherschiene zur Entlastung der Kiefer. Dann kommt der wichtigste Teil: Du musst alles tun um auf Dich einwirkenden Stress zu verringern. Entspannungstechniken aller Art sind da sinnvoll.

Die Überlastung Deiner Kiefergelenke und -muskulatur kommt durch eine zu hohe Grundspannung in Deinen Kaumuskeln und die wiederum entsteht im Regelfall psychosomatisch. Das heißt, Du verarbeitest Deinen Stress mit Deiner Kaumuskulatur und Deinen Zähnen.

An aller erster Stelle muss also Stressmanagement stehen, bevor Du Dir irgendetwas Irreversibles an Deinen Zähnen machen lässt.

Gute Besserung
Gruß
Gero

Lieber Gero!

Du hast mir mit deiner detaillierten Antwort wieder sehr weitergeholfen. Einmal muss ich noch antworten, danach will ich deine Zeit nicht über Gebühr strapazieren.

Mir ist nicht so ganz klar, was Du mit Aufbauten meinst aber
im Regelfall gilt: was man einbringt kann man auch wieder
entfernen. In Deinem Fall bedeutet es, die Aufbauten werden
entweder wieder entfernt oder aber so umgeschliffen, dass sie
nicht mehr stören.

Die Okklusion wurde durch Aufbauten neu eingestellt, d.h. Zahnarzt Nr. 1 hat auf einige Zähne des Unterkiefers „Aufsätze“ gemacht und diese dann nach und nach eingeschliffen, bis seiner Meinung nach die richtige Okklusion erreicht war. Leider hat das nach einigen Monaten keine wesentliche Besserung gebracht. Da er sagte, er könne mich nur noch zum Schmerztherapeuten überweisen, habe ich eine zweite ZÄ aufgesucht. Diese hat sich gescheut, die Aufbauten runterzunehmen, weil sie sagte, man könne nicht ausschließen, dabei eigene Zahnsubstanz mit abzuschleifen. (Zum alten ZA wollte ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.) Stattdessen hat die ZÄ die Aufbauten drin gelassen und auf dieser Basis den Bionator eingestellt.

Hätte ich die Kassenleistung wählen sollen, sofern die Funktionsschiene überhaupt eine ist?

Ja, hättest Du, aber woher solltest Du das wissen. Die Schiene
ist übrigens, wie ich schon oft in diesem Brett geschrieben
habe, immer eine Kassenleistung, nur Analysemethoden sind
privat zu bezahlen.

Das wusste ich auch noch nicht. Ja, irgendeinem Arzt muss man ja letztendlich auch einmal vertrauen…! Die fachlichen Meinungen der Ärzte gehen zu manchen Themen leider sehr auseinander, was eine Entscheidung für den Patienten - den Laien - extrem schwierig macht. Je mehr ich zu diesem Thema lese, umso verwirrter werde ich, da die Konzepte so unterschiedlich sind. Wobei der Großteil der Behandler ja wohl schon auf Schienen zurückgreift.

Besteht die Chance, dass meine Mundöffnung wieder normal wird?

Die Chance ist sogar extrem hoch.

Das gibt mir zumindest etwas Hoffnung! Schon beim vorsichtigen Dehnen hab ich zwar das Gefühl, gleich springt mir das Gelenk völlig raus, aber ich mache es trotzdem.

Du musst erst einmal alles dafür tun, damit die akuten
Beschwerden abklingen (s.o.). Dann solltest Du Dir zur
Entlastung der überlasteten Strukturen Physiotherapie bei
einem entsprechend qualifizierten Physiotherapeuten
verschreiben lassen (durch Deinen Zahnarzt). Der nächste
Schritt wäre eine normale Knirscherschiene zur Entlastung der
Kiefer. Dann kommt der wichtigste Teil: Du musst alles tun um
auf Dich einwirkenden Stress zu verringern.
Entspannungstechniken aller Art sind da sinnvoll.

Das versuche ich auch sehr ernsthaft - wobei bei mir ein „Grundstress“ bestehen bleibt, auf den ich aus verschiedenen Gründen wirklich keinen Einfluss habe.
Mit der „normalen Knirscherschiene“ meinst du aber schon eine Funktionsschiene, oder? Denn eine reine Aufbisschiene hatte ich schon vor den Gelenkproblemen; wie ich es verstanden habe, hat diese aber nur den Abrieb der Zähne verhindert.

Nun noch meine konkrete Frage: Hältst du es für eine legitime Möglichkeit, den Bionator - der sich in den ersten Monaten für mich relativ gut anfühlte und zwar (noch) keine Totalveränderung der Situation, aber tendenziell doch eine gewisse Entlastung gebracht hat - zunächst noch eine Weile zu probieren und falls es nichts bringt, auf die Schiene zu wechseln? Das Problem ist einfach, dass ich durch die diversen Zahnbehandlungen (zwei Funktionsanalysen, Aufbauten, Bionator) mich vor meinem Studienabschluss finanziell nicht mehr in der Lage sehe, weitere Behandlungen in Form von z.B. Analyse-/Vermessungsmethoden zu bewältigen, auch wenn diese sinnvoll wären. :-/

Liebe Grüße
betazoid

Hallo betazoid,

Das versuche ich auch sehr ernsthaft - wobei bei mir ein „Grundstress“ bestehen bleibt, auf den ich aus verschiedenen Gründen wirklich keinen Einfluss habe.

Da habe ich mich vielleicht etwas ungeschickt ausgedrückt. Natürlich kann man nicht jeden Stress vermeiden, aber man kann versuchen damit besser umzugehen. Sich mit seinem Stress zu arrangieren oder ihn zu verringern ist die effektivste Art mit funktionellen Beschwerden (Beschwerden der Art, wie Du sie beschreibst) umzugehen.

Mit der „normalen Knirscherschiene“ meinst du aber schon eine Funktionsschiene, oder? Denn eine reine Aufbisschiene hatte ich schon vor den Gelenkproblemen; wie ich es verstanden habe, hat diese aber nur den Abrieb der Zähne verhindert.

Es gibt keinen Unterschied zwischen einer „Funktionsschiene“ und einer „reinen Aufbißschiene“. Beide müssen sogenannte adjustierte Aufbißschienen sein d.h. sie müssen individuell auf Deine Bisslage eingeschliffen sein.

Alle anderen Formen von sogenannten nichtadjustierten Aufbißschienen (einfache Tiefziehschienen) eignen sich nicht zur Behandlung von CMD (CranioMandibuläre Dysfunktion = Fehlfunktion von Kaumuskulatur und Kiefergelenk).

Manche Kollegen machen leider manchmal einen ziemlichen Hype um die Art der Schiene, um damit eine zusätzliche Bezahlung zu begründen.

Das liegt daran – das muss zur Ehrenrettung dieser Kollegen einmal deutlich gesagt werden – dass die Behandlung von Kiefergelenksfunktionsstörungen nur durch die miserable Bezahlung einer Knirscherschiene entlohnt wird und viele Kollegen sich den Luxus, unwirtschaftlich zu behandeln, einfach nicht leisten können.

Nun noch meine konkrete Frage: Hältst du es für eine legitime Möglichkeit, den Bionator - der sich in den ersten Monaten für mich relativ gut anfühlte und zwar (noch) keine Totalveränderung der Situation, aber tendenziell doch eine gewisse Entlastung gebracht hat - zunächst noch eine Weile zu probieren und falls es nichts bringt, auf die Schiene zu wechseln?

Eindeutig ja!

Erlaubt ist alles was Dir gut tut, denn die Art der zahnärztlichen Intervention ist gar nicht so ausschlaggebend.

Das Problem ist einfach, dass ich durch die diversen Zahnbehandlungen (zwei Funktionsanalysen, Aufbauten, Bionator) mich vor meinem Studienabschluss finanziell nicht mehr in der Lage sehe, weitere Behandlungen in Form von z.B. Analyse-/Vermessungsmethoden zu bewältigen, auch wenn diese sinnvoll wären. :-/

Das kann ich mir gut vorstellen, zumal es keinen direkten Zusammenhang zwischen Deinem finanziellen Engagement und dem Erfolg der Behandlung gibt.

Lass Dich nicht entmutigen, die Situation wird sich auf jeden Fall im Laufe der Zeit entspannen.

Alles Gute
Gruß
Gero

Danke Gero, „den Mut nicht verlieren“ ist bei einer so langwierigen Sache wohl auch mit das Wichtigste, deshalb freue ich mich sehr über (d)eine optimistische Einschätzung. Alles Gute - und viele Grüße!