Zahnwurzel entzündet?

Hallo,
nachdem ich gesehen habe, dass hier im Forum zahnmedizinische Themen sehr kompetent behandelt werden, möchte ich Ihnen meinen - zugegebenermaßen recht seltsam klingenden - Fall schildern.
Probleme bereitet mir mein unterer hinterster Backenzahn auf der li. Seite. Dieser Zahn ist vor ca. 6 Jahren neu überkront (Keramik/Gold) worden und nach Aussage meines Zahnarztes ist die Krone funktional. Er ist zwar weder hitze- noch kälte- oder druckempfindlich. Jedoch reagiert er, wenn ihn bestimmte Stoffe umspülen (Gurkensaft, Honig, süßer Schnaps, Grappa, usw.). Da ich diese Dinge eher selten trinke bzw. esse, ist das alles erträglich.
Allerdings reagiert der Zahnnerv auch dann, wenn ich mit der „falschen“ Zahncreme putze. Leider habe ich bisher nur eine einzige verträgliche Marke gefunden. So weit, so gut, jedoch hat der Hersteller kürzlich die Mixtur geändert und die neue Mischung macht nun auch Probleme, so dass ich hier mittelfristig etwas tun muss! Leider war es auch nicht möglich, die Dentinkanälchen am Zahnhals mit Elmex Gelee o.ä. abzudichten - dadurch sind die Schmerzen nur noch stärker geworden.
Ich habe sogar eine Excel-Tabelle erstellt mit den verschiedensten Zahncrems (von teuer bis billig), die ich selbst getestet habe. Die Idee war, anhand der Inhaltsstoffe ein Muster der „Schadstoffe“ zu erkennen und diese dann gezielt zu vermeiden. Das ist aber gescheitert, da in den von mir untersuchten Zahncremes nicht weniger als 50(!) verschiedene Stoffe enthalten waren. Wer Interesse an der Liste hat, dem schicke ich sie gerne zu.
Was raten Sie (ratet ihr) mir zu unternehmen? Eine Wurzelbehandlung erscheint mir momentan zu radikal, auch habe ich damit in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht (alle wurzelbehandelten Zähne mussten über kurz oder lang raus).
Besten Dank!

Hallo,

Ich wüsste jetzt spontan keine einzige Erkrankung, bei der ein Zahn lediglich auf bestimmte, genau definierte Inhaltsstoffe reagiert.

Es ist vielmehr so, dass ein Zahn dann übersensibel reagiert, wenn der Zahnnerv gereizt ist (egal von was - das macht die Diagnose schwierig). Bei manchen überwiegt dann die Temperaturempfindlichkeit, bei anderen osmotische Reize (z.B. süß, sauer, …).

Mögliche Ursachen, warum der Nerv gereizt ist (auf Deinen Fall bezogen u. nicht vollständig):

  1. die Krone ist zu hoch - möglicherweise nicht wenn Du gerade zumachst, sondern wenn Du auf den Zähnen knirscht.
  2. Die Krone ist irgendwo zu kurz, sodass ein Teil des angeschliffenen Zahns freiliegt
  3. Ein Zahn kann auch ganz ohne weitere Ursache nach einer Überkronung Probleme machen - ca. 10-15% aller überkronten Zähnen müssen im Laufe ihres Lebens wurzelknalabehandelt werden. Eine solche Pulpitis (ein akute Entzündung des Zahnnerven) äußert sich aber eher durch sehr starke Schmerzen - auch spontan, nicht so wie von Dir beschrieben.

Am häufigsten bei derartigen unklaren und lange andauernd Beschwerden ist Möglichkeit 1 - oft im Zusammenhang mit Personen, die mit den zähnen knirschen oder Pressen. Aber das ist jetzt ein reiner Schuss ins blaue, weil man bei sowas wirklich keine Ferndiagnose machen kann.

viele Grüße christian

Hallo Christian,

vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort. Mit Deiner Vermutung liegst Du genau richtig, ich neige tatsächlich zeitweise zum Zähneknirschen. Ich werde meinen Zahnarzt darauf noch mal explizit aufmerksam machen!
Ansonsten ist es wirklich so, dass ein klarer Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gegeben ist: Esse ich ein paar Gurkenstücke, ist kurze Zeit später der Nerv sofort gereizt, esse ich etwa Tomaten, macht das keine Probleme. Das gleiche gilt für die Zahncremes. Was ich vertrage, ist übrigens Sensodyne F (alte Formel).
Anscheinend gibt es wohl leider keine Therapie zwischen „Abwarten“ und „Wurzelbehandlung“, richtig?

Grüße,
Thomas

Hallo,
Eine Möglichkeit wäre, die Krone nochmal zu prüfen und gegebenfalls einzuschleifen, damit sie nicht so stark belastet wird (beim Knirschen/Pressen).
Eine andere Möglichkeit ist nachts eine Aufbissschiene aus Kunststoff zu tragen.
Wenn man die Stelle der ÜBerempfindlichkeit gut lokalsieren kann (z.B. freiliegender Zahnhals) dann hilft auch manchmal das Auftragen eines speziellen Lacks, der die „Poren“ im Zahn verstopft (ist ähnlich der Wirkung der Zahnpasta für überempf. Zähne, nur stärker)

Mit den Zusammenhängen ist das so eine Sache, da muss man immer sich selbst gegenüber sehr kritisch sein. Gerade so unspezifische Beschwerden wie Hypersensibilität lassen sehr viel Interpretationsspielraum. Wichtig ist IMHO keine invasiven Behandlungsmaßnahmen (z.B. Wurzelkanalbehandlung) einzuleiten, wenn die Diagnose nicht eindeutig ist. Dann lieber abwarten, solange die Beschwerden nicht zu unangenehm sind.

Viele Grüße Christian

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Servus,

ich möchte gerne auch noch meine two bits dazugeben.

Die geschilderten Schmerzauslöser sind alle nicht isoton. Das heisst, dass der von den normalen Körperverhältnissen abweichende osmotische Druck der Auslöser sein wird. Nachdem bei den anderen Zähnen aber nichts passiert, sondern nur am Zahn 37 mit seiner Metallkeramikkrone, müssen dort Verhältnisse vorliegen, die es am Zahn daneben schon nicht gibt.

Übliche Verdächtige:

  • freiliegende Wurzeloberflächen. Keramik läßt sich (anders als Gold) nicht Weg-Knirschen. In der Gegend des letzten Molaren sind die Kau- und damit auch die Knirschkräfte aus physikalischen Gründen am größten. Die ‚Brems‘-Spuren des Pressens und Knirschens sind auf der Keramik schlecht bis nicht zu identifizieren. Der Knochen um überbelastete Zähne herum kann abgebaut werden. Dann schauen die Wurzeln (die eigentlich im Knochen stecken sollten) heraus. Es gibt für diese Stellen keine isolierende und schützende Schmelzschicht - >> Schmerz! Der Zahnnerv kann nicht differenzieren - wenn etwas ausreichend vom Normalen abweicht ist es für ihn (bzw. für das zuständige Hirnareal) eben Schmerz, egal ob Honig oder Essig.

Abhilfe: Ältestes Mittel gegen überempfindliches Zahnbein ist Kaliumnitrat (Sensodyne).

Die Firma Gaba behauptet nun, dass ihr
Produkt über den symptomatischen Ansatz des Kaliumnitrates hinausgeht und empfiehlt das hier:
http://www.elmexsensitiveprofessional.de/wie-es-wirk…

  • Auch zu dicke-, oder zu lange Kronenränder können langfristig das Zahnfleisch ‚vertreiben‘ und auf diese Weise zu freiliegenden Wurzeloberflächen führen, die dann wieder auf osmotische Reize reagieren.

  • natürlich sind BTW freiliegende Wurzeloberflächen auch ein schnelles Opfer für Kariesbakterien.

  • der Kronenrand kann ganz einfach irgendwo undicht sein. Das kann nur der Zahnarzt mit guter Beleuchtung und feiner Sonde herausfinden.

  • nicht ganz zu vergessen ist, dass horizontales Schrubben mit harter Bürste die Wurzeln freilegen kann. Sonst - wie oben.

Was kann man aus ferndiagnostischer Sicht raten?

Der Knackpunkt ist das freiliegende Wurzeldentin. Wenn einfachere (Sensodyne) oder komplexere (ELMEX sensitiv prof.) Chemie aus dem Drogeriemarkt nicht helfen will, gibt es für Zahnärzte noch einige Möglichkeiten der ‚Konditionierung‘ überempfindlichen zahnbeins. Nachdem Du die Zeit hattest, Excel-Tabellen anzulegen und zu pflegen, hast Du vielleicht auch Lust, diesen aufschlussreichen Artikel zu lesen:

http://collegeofdiplomates.org/DrLesterQuanDVD200905…

Ein unkonventioneller Vorschlag zuletzt: ich selbst halte nicht viel von unnachgiebiger und unbeeindruckbarer Keramik in Bereichen, wo sowieso außer Zahnärzten niemand hinschaut. Eine neue Krone mit möglichst dünnen Rändern, die von dem freiliegenden Dentin soviel bedeckt, wie man (Stichwort: biologische Breite) verantworten kann. Keine Keramik sondern Zahngold, mit dem sich atraumatische Kronenränder am besten gestalten lassen. Die goldene Kaufläche nach dem obligatorischen Polieren im Labor mit dem feinen Sandstrahlgriffel wieder mattieren lassen. Dannn blitzt es nicht und man kann mögliche Frühkontakte ( zu hohe Stellen) sehr bald identifizieren, weil dort das matte Gold wieder zu glänzen anfängt. Eine nicht zu harte Dentallegierung - das wäre meine ultima ratio.

Gruß

Kai Müller