Sehr geehrter Herr Andreas,
zunächs möchte ich Ihnen mein tiefempfundenes Beileid zum Tode Ihres Vaters aussprechen, der ja noch nicht allzuweit zurück liegt. Ich wünsche Ihnen, dass Sie Trost finden können, um mit dieser schweren Erfahrung umgehen zu können. Mögen Sie auch Halt bei Gott finden, der uns zusagt, dass sein Weg mit uns nicht an den Gräbern endet.
Zu dem, was Sie mir berichten, könnte man rein rechtlich antworten, was Sie von mir aber wahrscheinlich nicht erwarten. Dennoch gibt es in diesem Fall natürlich Regelungen, deren Geltung Sie leider haben sehr ungut erfahren müssen.
Rein rechtlich ist die Zuständigkeit für eine Bestattung geregelt. Im Falle Ihres Vaters liegt diese bei seiner letzten Frau, die vom Gesetz her dafür zuständig ist, die Bestattung zu veranlassen und auch zu planen.
Bei einer Urnenbeisetzung gibt es, wie Sie vom Krematorium erfahren haben, die Regelung, dass die Einäscherung frühestens 48h nach Eintritt des Todes und bei Vorliegen aller Bescheinigungen möglich ist. Wann dann die Beisetzung der Asche auf einem Friedhof geschieht, ist nicht geregelt, da in manchen Krematorien auch der Termin der Einäscherung später nach dem Tode gesetzt ist und man nach der Einäscherung die Asche ja ohne Probleme aufbewahren kann, bis die Beisetzung erfolgen soll.
Das sagen die Bestattungsgesetze der Bundesländer. „Die Kirche“ sagt da offiziell nichts anderes, kann auch nichts anderes sagen.
das Problem in Ihrem Fall ist, denke ich, ein ungünstiges Zusammentreffen von Schwierigkeiten in der Familie und diesen gesetzlichen Regelungen. Wer diese Regelungen erdacht hat, ging natürlich davon aus, dass eine Lösung gefunden wird, die allen Hinterbliebenen gerecht wird.
Ich weiß nicht, inwieweit Sie noch mit der letzten Frau Ihres Vaters reden können. Auch für sie ist die Situation sicher nicht einfach, sie hat immerhin Ihren Ehemann verloren. Ich weiß auch nicht, wie das Verhältnis der Tochter zu Ihrem Vater war. Ich würde ihr ungern die Möglichkeit des Abschieds nehmen. Dafür, dass man mit dem Tod eines nahen Menschen umgehen kann, ist es wichtig, bewusst diesen Schritt zu gehen und das Zurückbleiben der Asche auf dem Friedhof zu erleben. Ich denke, wenn die Beisetzung stattgefunden hat, dann werden Sie das nachvollziehen können. In einem Gespräch wäre die einzige Lösung möglich, da sie ja zuständig bleibt, alles zu planen.
Was ich, auch im Blick auf das Andenken Ihres Vaters, wichtig fände wäre, dass Sie in der Familie, die sich um Ihren Vater gefunden hat, noch miteinander umgehen können.
Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie als Sohn es als schmerzhaft empfinden, in die Planungen und Entscheidungen nicht einbezogen zu sein. Für Sie wäre es sicherlich wichtig gewesen, da Sie ja, mit dem Tod konfrontiert, der Sie machtlos werden lässt, nun auch noch der Dinge beraubt sind, an denen man merkt, dass man selbst noch da ist und auch etwas tun kann.
Ich habe - das sei hier angemerkt - selbst bei meinem Vater ähnliche Konstellationen erlebt, nicht wie bei Ihnen, aber doch so, dass ich mit Zerstrittenheiten in unserer Familie umgehen musste. So kann ich sehr gut nachfühlen, wie es Ihnen ergeht.
Nichts desto trotz möchte ich Ihnen sagen: Da Sie mich als einen Vertreter der Kirche angesprochen haben, als jemanden also, der täglich mit dem Glauben umgeht und auch davon zu erzählen hat, sage ich Ihnen einfach meine Meinung zu dem Problem, was für Sie scheinbar das größte ist. Wenn Sie sagen, sie empfinden es als respektlos, ihrem Vater die Ruhe nicht zu gönnen, oder eben diese Verzögern zu wollen, so kann ich das verstehen. Meine Überzeugung ist es jedoch, dass Ihr Vater seine Ruhe schon gefunden hat. Im Tod verlässt der Mensch die Welt, die wir kennen und tritt in eine andere Wirklichkeit ein, die wir Reich Gottes nennen. Diese neue Welt Gottes, so glaube ich es, ist eben der Ort dieser Ruhe, die Sie beschreiben. Und da, so glaube ich, ist Ihr Vater bereits. Trauerfeier und Beisetzung sind für mich dazu da, um mich als Hinterbliebener an den Verstorbenen zu erinnern und eben zu merken, dass er nun in dieser Welt die wir sehen (und die von Unruhe und Qualen gekennzeichnet ist) nicht mehr da ist, dass er in seine Ruhe hinübergegangen ist.
Vielleicht kann es Sie trösten, zu wissen, dass Ihr Vater so seine Ruhe bereits gefunden hat, egal, ob die Urne schon beigesetzt ist, oder nicht.
Schwer bleibt die Situation, bleibt sie schon deshalb, weil Sie Ihren Vater verloren haben.
Wie Sie sich dabei verhalten sollen, das kann ich schlecht sagen. Am besten wäre, wie gesagt, wohl noch ein Gespräch in dem Sie klar stellen, dass es Ihnen darum geht, zu wissen, dass Ihr Vater seinen Frieden gefunden hat - und nicht darum, aus Prinzip gegen die letzte Frau Ihres Vaters zu sein. Vielleicht kann sie es dann auch hören. An dem Termin wird sich nicht mehr viel ändern lassen - eine Woche ist ja auch bereits verstrichen.
Für Sie persönlich habe ich den Wunsch, dass Sie auch mit DAnkbarkeit und Frieden an Ihren Vater denken können, dass Sie Ihn so bei sich bewahren können. Ich wünsche Ihnen, dass Sie spüren können, dass Ihr Vater seinen Frieden schon gefunden hat, da sein Leiden beendet ist. Und ich wünsche Ihnen viel Kraft für den Weg, der vor Ihnen liegt.
Seien Sie herzlich gegrüßt,
Matthias Cyrus, Vikar.