Zeitangaben in der Kosmogonie

Hallo Sterngucker! (tschuldigung) Interessiere mich seit Jahren für Astrophysik und Kosmogonie, habe viel gelesen (auch manches, woraus ich nicht klug wurde) und meinen Hawking im Regal. Was mich immer wieder irritiert ist: Es wurde erforscht, was hunderttausend oder dreieinhalb Millionen Jahre nach dem Urknall geschah … etc. Schön, vielleicht kann man das an Hand der Rotverschiebung (oder mit Computersimulationen) einigermaßen extrapolieren. Aber dann kommen wieder Angaben, was 10 hoch -26 Sekunden oder 10 hoch -31 Sekunden nach dem Urknall geschah, und da bleibt im Hirn ein schwarzes Loch! Alle Achtung vor den Schweizern, aber Chronometer gab’s ja damals noch nicht, odrr? Besten Dank im Voraus für verständliche Aufklärung! H. Kramberg, Wien

das kann man nur theoretisch zurückrechnen. das ist dann die quantenpysik.

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Hallo

Diese Aussagen, inklusive der ganzen Geschichte mit dem Urknall, sind und bleiben Theorien, basierend auf den Phänomenen welche wir heute beobachten können. Man versucht einfach eine Formel zu finden welche, all das was wir heute beobachten können zu erklären. Das Ganze funktioniert aber in beide Richtungen: Einerseits wird etwas beobachtet und zur Erklärung wird eine Theorie erstellt und aus dieser Theorie ergeben sich wiederum Vorhersagen, welche, sofern die Theorie einigermassen richtig ist, dann nach geziehlter Suche auch beobachtet werden können.

Aus der Beobachtung heraus, dass sich alles von uns weg bewegt (Rotverschiebung) und mit der entsprechenden Theorie kann man, auf ein paar Milliarden Jahre genau, ausrechnen wann der Urknall, von Heute aus gerechnet, stattgefunden hat.

Mit der Theorie der Quantenmechanik kann man berechnen was ab dem Zeitpunkt des grossen Knalls passiert sein muss, um ein Universum, wie unseres, zu erhalten.

Insofern ergibt sich, dass man glaubt zu Wissen, was 10 hoch - 26 Sekunden nach dem Knall geschehen ist, obwohl man den Zeitpunkt des Knall nur auf ein paar Milliarden Jahre genau besimmen kann.

Aber das Ganze bleibt Theorie und Keiner wird es je mit sicherheit sagen können, dass es wirklich so stattgefunden hat.

Noch vor etwa 100 jahren war das Atom das kleinste Element aus dem die Materie besteht, dann wurde das Atom in Neutronen, Protonen und Elektronen „zerlegt“ und seit etwa 30 Jahren bestehen diese aus Quarks. Jede dieser Theoriehen konnte eine Zeit lang, das was beobachtet wurde, zufriedenstellend erklären, bis verbesserte Beobachtungsmethoden Abweichungen zeigten und die bestehende Theorie diese nicht mehr erklären konnte.

Wer weiss heute schon, welche Erkenntnisse in 100 Jahren gelten und ob dann unser Weltbild genau so belächelt wird, wie heute die scheibenförmige Erde im Zentrum des Universums ?

MfG Peter(TOO)

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Also, zun"achst einmal gibt es da die Beobachtung, dass sich alle Galaxien von uns wegbewegen, und das Weyl’sche Postulat, das sagt, dass sich alle Weltlinien in der vierdimensionalen Raumzeit an nur einem Ort in der Vergangenheit schneiden - also dem Urknall. Also, wenn man die Zeit umkehren k"onnte, dann w"urden sich die ganzen Galaxien auf einen Punkt zubewegen. Da es der Raum selber ist, der expandiert (nicht die galaxien bewegen sich durch den Raum), muss also das gesamte Weltall fr"uher kleiner gewesen sein - und da die Energie (=Masse, Licht, Vakuumenergie) erhalten ist, war das Universum fr"uher sehr viel dichter und auch heisser. Die Beobachtung der Kosmischen Hintergrundstrahlung zeigt uns, dass wir nicht ganz falsch liegen, tats"achlich waren die Dichten und Temperaturen kurz nach dem Urknall so, wie wir sie berechnet haben. Wann genau (von uns aus gesehen) Dichte und Temperatur genau so und so gross wareen, k"onnen wir nur sagen, wenn wir bestimmte Kosmologische Parameter annehmen (z.B. den Hubble-Parameter, der die Expansionsgeschwindigkeit angibt, oder die mittlere Dichte, die die Geometrie und die Dynamik des Universums bestimmt) - also, ob der Urknall vor 10 oder 20 Milliarden Jahren stattfand, ist nicht klar. Andersherum wirken sich die genannten Parameter aber zu Beginn des Universums nicht so sehr auf die Dynamik aus - f"ur verschiedene Weltmodelle ist der Anfang eigentlich (fast) gleich. Was wann passiert, h"angt jetzt im wesentlichen nur noch von Dichte und Temperatur ab - Entkopplung von Licht und Materie (etwa 300000 Jahre nach dem Urknall), Gleichgewicht von Materie- und Strahlungsenergiedichte (etwa 3000 Jahre nach dem Urknall), Entkopplung der Neutrinos vom Rest der Materie, Entstehung von Atomkernen, Entstehung von Protonen und Neutronen (alles temperaturabh"angige Prozesse!), Entestehung von Elementarteilchen, Quarks und Leptonen, Symmetriebrechungen der vier Grundkr"afte (zuerst spaltet sich die Gravitation ab, dann die starke Kraft, dann werden Elektromagnetismus und Schwache Kraft unterscheidbar)…viele dieser Vorg"ange lassen sich mit grossen Teilchenbeschleunigern nachvollziehen, aber dann kommt man in einen Bereich, wo Energien herrschen, die sich mit Beschleunigern heute noch nicht herstellen lassen. Da aber die Standardtheorie immer wieder durch Beobachtung und Experimente best"atigt wurde, kann man ein bisschen extrapolieren, und berechnen, was sich bei noch h"oheren Temperaturen tut. Die Vereinheitlichung der Starken Kraft mit der Elektroschwachen z.B. ist nicht beobachtet, wir k"onnen aber ziemlich sicher sein, dass genau das passiert. Soweit kommen wir mit Quantendynamik und Quantenfeldtheorie und Queantenchromodynamik und Relativit"atstheorie. Wenn wir aber jetzt zu noch gr"osseren Dichten und Energien vorstossen, kommen wir in einen Bereich, wo das alles nicht mehr funktioniert, und wir eigentlich gar nichts mehr wissen. Das sind dann die oft zitierten 10^-36 Sekunden.
Also zusammenfassend: was nach dem Urknall passiert, h"angt von den Energien ab, die im Spiel sind. Die Energien h"angen von Dichte und Temperatur, also von der Gr"osse des Universums ab. Da sich die Expansionsraten f"ur verschiedene Kosmologische Parameter zu Beginn des Universums nicht eklatant unterscheiden, kann man Zeitangaben in Sekunden, Stunden, Jahren etc. machen. Sp"ater, wenn das Universum schon sehr viel "alter ist, sind die Unterschiede sehr viel gr"osser, so dass eine Zeitangabe keinen Sinn mehr macht (wenn man nicht die Kosmologischen Parameter sehr genau kennt).

Ich hoffe, das kl"art Deine Frage ein bisschen,
Gruss, Steffi

das kann man nur theoretisch zurückrechnen. das ist dann die
quantenpysik.

Seit wann ist „zurückrechnen“ Quantenphysik?!
Damit hat das nix zu tun!
(Einige Vorgänge nach dem Urknall sind nur durch die Quantenphysik zu erklären, aber das Zurückrechnen selbst hat nix mit QP zu tun!)

gruß,
Nina

Hallo Steffi, herzlichen Dank für die umfassende Beantwortung meiner Frage, mit der Du zu meinem Verständnis beigetragen hast. Wissenschaftliche Abhandlungen und Artikel setzen voraus, dass sich der Leser der Relativität dieser Aussagen bewusst ist. Science und Fiction liegen doch nahe bei einander, und es gibt eben keinen unverrückbaren archimedischen Punkt, von dem aus wir in aller Ruhe das Geschehen katalogisieren können. Ein Jahr = einmal Erde um die Sonne – die gab es aber noch nicht, und außerdem ist auch diese Umlaufgeschwindigkeit veränderlich, d.h. diese Größen taugen eigentlich nicht als Maßstab. Wer kann denn da wirklich nachmessen oder behaupten, dass ein Jahr aus den ersten hundert Millionen genau so lang dauerte wie etwa das Jahr 2000 n. Chr. ?
Will Dir aber keine weitere Mühe machen, ich glaub, jetzt kenn ich mich einigermaßen aus. MfG hk