Welche Zeitbegriffe waren im Altertum üblich?
Hallo, Heinrich!
Ziemlich schwierige Sache das. Schwer zu erforschen und eigentlich ständig in Veränderung. Ganz allgemein:
Ägypten kannte zwei Kalendarien
a) am Mond orientiert (also „lunar“): 12 Durchläufe als ein Mondjahr ohne Rücksicht auf das Vegetationsjahr. Bald unbrauchbar wegen der regelmäßigen Wiederkehr von Bewässerung, Feldbestellung, Steuerterminen usw.
Deshalb für die Praxis Einführung von 12 Monaten mit 3 x 10 Tagen; praktisch wegen der Zählbarkeit mit Hilfe der Finger. (Dies wohl überhaupt der Ursprung der Einteilung von irgendwas nach Dekaden!)
Der Anfang dieses (360-Tage-)Jahres wurde ausgerufen, wenn die Schleusen des Beflutungsbassins geöffnet wurden (ca. 4. Augustwoche unserer Zählung): also letzten Endes ein „neilotisches“ Jahr.
b) das am Sirius-Aufgang orientierte Naturjahr, auch schon seit dem 3. Jahrtausend: Beginn mit der Grünfärbung des Nil zur Zeit der Sommersonnenwende, mit drei gleich langen Tetramenien/Jahreszeiten zu je vier Monaten (echet/Überschwemmung, projet/Winter, shomu/Sommer).
Die sonstigen ägypt. Kalendarien lassen sich auf diese beiden zurückführen
In Griechenland stand man von Anfang an vor dem Problem, das herkömmliche leicht zu beobachtende Mondjahr mit dem ebenfalls bereits bekannten Sonnenjahr in Einklang zu bringen. Dabei haben wohl die Griechen in Kleinasien ein Rolle gespielt: denn dort hat ja Thales die Sonnenfinsternis vom 28.5.585 v. Chr. vorausgesagt. Die Übernahme der kleinasiatischen Erkenntnisse ging wahrscheinlich unter sakralen Gesichtspunkten, sicher nicht ohne Mithilfe der Orakelpriesterschaft von Delphi, vor sich. Zumindest das ganze attische Kalenderwesen mit den Terminen für Feste und Opfer (eingeführt unter Solon im 7. Jh.) ging auf delphischen Einfluss zurück; Platon rät (Leges 828 a), die Feste wie immer schon nach den Orakelsprüchen von Delphi festzulegen.
Im übrigen ist das Kalenderwesen der Griechen infolge der landschaftlichen Zersplitterung in einzelne Stämme nur schwer fassbar.
Das Gleiche gilt für Kalenderwesen und Chronologie der Völker in Kleinasien.
Bei den Römern hatte der erste Kalender, als dessen Erfinder der König Numa galt, 10 Monate. Aber der vor-cäsarische Kalender hatte bereits 12 (Mond-)Monate mit 355 Tagen. Er begann mit dem Frühlingsmonat März und hatte 4 Monate à 31 Tage, 7 Monate à 29 Tage und den Februarius mit 28 Tagen.
Im Jahr 153 v. Chr. wurde der Jahresanfang auf den Januar vorgezogen, ohne die herkömmliche Benennung nach der Zählung zu verändern, so dass der Juli weiterhin Quinctilis (Fünfter) hieß usw. bis zum Decembris (Zehnter). Innerhalb der Monate blieb man bei der Datierung entsprechend dem Mondzyklus: Rückzählung der Tage von den Fixpunkten Kalendae, Nonae, Idus aus.
Cäsar glich bei seiner Reform den aufgelaufenen Fehlbestand von 90 Tagen aus. Dieser Kalender wurde zum Ursprung der europäischen Zeitrechnung.
Interessanterweise zeigt der christliche Festkalender eine Verquickung von Mond- und Sonnenjahr:
Die unveränderlichen Festtage Weihnachten und die Heiligenfeste) sind durch das Sonnenjahr festgelegt),
die veränderlichen Festtagsdaten (Ostern mit Fastenzeit, Christi Himmelfahrt, Pfingsten) folgen dem Mondjahr [Terminierung des Osterfestes auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond].
Für die 7-Tage-Woche sind nicht nur Juden- und Christentum wichtig, sondern auch antike Kulte, z. B. der Mithraskult; sonst wären die Wochentage nicht nach den antiken Planetengöttern (mit bei den Germanen adaptierter Benennung nach deren Gottheiten).
Schönen Gruß!
Hannes