Zerschlagung des Hoechst Konzern in den 90 er Jahren

Guten Tag liebe Kollegen

Ich bin Chemiker (aus der Schhweiz) und mich würde es mal interessieren, warum der Hoechst - Konzern mit dazumal etwa 44 Mia Umsatz einfach zerstückelt und verkauft wurde.
Im gleichen Jahrzehnt haben sich auch die Sandoz mit der Ciba-Geigy zu Novartis zusammengeschlossen. Für mich war eigentlich Hoechst wie Sandoz oder Ciba-Geigy ein florierender Konzern, ohne sichtbaren Probleme. Wenn jemand etwas weiss, bitte melden.
Ich danke Euch im voraus auf Eure Kommentare zu diesem Thema.

Servus,

Einzelne Sparten schrieben bei Hoechst tiefrote Zahlen, andere arbeiteten noch rentabel, aber mit nach und nach fallender Rendite, und mit der „Zerschlagung“ erreichte Jürgen Dormann eine Konzentration des breit angelegten Bauchladens von Hoechst auf die Sparten Pharma und Pflanzenschutz, die er als die einzigen zukunftsfähigen erachtete, und auf dieser Basis dann - etwa parallel zu der Schaffung von Novartis - den Zusammenschluss mit den entsprechenden Teilen von Rhône-Poulenc zu Aventis.

Schöne Grüße

MM

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Ich war Mitarbeiter einer Tochter von Hoechst und habe zu der von dir gestellten Frage eine dezidierte Antwort: Hoechst ist an seiner Arroganz und Ignoranz zugrunde gegangen. Wir sind die Größten und die Besten. Die Leistungen der Tochterfirmen wurde nicht anerkannt, Am Beispiel Behringwerke in Marburg das zu Pharma Hoechst gehörte, kann man das nachvollziehen. Pharma Hoechst hat mit Altprodukten im Tonnenmaßstab dick verdient. Man dachte, dass das einfach so weiter geht. Wir haben aus Spenderblut Produkte für die Intensivmedizin und die Versorgung von chronischen und erblichen Erkrankungen entwickelt und nur ein müdes Lächeln bei den Hoechster Managern erzeugt. Forschungsgelder wurden reichlich für Hoechster Phantasieprojekte ausgeschüttet und knausrig für Marburger innovative Projekte. Behring hat man dann stückweise verkauft, wobei verkauft eigentlich verschleudert bedeutete. Die verkauften Einzelteile (mein Zweig Labordiagnostik an Finanzinvestoren Bain Capital/Goldmann Sachs) haben sich dann dank der enormen wissenschaftlichen/technologischen Kompetenz alle zu sehr erfolgreichen Geschäften entwickelt. Am Beispiel Biontech Produktion von Corona Impfstoff ist das erst kürzlich bekannt geworden. Die kleine Stadt Marburg hat allein durch diese Produktion die letzten 2 Jahre jeweils mehr als 400 Mio € Gewerbesteuer eingenommen. Hoechst und Hoechst Pharma ist zum nobody geworden. Der letzte CEO Dormann hat sich zum Hans im Glück entwickelt. Er hatte in fettes Schwein und hat es so oft getauscht, dass er zuletzt mit einer Gans und letztlich mit Nichts glücklich und zufrieden seine Rente angetreten hat.
Udo Becker

Vielen Dank für Deine sehr interessanten Zusätze. Das alles wusste ich natürlich nicht. Auch ich war in der Chemie tätig, bei einem mittelständischen Unternehmen (300 Angestellte), das es leider auch nicht mehr gibt. Aber das waren Umweltgründe, die die Firma selbst zu verschulden hatte. Löschwasser eines Unfalls wurde einfach ins Grundwasser gelassen und die Gemeinde hatte das bemerkt und die Firma musste zahlen. Zudem wurden alle Kundenaufträge von den Kunden sofort zurück gezogen, als das mit dem Grundwasser publik wurde, sodass die Firma innert 3 Monaten die Insolvenz anmelden musste. Das ging dann sehr schnell und war erst 2019.
Ich selbst habe die Chemie-Laborantenlehre bei der Sandoz in Basel absolviert (1977), bovor ich an eine Fachhochschule in Winterthur ging, um Chemie zu studieren. Eigentlich bin ich der Sandoz heute noch dankbar, für die interessante und sehr gute Ausbildung zum Chemie-Laboranten. Grosskonzerne, wie die Sandoz damals war, bildeten immer besser aus, als Kleinbetriebe. Die hatten eigene Lehrlabors mit einer eigenen Berufsschule, was sich die kleineren gar nicht leisten konnten. Aber wie Du weisst, ist auch Sandoz in den 90er Jahren mit Ciba.Geigy zu Novartis verschmolzen. Aber soviel ich weiss, waren das andere Gründe als bei Hoechst. Weil Sandoz ging es zu der Zeit finanziell eigentlich gut und auch von der Ciba-Geigy hörte man nichts negatives.
Also nochmals vielen Dank für Deine Schilderungen zu Hoechst.
Viele liebe Grüsse sendet Dir
Werner

Basel: Wir hatten sehr sehr gute Beziehungen zu Pentapharm in Basel. Haben qualitativ hochwertige Peptiden von dort bezogen. Das uns später übergestülpte Einkaufsmanagement hat das alles zerstört, indem man die Basler erst preislich zur Verzweiflung getrieben hat und dann mit schlechten alternativen Lieferanten Qualitätsprobleme bekommen hat, die in der Summe viel teurer waren als wenn man bei Qualität geblieben wäre.
Udo Becker