Ziehen einer Waffe = Schußwaffengebrauch?

moin,

Polizeibeamter P verfolgt den flüchtigen T.
In einer Ecke ohne weitere Fluchtmöglichkeit angekommen, zieht P seine Schußwaffe und hält sie senkrecht gerichtet auf den Boden. T bedeutet er stehen zu bleiben und die Hände nach oben sichtbar auszustrecken.
P steckt die Waffe ins Holster und nimmt T fest.

Gilt das Ziehen der Waffe vorliegend als Androhung des Schußwaffengebrauchs?

Gruß, iok

Als bekennder Westfale darf ich dir aus dem relevantenTeil der Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz NRW zitieren:

Androhung unmittelbaren Zwanges (VVPolG NRW zu § 61)

61.11
Unmittelbarer Zwang darf nur angedroht werden, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen für seine Anwendung gegeben sind. Die Androhung kann grundsätzlich in jeder Form erfolgen; sie muss unmissverständlich sein. Die im Leitfaden 371 (Eigensicherung) empfohlenen Sicherungshaltungen reichen allein nicht aus.

61.12
Der Schusswaffengebrauch wird in der Regel mündlich angedroht durch den vernehmlichen Ruf: „Polizei! Keine Bewegung - oder ich schieße!“ oder vor allem gegenüber Fliehenden: „Polizei! Halt! - oder ich schieße!“ oder eine ähnliche Aufforderung. Das Wort „Polizei“ kann im Anruf unterbleiben, wenn ohne weiteres erkennbar ist, dass es sich um den Einsatz von Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamten handelt. Wenn die Umstände es zulassen oder wenn Zweifel bestehen, ob die Person den Anruf verstanden hat, ist er zu wiederholen. Der Schusswaffengebrauch kann auch durch Lautsprecher angedroht werden.
61.13
Ist eine mündliche Androhung des Schusswaffengebrauchs nicht möglich, weil z.B. die Entfernung zu groß ist oder weil aus sonstigen Gründen anzunehmen ist, dass der Anruf nicht verstanden wird oder verstanden worden ist, können ein oder mehrere Warnschüsse abgegeben werden. Warnschüsse sind so abzugeben, dass eine Gefährdung Dritter ausgeschlossen ist.

61.14
Zwischen der Androhung der Zwangsmaßnahme und ihrer Anwendung soll eine den Umständen nach angemessene Zeitspanne liegen.

61.15
Personen, gegen die nach Begründung des amtlichen Gewahrsams unter den in § 64 Abs. 1 Nr. 4 genannten Voraussetzungen von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden darf, sollen zu Beginn des Gewahrsams darauf hingewiesen werden. Um einen Schusswaffengebrauch zu vermeiden, ist auf eine sorgfältige Sicherung dieser Personen zu achten. Das gilt vor allem bei Transporten. Die Belehrung ersetzt nicht die Androhung des Schusswaffengebrauchs im Einzelfall.

61.31
Zwischen der wiederholten Androhung des Schusswaffengebrauchs gegen Personen in einer Menschenmenge und dem Gebrauch der Schusswaffe soll so viel Zeit verstreichen, dass sich insbesondere Unbeteiligte aus der Menge entfernen können.

61.32
Die Androhung hat grundsätzlich durch Lautsprecher zu erfolgen. Ihr soll alsdann durch Warnschüsse oder auf andere unmissverständliche Weise Nachdruck mit dem Ziel verliehen werden, letztlich den Schusswaffengebrauch auf Personen in der Menschenmenge zu vermeiden.

Ach, ich sollte auch noch antworten:

Gemäß den Vorgaben der Verwaltungsvorschrift zum PolG NRW (also gültig nur in NRW!) muss die Androhung unmissverständlich sein.
Das Ziehen der Waffe wäre nur dann eine unmissverständliche Androhung, wenn der Fliehende die Waffe sicher wahrnehmen kann. Dazu müssen die Lichtverhältnisse, die Blickrichtung und die Sehstärke des Fliehenden sicher bekannt sein. Das dürfte in jeder Realität nicht der Fall sein.
Also NEIN, eine wirksame Androhung dürfte so nicht zustande gekommen sein.
Außer, der Flüchtende blickt deutlich auf die Waffe und ruft „Oh nein, eine Waffe, bitte nicht schießen.“

Mag sein. Hier war es das aber. Oder warum hat sich der Flüchtende im Anschluss daran festnehmen lassen?

Es kann doch nicht sein, dass die Reaktion des Flüchtenden darüber entscheidet.