Zinspolitik

Politik Finanz- & Wirtschaftspolitik
#1

Wenn ein Bürger keine Schulden hat (ja, sowas solls geben), dann soll er ja nicht glauben, daß er keine Zinsen zu berappen hat.

Wegen der Staatsverschuldung in Österreich muß der Staat (wir alle) täglich an die 200 Millionen Schilling Zinsen zahlen. In Deutschland wird es wahrscheinlich auf die Bevölkerung hochgerechnet eine ähnliche Zahl sein. Natürlich zahlen wir alle mittels Steuern die Zinsen zurück. Jetzt sind aber die meisten Staaten verschuldet. Unser(e) Staat(en) schuldet/n also nicht hauptsächlich anderen Staaten Geld sondern unseren Banken.

Das ist aber lang nicht alles. Wir zahlen natürlich auch die Zinsen unseres Lebensmittelhändlers, Supermarkts, Imbißbude uswusfudergl zurück, weil die Inhaber die Zinsen selbstverständlich im Preis einkalkulieren müssen.

Eigentlich waren das bis jetzt die kleineren Brocken. Wenn wir in einem Miethaus wohnen, haben die Vermieter ja auch Kredite für den Hausbau aufgenommen. Im Durchschnitt beträgt der Anteil an der Miete für die Zinszahlung der Vermieter 70 %. (Quelle: Geld frißt Welt)

Jetzt fehlt das Geld der Wirtschaft, weniger Arbeitnehmer werden eingestellt usw.

Ich bin garantiert nicht für radikale Lösungen, aber ist es nicht an der Zeit, über Zinspolitik nachzudenken? Wir brauchen ja nicht so weit gehen, daß wir wie in islamischen Staaten Zinsen verbieten, aber wäre es nicht ein Vorteil, wenn die Zinsenschraube wieder zurückgedreht wird?
Was meint Ihr?

Servus
Herbert
*dervonfinanzpolitiknichtsovielahnunghatwieersicheswünschenwürde*

#2

Zwei Gegenargumente

Jetzt fehlt das Geld der Wirtschaft, weniger Arbeitnehmer
werden eingestellt usw.

Durch die Verschuldung ist der Hausbesitzer aber erst in die Lage versetzt worden, das Haus zu bauen. Hätte er das Geld erst angespart, könnten die Bauarbeiter noch fünfzig Jahre warten, bis sie den Auftrag bekämen.

Ich glaube, die Wirtschaftsgeschichte beweist, dass eine solide Schuldenpolitik erst für eine dynamische Wirtschaft sorgt. Wie immer kommt es auf das rechte Maß an.

Die Kehrseite der Staatsverschuldung ist doch, dass die Privatleute ihr Erspartes überhaupt anlegen können, z.B. in Staatsanleihen.

aber wäre es nicht ein Vorteil, wenn die
Zinsenschraube wieder zurückgedreht wird?

Nachdem wir seit Jahren in einer Niedrigzinszeit leben, ist diese Forderung wohl obsolet. Die letzte „echte“ Hochzinsphase war zu Anfang der 80er Jahre, wenn man von der eher kurzen Krise zu Anfang der 90er Jahre absieht.

Andreas

#3

Hi Herbert
Bin ja auch nicht gerade der Riesenwirtschaftssachverständige, aber soweit ich das überblicke, verhindert eine hohe Staatsverschuldung an sich nicht das Wirtschaftswachstum. Problematisch können aber die hohen Zinsen werden. Nur wenn das Geld sozusagen ins Ausland exportiert wird, wird es kritisch, weil dann keine Investitionen mehr getätigt werden.

Solide Finanzen bedeutet natürlich nicht schuldenfrei, sondern das die Neuverschuldung nicht übermäßig stark ansteigt. Viele Geschäfte müssen auf Pump finanziert werden (wer hat mal schnell 10 Mia DM in der Hosentasche) Die Refinanzierung sollte natürlich gleich mit eingerechnet werden.

Scherzfrage: Wenn die Banken dem Staat Geld leihen, von wem haben die dann das Geld?

Ich weiss ja nicht, wie die Lage in Österreich ist, speziell die Neuverschuldung. Hier in D arbeitet die Regierung schwer am Abbau der Neuverschuldung, was an sich ja nicht schlecht ist.
Die Steuerreform ist ja auch durchgegangen (Ob die Industrie den Eichel jetzt seligspricht *g*)

Die Zinsen in der EU sind derzeit jedenfalls nicht tragisch. DARAN kann es nicht liegen. Vielleicht liegt es am Steuersystem in Ö, oder an anderen Gesetzen… kenn ich mich nicht aus.

Gruss ins schöne Österreich

Mike

#4

Ich bin garantiert nicht für radikale Lösungen, aber ist es
nicht an der Zeit, über Zinspolitik nachzudenken? Wir brauchen
ja nicht so weit gehen, daß wir wie in islamischen Staaten
Zinsen verbieten, aber wäre es nicht ein Vorteil, wenn die
Zinsenschraube wieder zurückgedreht wird?
Was meint Ihr?

Servus
Herbert
*dervonfinanzpolitiknichtsovielahnunghatwieersicheswünschenwürde*

Erstens: In islamischen Staaten heißen die Zinsen bei den Banken Bearbeitungsgebühr, oder denkst Du, die Banken dort würden Geld für umsonst verleig´hen???
Zweitens: Wenn ich ein Auto miete muss ich Miete zahlen, wenn ich einen Acker pachte, muss ich Pacht zahlen, wenn ich eine Wohnung miete, muss ich Mietzins zahlen - und wenn ich ein Darlehen aufnehme (= Geld „miete“), muss ich Zinsen zahlen. Die Zinsen sind sozusagen die Miete für das Benutzen-Dürfen des Geldes.
Drittens: Die Höhe der Zinsen hängt wie die Preise von der Marktlage ab. Wenn viel Nachfrage nach Geld = steigende Zinsen.
Viertens: Das Problem der Staatsverschuldung sind nicht die Zinsen, sondern die Verschuldung an sich! Die drückenden Zinszahlungen sind nur die zwangsläufige Folge der zu hohen Kreditaufnahmen.
Fünftens: Das Verbot der Zinsen und erst recht der Zinseszinsen gehört zu jeder primitiven Vorstellung von Wirtschaft. Die Idee ist: Keine Zinsen = keine Schulden. Daher das Zinsverbot im Islam und wohl auch im Judentum (AT)? Kein Zufall ist, dass die „Brechung der Zinsknechtschaft“ ein Dauer-Wahlkampf-Hit der NSDAP war, die ihre kleinbürgerlichen Wähler damit überzeigen konnte, mit dem Zinsverbot würden auch die Schulden verschwinden.
Praktisch kann eine moderne Wirtschaft aber nicht ohne Kredit existieren und also auch nicht ohne Zinsen.
mfg frank

#5

Danke für die Antworten
Danke, das war interessant.

Ich bin ja nicht dafür, die Zinsen abzusschaffen. Die Banken müssen ja auch von was ‚leben‘. Ich wollte nur, daß man ein bißchen drüber nachdenkt. Vielleicht wäre ja ein bißchen mehr Kontrolle vom Staat nicht so schlecht. Auch Wohnungsmieten gehorchen nicht ganz der Marktlage, und die meisten sind ganz froh darüber. Natürlich ist mir bewußt, daß der ‚Geldhandel‘ zum Unterschied von Wohnungen ja weltweit funktioniert. Unsere freie Marktwirtschaft wird ja in fast allen Dingen gelenkt. Es ist ganz gut, daß sehr vieles, wie unser Essen, Kontrollen unterliegt. Unserer Wirtschaft hat’s nicht geschadet, im Gegenteil.
Und natürlich will ich auch Zinsen sehen, wenn ich der Bank Geld ‚leihe‘. Nur die Spanne von Soll- und Habenzinsen erscheint mir schon ziemlich groß. Zumal die Banken ja für fast alles Spesen verrechnen.

Servus
Herbert