Hallo!
Ich sehe es wie du - viele Gründe sind vorgeschoben. Die wenigsten stellen sich hin und sagen, Kinder passten halt einfach nicht in ihren Lebensentwurf. Das wäre wenigstens ehrlich. Wenn ich höre „Wir können uns Kinder nicht leisten!“, kann ich nur laut lachen. Ich kenne durch mein Kind sooo viele Familien, die der klassischen Mittelschicht angehören und die können sich Kinder durchaus leisten - bei „eingeschränkten“ Lebensverhältnissen natürlich, aber um den Preis des „Kinderglücks“. Wenn ich höre „Ich weiß nicht, ob er der Partner fürs Leben ist!“, dann frage ich mich, wann so manch einer eigentlich mal erwachsen werden und Verantwortung übernehmen will! Ob er der Partner fürs Leben war, weiß man ja oft erst recht spät. Dann ist es halt auch für Kinder zu spät. Wenn ich höre, Kinder seien ein Armutsrisiko und schränkten die Flexibilität ein, frage ich mich, an welcher Stelle in diesem Jahrhundert jemals abolsute Sicherheit herrschte und warum die Menschen in wesentlich unsichereren Zeiten und Gegenden trotzdem Kinder kriegen.
Ich kenne Frauen, die sagen ganz klar, ein Kind würde sie stören. Das kann ich akzeptieren. Aber diese vorgeschobenen Gründe nerven nur noch, und dass ich ständig bewundert werde für meinen „Mut“, Kinder zu kriegen, finde ich reichlich albern und nervig.
Warum ich jetzt - als „junge Frau“ - mein zweites Kind bekomme und gern noch zwei, drei mehr hätte? Weil Kinder dazu gehören. Weil sie aus zwei Menschen eine Familie machen. Weil man jung bleibt und über sich hinauswächst. Weil man einen Ausgleich zum Job hat und das alles nicht mehr so bierernst nimmt. Weil man über Dinge lachen kann, die man als Erwachsener gar nicht mehr sieht. Weil man sogar an Weihnachten wieder viel Neues zum Staunen findet.
Was ich bräuchte, um meine gewünschten vier bis fünf Kinder entspannt zu bekommen? Verlässliche Strukturen was die Betreuung angeht (von den Öffnungszeiten her, von den Betreuungspersonen, von der Finanzierung), viele selbstverständliche Kontakte zu anderen Familien mit mehr als einem Kind, weiterhin einen so verständnisvollen und flexiblen Chef wie jetzt, zukünftig mehr Flexibilität in den Chefetagen der Väter, die nicht zusammenzucken, wenn der werdende Vater kommt und sagt, er nehme Elternzeit, und zwar nicht nur die zwei Monate, sondern ein halbes Jahr, und dann wolle er Teilzeit arbeiten, bezahlbaren Wohnraum. Was ich nicht brauche ist Betreuungsgeld, (eine Erhöhung des) Kindergeld(es) und andere direkte finanzielle Geschenke.
Kinder schränken immer ein - finanziell, räumlich, zeitlich usw. Wer damit nicht leben kann, soll es lassen. Ich finde halt, Karriere schränkt ein - zeitlich, räumlich, persönlich. Jeder setzt seine Prioritäten anders.
Grüße,
sonne
P.S.: Wir sind beide in stark nachgefragten Jobs tätig, Akademiker, (eigentlich) gut verdienend, aber wegen der Kinder (gern!!!) in Teilzeit. „Karriere“ kann man später auch noch machen. Man organisiert sich halt durch. Es geht alles, aber es wäre mit der ein oder anderen Änderung einfach weniger aufreibend. Und andere, die keine Lust oder keine Kraft oder keinen Mut für dieses private Organisieren haben, verzichten halt vielleicht auf Kinder. Ich denke, da könnte man ansetzen.